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100. Todestag Franz Lutze

Sein Verkaufsschlager – die Tropenapotheke

Am 4. September sind seit dem Tod von Franz Lutze 100 Jahre vergangen. Der Apotheker war Gründer der noch heute existierenden pharmazeutischen Firma Dr. Kade. Bekannt für seinen Eifer baute er einen eigenen Fabrikationsbetrieb auf. Doch die betriebswirtschaftliche Seite seines Berufs sagte ihm weniger zu.
AutorKontaktChristoph Friedrich
Datum 28.08.2023  07:00 Uhr

Franz Lutze kam am 19. April 1857 als Sohn eines Kaufmanns in Preußisch Holland (Ostpreußen) auf die Welt. Nach dem Besuch des Gymnasiums und der Realschule in Elbing bis zur Secunda begann er 1872 seine Apothekerlehrzeit bei Otto R. Martens in Preußisch Holland. Seine Lehre beendete er bei Apotheker U. Techner in Elbing, der ihm »regen Eifer für die Erwerbung einiger Kenntnisse in der Chemie, Botanik, Pharmacognosie und Physik« bescheinigte. Am 30. September 1875 erhielt Lutze sein Zeugnis als Apothekergehilfe. Danach arbeitete er, wie damals üblich, in verschiedenen Apotheken, zum Beispiel in Deutsch-Eylau, Kempen (Provinz Posen), Thorn, Mewe an der Weichsel, Duisburg, in Fraulautern an der Saar, in Pillau und in Bischofswerda (1).

Am 20. November 1878 immatrikulierte sich Lutze an der Universität Leipzig, wo er unter anderem Organische Chemie bei Hermann Kolbe (1818–1884), Pharmakognosie bei Justus Radius (1797–1884), Botanik bei August Joseph Schenk (1815–1891) und Pharmazie bei dem Apotheker und Professor Christoph Heinrich Hirzel (1828–1908) belegte (2). Zu Lutzes akademischen Lehrern zählten somit bedeutende Fachvertreter wie der Chemiker Kolbe, dem wir die Synthese der Salicylsäure verdanken. Hirzel war der erste Vertreter der Pharmazie in Leipzig (3).

Promotion in Rostock

Im Jahr 1880 erhielt Lutze die Approbation als Apotheker und übernahm im ostpreußischen Gumbinnen eine Apotheke. Die Tätigkeit füllte ihn aber nicht aus, wie er schrieb: »Die geringe Befriedigung, welche mir die rein geschäftliche Seite meines Berufes bot, war die Veranlassung, daß ich mich nach Aufgabe dieser Art von Selbstständigkeit wieder dem Studium zuwandte und in Königsberg […] weitere drei Semester dem Studium der Chemie oblag« (4). Dort studierte er bei dem Agrikulturchemiker Karl Heinrich Leopold Ritthausen (1826–1912), der sich auch mit Pflanzenchemie beschäftigte (5).

In seinem Lebenslauf bemerkte Lutze: »Ich beabsichtigte, dieses Studium nach genügender Erweiterung meiner Kenntnisse durch die Promotion zum Abschluss zu bringen.« Seine Promotion erfolgte aber erst 1892 in Rostock mit der Arbeit »Beiträge zur Kenntnis des Hydrastins«. Die Untersuchungen dazu hatte er am Pharmakologischen Institut Berlin unter Leitung des Privatdozenten Martin Freund und des Pharmakologieprofessors Oskar Liebreich (1839–1908) durchgeführt (6). Mit einem Secunda-Abschluss einer Realschule war die Promotion an einer preußischen Universität jedoch nicht möglich, weshalb sie in Rostock erfolgte. Lutzes Dissertation war der Alkaloidchemie gewidmet, Hydrastin ist das Alkaloid der Kanadischen Orangenwurzel Hydrastis canadensis. Gutachter der Dissertation war der Rostocker Chemieprofessor August Michaelis (1847–1916) (7).

Herstellung neuer Arzneiformen

Nachdem Lutze zunächst eine Apotheke in Pillau übernommen hatte, erwarb er 1886 die Oranien-Apotheke in Berlin, die von Rudolph Kade gegründet worden war. 1877 hatte Ernst John die Konzession und Apotheke erworben. Und 1886 kaufte sie nun Lutze von diesem für damals 765.000 Mark (8). Im Unterschied zu anderen pharmazeutischen Unternehmen bezieht sich der Name des bis heute bekannten pharmazeutischen Betriebs also nicht auf dessen Gründer, sondern geht auf Dr. Richard Kade zurück, der die Konzession für die Apotheke übernommen hatte.

Trotz der beträchtlichen Schuldenlast widmete sich Lutze nebenher seinen Studien und anschließenden Promotion am Pharmakologischen Institut Berlin. Er betrieb, wie er in seinem Lebenslauf betonte, seine »practische Thätigkeit in direkter Verbindung mit dem auf [sein] Fach bezüglichen Fortschritten der Wissenschaft« (9) und baute einen Fabrikationsbetrieb auf. Lutze widmete sich der Herstellung neuer Arzneiformen wie Tabletten und Ampullen.

Die Tablette war in England entwickelt worden, wo William Brockedon (1787–1854) diese nach dem Vorbild anderer Komprimaterzeugnisse wie Ziegel und Briketts herstellte. Im Deutsches Arzneibuch (DAB 5) von 1910 wird die Tablette erstmals im Abschnitt »Pastilli« erwähnt. Kapseln entwickelte der französische Apothekergehilfen François Achille Barnabe Mothes zur Einnahme schlecht schmeckender und riechender Arzneistoffe. Erste Ampullen hatten 1886 in Paris Apotheker Stanislas Limousin (1831–1887) und in Berlin Apotheker H. Friedländer hergestellt. Sie füllten die sterilen Lösungen in bauchige kleine Glasgefäße und schmolzen diese zu, um sie vor Keimbefall zu schützen (10).

Taschenapotheke und Tropenapotheke

Lutze folgte ihrem Vorbild und 1888 hieß es in einer Anzeige in der »Pharmazeutischen Zeitung«, dass »Dr. Kade’s Oranienapotheke« als Fabrik pharmazeutischer Präparate unter anderem Saccharintabletten, aber auch Creolin- und Ichthyolkapseln sowie sterilisierte subkutane Injektionen anbot (11). Die Bedingungen für den Aufbau eines Fabrikationsbetriebes waren aufgrund der Bismarckschen Sozialgesetzgebung von 1883 besonders günstig. Der daraus resultierende höhere Arzneimittelbedarf konnte nur durch eine industrielle Herstellung befriedigt werden (12). Ende der 1880er-Jahre produzierte Lutze auch Arzneifertigwaren wie Phenacetin und Sulfonal. In den 1890er-Jahren folgten Eisenpräparate, Gelatinekapseln und weitere Tabletten (13).

Ab den 1890er-Jahren kamen Haus-, Taschen- und Reiseapotheken sowie Arzneimittel und weitere Erzeugnisse für die Tropen dazu, die für die deutschen Kolonien bestimmt waren. Neben Verband- und Sanitätstaschen gab es Tropenapotheken, die Verband- und Arzneimittel sowie Instrumente und Geräte enthielten. Außerdem vertrieb Lutzes Firma Taschenapotheken in verschiedenen Größen, die sich hinsichtlich des Arzneimittelsortiments unterschieden: Die große Taschenapotheke enthielt neben Chinin und Aspirin auch Phenacetin, Veronal, Pulvis Doweri, Pulvis Rhei sowie Pflaster, Verbandsmittel und chirurgisches Besteck. Zum Angebot zählten ferner medizinische Ausrüstungen und Apparate für die Tropen, bakteriologische Untersuchungskästen sowie Trinkwassersterilisatoren.

Lieferungen in Kolonien

Die Firma Dr. Kade bezeichnete sich in einem Werbezettel als »Lieferant des Reichskolonialamtes«. Im Firmenarchiv findet sich ein umfangreicher Schriftwechsel mit dem Reichskolonialamt, der vornehmlich Bestellungen enthält, die nach Kamerun, Deutsch-Neuguinea, Togo und Deutsch-Ostafrika geliefert wurden. Nach dem Verlust der deutschen Kolonien nach dem Ersten Weltkrieg verlor die Firma dieses Liefersegment (14).

1908 war die Fabrikation aus der Apotheke in ein eigenes Fabrikgebäude am Erkelenzdamm verlegt worden. Eine Trennung zwischen Apotheke und Fabrik erfolgte 1919, und die Firma hieß nun »Dr. Kades medizinisch-pharmaceutisches Fabrikations & Exportgeschäft Dr. Franz Lutze« (15). Sie präsentierte regelmäßig ihre Produkte auf Ausstellungen wie 1888 in Brüssel oder 1896 auf der Berliner Gewerbeausstellung, wo auch Tropenapotheken gezeigt wurden (16).

Als Lutze starb, ging die Leitung der Firma an seine Witwe Frieda Lutze (ca. 1860–1949) über. Sie führte den Betrieb gemeinsam mit ihren Söhnen Werner und Felix Lutze weiter (17). Zu den wichtigen neuen Präparaten zählten das noch unter Lutze eingeführte Asthmolysin (18), das Hämorrhoidenmittel Posterisan sowie Antiallergika und Spasmolytika (19). 1949 übernahm die Tochter von Felix Lutze, Marietta Lutze-Sattler (1919–2019), die Leitung der Firma (20). 

Radierung: Oranienbaumplatz in Berlin mit der Oranienbaum-Apotheke um 1910 von Heinz Wehlisch. / Foto: Firma Dr. Kade
Medikamenten-Satteltasche für Kaiser Wilhelm II. von 1892. / Foto: Firma Dr. Kade
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