Sinusthrombose-Risiko nach Covid-19 höher als nach mRNA-Impfung |
Carolin Lang |
16.04.2021 14:00 Uhr |
Einer Vorabveröffentlichung der Universität Oxford zufolge ist das Risiko für eine Sinusthrombose nach einer Covid-19 Erkrankung deutlich höher als nach einer Impfung mit einem mRNA-Impfstoff. / Foto: Adobe Stock /myboys.me
In einer retrospektiven Kohortenstudie untersuchten Wissenschaftler der Universität Oxford die Häufigkeit des Auftretens von Sinusthrombosen zwei Wochen nach Covid-19, nach Influenza und nach der Verimpfung einer ersten Dosis Comirnaty® (BNT162b2) oder Covid-19 Vaccine Moderna (mRNA-1273). Das Ergebnis: Das Risiko für eine Sinusthrombose ist nach einer SARS-CoV-2-Infektion am höchsten. Die Studie wurde gestern auf dem Preprintserver »OSF« veröffentlicht.
Für den Vergleich berücksichtigte das Team um Erstautor Maxime Taquet von der Abteilung für Psychiatrie der Universität Oxford 513.284 bestätigte Covid-19-Fälle, 172.742 Influenza-Fälle und 489.871 Verimpfungen einer ersten Dosis einer der beiden mRNA-Impfstoffe. Auch die Inzidenz von Sinusthrombosen in der Allgemeinbevölkerung wurde berücksichtigt. Die Daten stammen aus einem »großen elektronischen Netzwerk für Gesundheitsakten«, heißt es in der Publikation.
Demnach lag die Inzidenz für eine Sinusthrombose nach einer Covid-19-Erkrankung mit 39 pro eine Million Menschen am höchsten. Nach einer echten Grippe lag die Inzidenz bei 0 und nach einer Impfung bei 4,1 pro eine Million Menschen. In der Allgemeinbevölkerung erlitten 0,41 pro eine Million Menschen über einen Zeitraum von zwei Wochen eine Sinusthrombose. »Diese Daten zeigen, dass die Inzidenz von Sinusthrombosen nach Covid-19 signifikant erhöht ist, und zwar stärker als bei den Impfstoffen BNT162b2 und mRNA-1273 beobachtet«, schreiben die Autoren. Obwohl das Ausmaß des Risikos durch die Studie nicht mit Sicherheit quantifiziert werden könne, sei das Risiko nach Covid-19 ungefähr acht- bis zehnmal höher als das für die Impfstoffe berichtete und ungefähr 100-fach erhöht im Vergleich zur Bevölkerungsrate.
Gleichzeitig untersuchten die Wissenschaftler auch die Inzidenz von Portalvenenthrombosen (PVT) innerhalb der Gruppen. Dabei bildet sich ein Thrombus in der Pfortader. Nach einer Covid-19-Erkrankung lag die Inzidenz bei 436,6 pro eine Million Menschen. Nach Influenza lag sie hingegen bei 98,4 und nach einer mRNA-Covid-19-Impfung bei 44,9. Die im Datensatz beobachtete Gesamtinzidenz lag bei 4,1 pro eine Million Menschen über einen beliebigen Zeitraum von zwei Wochen.
Die Autoren ziehen zudem einen Vergleich mit der Häufigkeit von Sinusthrombosen nach einer Impfung mit dem Vektorimpfstoff Vaxzevria® (ChAdOx1), der Vakzine von Astra-Zeneca und der Universität Oxford. Dazu beziehen sie sich auf die jüngste Schätzung der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA), wonach die Inzidenz bei 5 pro eine Million Menschen liege. Da die Daten aus unterschiedlichen Quellen stammten, sei ein direkter Vergleich jedoch nur bedingt möglich.
Die Autoren weisen auf weitere Limitationen der Studie hin und betonen, dass alle aufgeführten relativen Risiken mit Vorsicht interpretiert werden sollten. Um mit Sicherheit sagen zu können, dass die untersuchten mRNA-Impfstoffe mit einem erhöhten Sinusthromboserisiko assoziiert seien, wären weitaus größere Stichproben nötig.
»Wir sind zu zwei wichtigen Schlussfolgerungen gekommen. Erstens erhöht Covid-19 das Risiko einer Sinusthrombose deutlich, was die Liste der Blutgerinnungsprobleme, die diese Infektion verursacht, verlängert. Zweitens ist das Covid-19-bedingte Risiko höher als das durch die aktuell verfügbaren Impfstoffe verursachte, selbst bei Personen unter 30 Jahren. Das sollte bei der Abwägung von Risiken und Nutzen einer Impfung berücksichtigt werden«, sagte Studienleiter Professor Dr. Paul J. Harrison von der Universität Oxford dem Nachrichtensender »CBS News«.
Laut dem letzten Sicherheitsbericht des Paul-Ehrlich-Instituts vom 9. April wurden bis zum 2. April in Deutschland sieben Verdachtsfälle von Sinusthrombosen nach Impfung mit Tozinameran (Comirnaty®) gemeldet. Hier seien drei Frauen im Alter von 34 bis 81 Jahren und vier Männer im Alter von 81 bis 86 Jahren betroffen gewesen. In keinem dieser Fälle wurde eine Thrombozytopenie berichtet. Die Zahl der gemeldeten Fälle sei jedoch unter Berücksichtigung der 10.722.876 verimpften Dosen im Vergleich zur gewöhnlich erwarteten Zahl dieser Thrombosen nicht erhöht. Heute erscheint im Laufe des Tages der neue Wochenbericht.
Die US-Arzneimittelbehörde FDA sowie die EMA untersuchen zudem einen möglichen Zusammenhang zwischen den ungewöhnlichen Thrombosen und dem Vektorimpfstoff von Janssen. Laut US-Arzneimittelbehörde FDA wurden bis zum 12. April in den USA sechs Fälle einer »seltenen und schweren Form von Blutgerinnsel« beobachtet, genauer gesagt Sinusthrombosen im Zusammenhang mit einer Thrombozytopenie. Bislang stuft die FDA diese Ereignisse noch als »extrem selten« ein. So wurden bis zum Impfstopp am 12. April bereits mehr als 6,8 Millionen Dosen von Janssens Covid-19-Impfstoff in den USA verimpft.
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