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Infektionsprophylaxe

Sicher auf Reisen

Reisen in ferne Länder bergen oft das Risiko, an dort heimischen Infektionen zu erkranken. Impfungen und Malariaprophylaxe schützen Reisende und beugen Infektionen vor.
Michelle Haß
27.01.2020  17:00 Uhr

»Laut Berechnungen der Weltorganisation für Tourismus werden im Jahr 2020 rund 1,4 Milliarden Menschen international reisen«, sagte Dr. Camilla Rothe, Abteilungsleiterin im Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität in München, auf dem Pharmacon-Kongress in Schladming. Dabei seien europäische Regionen immer noch unter den Top Ten der bevorzugten Reiseziele. Aber auch Asien und Afrika würden zunehmend beliebter.

Infektiöse Reisekrankheiten könnten unter Umständen schnell lebensbedrohlich werden, mahnte Rothe und riet bei Fernreisen zu einer umfangreichen medizinischen Reisevorbereitung, mit Impfungen und Beratung zur Malariaprophylaxe. Manche Reiseimpfungen, etwa die gegen Gelbfieber, Meningokokken und Polio, seien bei Ein- oder Ausreise in bestimmte Länder vorgeschrieben, andere würden aufgrund des regionalen Infektionsrisikos von Expertengremien empfohlen. Welche Impfungen sinnvoll seien, müsse immer individuell unter Berücksichtigung der gesamten Reiseroute ausgewählt werden.

»Generell gilt: Impflücken bei Standardimpfungen sollten unabhängig vom Reiseziel geschlossen werden«, sagte Rothe. Dabei sei unbedingt auch darauf zu achten, ob das Impfschema vollständig eingehalten wurde. »Bei jedem dritten Patienten in unserer Sprechstunde ist der Masern-Impfschutz nicht ausreichend und wir müssen die zweite Dosis nachimpfen«, verdeutlichte Rothe.

Mit einer Inzidenz von circa 1 Prozent zähle die Influenza zu den häufigsten Reiseinfektionen. Aus reisemedizinischer Sicht müsse man mit ihr das ganze Jahr rechnen. Denn anders als auf der Nord- und Südhalbkugel, wo sich die Grippesaisons komplementär verhielten, trete die Grippe in der Nähe des Äquators das ganze Jahr über auf. Aus diesem Grund appellierte Rothe, bei Reiserückkehrern aus tropischen Ländern mit plötzlich auftretendem Fieber auch an eine Influenza-Infektion zu denken.

Tiere meiden

Ein weiteres Problem bei Reisen seien Tierbisse und Krankheiten wie Tollwut, die durch sie übertragen werden können. Rothe warnte vor einem zu engen Kontakt mit unbekannten Tieren. Die Zahl der Fälle sei zwar vergleichsweise gering, aber »Tollwut ist immer noch nicht behandelbar und verläuft zu 100 Prozent tödlich.«

Immunglobuline zur Postexpositionsprophylaxe von Tollwut seien in subtropischen Ländern sehr schlecht zugänglich, daher sollte die Indikation für eine präexpositionelle Impfung großzügig gestellt werden. Die Grundimmunisierung erfolge mit drei Impfungen innerhalb von 28 Tagen. Alternativ empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation seit 2018 ein Schnellimpfschema bei Erwachsenen mit je einer Impfdosis an den Tagen 0 und 7. Dies werde auch von der deutschen Gesellschaft für Tropenmedizin und globale Gesundheit als ausreichend bewertet.

Laut Rothe soll bei der medizinischen Reisevorbereitung immer auf aktuelle Empfehlungen zurückgegriffen werden, da sich Risikogebiete ausbreiten und verändern können. So bestehe in Brasilien nach einer Gelbfieber-Epidemie vor drei Jahren auch erstmals in touristischen Küstenregionen ein erhöhtes Infektionsrisiko. Generell fänden sich Gelbfieber-endemische Gebiete im Moment nur in Südamerika und Afrika. Asien sei zurzeit noch gelbfieberfrei, obwohl die Tigermücke, die das Virus auf den Menschen überträgt, auch dort heimisch ist. Bislang hätten Wissenschaftler noch keine passende Erklärung für dieses Phänomen gefunden. Rothe betonte: »Aufgrund des internationalen Flugverkehrs ist es möglicherweise nur eine Frage der Zeit, bis auch erste Gelbfieber-Ausbrüche in China auftreten.« Um dem vorzubeugen, gebe es in weiten Gebieten Asiens strenge Einreise-Regelungen, die den Nachweis einer Gelbfieber-Impfung für Reisende aus endemischen Regionen zwingend vorschreiben.

Selbsttherapie verringern

Laut Robert-Koch-Institut wurden im Jahr 2018 circa 1000 Malariafälle gemeldet, vorwiegend bei Reiserückkehrern aus westafrikanischen Ländern. Eine besondere Risikogruppe unter den Reisenden seien dabei Personen mit Wurzeln im Ausland, die zu Besuch zurück in ihre Heimat fuhren, sogenannte Travellers visiting Friends and Relatives (VFR), erklärte Rothe. »Bei Reisenden, die mit Fieber aus Risikogebieten wiederkehren, sollte zu Beginn immer eine Malaria ausgeschlossen werden.«

Hauptmaßnahmen zur Vermeidung von Malaria-Infektionen stelle nach wie vor die Expositionsprophylaxe unter anderem mit Insektiziden und Repellenzien dar. Sie senke nicht nur das Risiko für Malaria, sondern schütze auch vor anderen durch Insektenstiche übertragbaren Krankheiten. Unter den Repellenzien habe Diethyltoluamid (DEET) in einer Konzentration von 30 bis 50 Prozent mit sechs oder zwölf Stunden die längste Wirkdauer und sei somit besonders praktikabel.

In Regionen mit hohem Malaria-Risiko sei nach wie vor eine zusätzliche medikamentöse Prophylaxe indiziert. In Gebieten mit geringem Risiko hänge es jedoch von der medizinischen Versorgung ab. »Nur noch in sehr abgelegenen Gegenden, in denen bei ersten Krankheitssymptomen kein Arzt binnen 48 Stunden zu erreichen ist, ist eine Notfallselbstbehandlung indiziert«, sagte Rothe.

In Deutschland stehen drei Präparate zur Chemoprophylaxe zur Verfügung: Atovaquon / Proguanil (zum Beispiel Malarone®), Mefloquin (Lariam®, Import) und Doxycyclin (Off-Label-Use). Laut Rothe wirken alle drei Präparate gleich gut, bieten jedoch keinen ausreichenden Schutz gegen alle Malaria-Arten. In den Vereinigten Staaten sei seit 2018 als weiterer Wirkstoff Tafenoquin verfügbar, der sowohl zur Chemoprophylaxe als auch zur Behandlung der Malaria eingesetzt werden könne. Nachteil sei das Hämolyse-Risiko bei bestehender Glucose-6-Phosphat-Dehydrogenase (G6PDH)-Defizienz. Vor der Einnahme müsse immer eine quantitative Bestimmung der Enzymaktivität erfolgen. In der Europäischen Union ist der Wirkstoff bisher noch nicht zugelassen.

 

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