Schweizer Apotheken sollen bald auf Antikörper testen |
Apothekenmitarbeiter in der Schweiz dürfen die Kunden umfangreich beraten, teilweise Rx-Medikamente ohne Arztunterschrift abgeben und sollen bald auch Blutproben für Coronavirus-Antikörpertests entnehmen dürfen. / Foto: Pharmasuisse
Im Vergleich zu den deutschen Kollegen haben Schweizer Apotheker deutlich mehr Handlungsspielraum, um Patienten zu beraten und teilweise auch direkt in der Offizin behandeln oder ihnen zumindest medizinische Leistungen anbieten zu können. In bestimmten Fällen ist es den Apothekern in der Schweiz auch erlaubt, verschreibungspflichtige Medikamente auch ohne die Unterschrift eines Arztes abzugeben. Jetzt plant der Schweizerische Apothekerverband Pharmasuisse möglichst bald in der ganzen Schweiz Antikörpertests gegen SARS-CoV-2 in den insgesamt 1806 öffentlichen Apotheken durchzuführen.
»Pharmasuisse verfolgt das Ziel, eine schweizweit einheitliche Dienstleistung nach verbindlichen Qualitätsstandards anzubieten, die sowohl die kapillare und gegebenenfalls venöse Blutentnahme als auch die nötigen Informationen und Fachberatung bezüglich der Testresultate beinhaltet«, erklärte eine Sprecherin des Apothekerverbands auf Anfrage der PZ. Der serologische Antikörpertest soll aber nur bei Personen durchgeführt werden, die keine akuten Symptome einer Covid-19-Erkrankung zeigen. Damit soll das Risiko, andere Apothekenkunden und das Personal anzustecken, reduziert werden.
Auf die Frage, wer den Patienten das Blut abnehmen wird, antwortete der Verband, dass »speziell geschulte Apothekenteams« den Antikörpertest in den Offizinen durchführen sollen. Zudem soll der Test mit einer persönlichen Fachberatung verknüpft werden. Nach der Blutentnahme wird die Probe dann an ein Labor zur Analyse geschickt. Wird das Labor fündig, sendet es den Befund zurück an die Apotheke, die den entsprechenden Kunden umgehend informiert.
Der Verband sieht in den Tests nicht nur den individuellen Nutzen für die Apothekenkunden, sondern auch einen gesellschaftlichen Mehrwert: »Die anonymisierten Daten können mit dem Einverständnis der getesteten Personen Aufschluss über die Verbreitung des Virus in der Bevölkerung liefern. Die Ergebnisse werden den Gesundheitsbehörden zur Verfügung gestellt.«
Die Kosten für den Test stehen noch nicht fest. Allerdings wird sich der Preis aus einer Labor- und einer Apothekenpauschale zusammensetzen. Auch die Frage, ob sich die Krankenversicherungen an den Tests beteiligen werden, kann Pharmasuisse noch nicht beantworten.
Kurz nach der Ankündigung, Antikörpertests in den Schweizer Apotheken flächendeckend durchführen zu wollen, erntete der Verband Kritik insbesondere vonseiten der Kantonsärzte und vom Bundesamt für Gesundheit (BAG), berichtete die Zeitung »NZZ am Sonntag«. Das BAG ist zuständig für die Gesundheitspolitik auf nationaler Ebene. In manchen Kantonen sei es für Apotheker nicht erlaubt, Kunden Blut abzunehmen, in anderen sind entsprechende Weiterbildungsmaßnahmen erforderlich, heißt es im NZZ-Artikel. Vor allem sei aber der Einsatz von Coronavirus-Antikörpertests außerhalb von Studien nicht empfohlen, bestätigt auch das BAG. In einem entsprechenden BAG-Merkblatt »COVID-19: Empfehlungen zur Diagnose im ambulanten Bereich«, das der PZ vorliegt, heißt es: »Schnelltests wie auch serologische Tests sind zum aktuellen Zeitpunkt für den routinemässigen Einsatz nicht empfohlen.« Das BAG begründet dies damit, dass noch nicht bekannt sei, ob die nachgewiesenen Antikörper auch wirklich zu einer schützenden Immunität führten. Lediglich PCR-Tests würden laut BAG derzeit ein sicheres Ergebnis liefern.
Pharmasuisse ist sich dieser Auffassung bewusst und erklärte, dass der Verband in einem konstruktiven Dialog mit dem BAG und den Kantonen stehe. Zudem argumentiert der Verband, dass sie mit ihrem Vorgehen verhindern möchten, dass »isolierte Marktangebote entstehen, die nicht den Standards des Bundesamts für Gesundheit und den notwendigen Qualitätsanforderungen genügen.« Pharmasuisse möchte eine einheitliche Dienstleistung in den Apotheken nach verbindlichen Qualitätsstandards etablieren und damit einen niederschwelligen Zugang für Personen, die fürchten, sich mit dem Coronavirus angesteckt zu haben, zu ermöglichen. Ob das allerdings vonseiten der Schweizer Behörden akzeptiert wird, bleibt offen.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.