Schutz vor dem Gesang der Sirenen |
In Negwers Unternehmen waren neben ihm zunächst nur ein »Kontorfräulein«, ein Buchhalter und eine Arbeiterin beschäftigt. Dennoch umfasste das Sortiment bald 100 Produkte, darunter auch Parfüme (9).
Ohrmodell für Apotheken von 1928 / Foto: Foto: Ohropax GmbH, Wehrheim
Ohropax blieb indes der Verkaufsschlager und fand sogar Eingang in die Literaturgeschichte, denn der Schriftsteller Franz Kafka (1883 bis 1924) erwähnte in einem Brief an seinen Freund Robert Klopstock (1899 bis 1972), »dass es ohne Ohropax sowohl bei Tag als auch in der Nacht gar nicht mehr gehe« (10).
Besondere Bedeutung erlangte Ohropax im Ersten Weltkrieg, wo es dank Kontakten des Generalleutnants a. D., Freiherr Friedrich von Dincklage-Campe (1839 bis 1918), zum Kriegsministerium ab 1916 zur Grundausstattung eines jeden Soldaten gehörte. 1920 lief das Patent für Ohropax aus, aber Negwer gelang es mit Geschick, das Original weiter zu vermarkten. Zu Werbezwecken lieferte er ab 1928 ein überdimensional großes Ohr für die Schaufenster von Apotheken und erreichte damit erneute Aufmerksamkeit für sein Produkt (11).
1924 hatte Negwer seine Fabrik nach Potsdam in die Jägerstraße 41 verlegt, wo er sein Sortiment erweiterte (12). 1929 bezog er, der 1916 geheiratet und fünf Söhne hatte, eine Villa am Winzerberg in der heutigen Gregor-Mendel-Straße 34. Am 27. Januar 1943 verstarb er in Potsdam. Sein Grab befindet sich auf dem Bornstedter Friedhof (13). Seine Witwe Erna Negwer, die die Leitung der Firma nun übernahm, musste am Ende des Krieges aufgrund fehlender Rohstoffe die Ohropax-Produktion einstellen (14). Nach dem Krieg verlagerte sie die Firma in den Westen, wo sie zunächst in Frankfurt am Main, dann in Bad Homburg und schließlich in Wehrheim im Taunus weiter in Familienbesitz betrieben wurde, zunächst unter Leitung ihres Sohnes, dem Apotheker Wolfgang Negwer (1917 bis 1994) und ab 1986 ihres Enkels Michael Negwer (15).
Quellen und Literatur
1) N. N, Zum 70. Geburtstag. In: Deutsche Apotheker-Zeitung 57 (1942), S. 1084.
2) Rein, A., Zur Bedeutung der Pharmazeuten Albert Hilger (1839–1905) und Theodor Paul (1862–1928) als Lebensmittelchemiker. Nat. Diss., Marburg 1988.
3) Amtliches Verzeichnis des Personals der Lehrer, Beamten und Studierenden an der königlichen bayrischen Ludwig-Maximilians-Universität zu München Winter-Semester 1897/98. München 1897, S. 23 f.
4) Schwarz, H.-D., Negwer, Max(imilian). In: Hein, W.-H., Schwarz, H.-D. (Hrsg.), Deutsche Apotheker-Biographie Ergänzungsband 1. Stuttgart 1986 (Veröffentlichungen der Internationalen Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie NF; 55), S. 333.
5) Schäfer, C.: Apotheker und Drogist. Zur Geschichte einer Konkurrenz. Nat. Diss., Düsseldorf 2008.
6) Ohropax GmbH (Hrsg.), Lauter Ruhe. 100 Jahre Ohropax. 100 Jahre Luxus für die Ohren. Wehrheim, [2007], S. 8; Persönliche Mitteilung von Michael Negwer, Wehrheim, am 11.01.2021.
7) Ohropax GmbH [wie Anm. 6], S. 8.
8) Persönliche Mitteilung (wie Anm. 6).
9) Noetzel, K., Von Schöneberg aus gelangte Ohropax vor 110 Jahren in die ganze Welt. In: Berliner Woche vom 23. August 2017.
10) Ohropax GmbH [wie Anm. 6], S. 40 f.
11) N. N., Die Geschichte unserer Geschichte: Ruhe. Seit 1907. Die Geschichte von Ohropax. In: www.ohropax.de/ueber-ohropax/historie (letzter Zugriff am 28.12.2020).
12) N. N., Kleine Nachrichten: 25-jähriges Geschäftsjubiläum. In: Pharmazeutische Zeitung 77 (1932), S. 1084.
13) N. N.,…kommt Dir Lärm wie Stille vor. In: Potsdamer Neue Nachrichten vom 06.10.2007.
14) Persönliche Mitteilung [wie Anm. 6].
15) Nötzel [wie Anm. 9], Ohropax GmbH [wie Anm. 6], S. 45f. und Persönliche Mitteilung von Pola C. Puls Ohropax GmbH vom 8.12.2021.
Der Autor dankt Herrn stud. pharm. Ranig Kaufhold für seine im wahlobligatorischen Unterricht durchgeführten Recherchen.
Professor Dr. Christoph Friedrich
Institut für Geschichte der Pharmazie und Medizin (in Gründung), Marburg