Sein Verkaufsschlager – die Tropenapotheke |
Nachdem Lutze zunächst eine Apotheke in Pillau übernommen hatte, erwarb er 1886 die Oranien-Apotheke in Berlin, die von Rudolph Kade gegründet worden war. 1877 hatte Ernst John die Konzession und Apotheke erworben. Und 1886 kaufte sie nun Lutze von diesem für damals 765.000 Mark (8). Im Unterschied zu anderen pharmazeutischen Unternehmen bezieht sich der Name des bis heute bekannten pharmazeutischen Betriebs also nicht auf dessen Gründer, sondern geht auf Dr. Richard Kade zurück, der die Konzession für die Apotheke übernommen hatte.
Trotz der beträchtlichen Schuldenlast widmete sich Lutze nebenher seinen Studien und anschließenden Promotion am Pharmakologischen Institut Berlin. Er betrieb, wie er in seinem Lebenslauf betonte, seine »practische Thätigkeit in direkter Verbindung mit dem auf [sein] Fach bezüglichen Fortschritten der Wissenschaft« (9) und baute einen Fabrikationsbetrieb auf. Lutze widmete sich der Herstellung neuer Arzneiformen wie Tabletten und Ampullen.
Die Tablette war in England entwickelt worden, wo William Brockedon (1787–1854) diese nach dem Vorbild anderer Komprimaterzeugnisse wie Ziegel und Briketts herstellte. Im Deutsches Arzneibuch (DAB 5) von 1910 wird die Tablette erstmals im Abschnitt »Pastilli« erwähnt. Kapseln entwickelte der französische Apothekergehilfen François Achille Barnabe Mothes zur Einnahme schlecht schmeckender und riechender Arzneistoffe. Erste Ampullen hatten 1886 in Paris Apotheker Stanislas Limousin (1831–1887) und in Berlin Apotheker H. Friedländer hergestellt. Sie füllten die sterilen Lösungen in bauchige kleine Glasgefäße und schmolzen diese zu, um sie vor Keimbefall zu schützen (10).
Lutze folgte ihrem Vorbild und 1888 hieß es in einer Anzeige in der »Pharmazeutischen Zeitung«, dass »Dr. Kade’s Oranienapotheke« als Fabrik pharmazeutischer Präparate unter anderem Saccharintabletten, aber auch Creolin- und Ichthyolkapseln sowie sterilisierte subkutane Injektionen anbot (11). Die Bedingungen für den Aufbau eines Fabrikationsbetriebes waren aufgrund der Bismarckschen Sozialgesetzgebung von 1883 besonders günstig. Der daraus resultierende höhere Arzneimittelbedarf konnte nur durch eine industrielle Herstellung befriedigt werden (12). Ende der 1880er-Jahre produzierte Lutze auch Arzneifertigwaren wie Phenacetin und Sulfonal. In den 1890er-Jahren folgten Eisenpräparate, Gelatinekapseln und weitere Tabletten (13).
Ab den 1890er-Jahren kamen Haus-, Taschen- und Reiseapotheken sowie Arzneimittel und weitere Erzeugnisse für die Tropen dazu, die für die deutschen Kolonien bestimmt waren. Neben Verband- und Sanitätstaschen gab es Tropenapotheken, die Verband- und Arzneimittel sowie Instrumente und Geräte enthielten. Außerdem vertrieb Lutzes Firma Taschenapotheken in verschiedenen Größen, die sich hinsichtlich des Arzneimittelsortiments unterschieden: Die große Taschenapotheke enthielt neben Chinin und Aspirin auch Phenacetin, Veronal, Pulvis Doweri, Pulvis Rhei sowie Pflaster, Verbandsmittel und chirurgisches Besteck. Zum Angebot zählten ferner medizinische Ausrüstungen und Apparate für die Tropen, bakteriologische Untersuchungskästen sowie Trinkwassersterilisatoren.