Rx-Boni – Kaufanreiz oder nicht? |
Ein Urteil des EuGH dürfte im Frühjahr 2025 zu erwarten sein. Die jetzigen Schlussanträge sind ein unverbindliches Gutachten für die Richter der zuständigen Fünften Kammer. Ob diese – Berichterstatter im Verfahren ist EuGH-Präsident Lenaerts – dem Vorschlag des Generalanwalts folgen, ist schwer prognostizierbar.
In den Schriftsätzen sowie in der mündlichen Verhandlung, die am 27. Juni 2024 in Luxemburg stattgefunden hat, wurden jedenfalls umfangreichere und differenziertere Argumentationslinien vorgetragen, als sie jetzt der Generalanwalt zusammenfasst. So hatte zum Beispiel die EU-Kommission dafür plädiert, die Einordnung konkreter Werbemaßnahmen letztlich den nationalen Gerichten zu überantworten, die im Wege einer Gesamtschau mögliche Kaufanreize identifizieren könnten und dabei den Bezug zu Arzneimitteln weit definieren müssten. Erörtert wurde insbesondere, dass Gutscheine per se Anreize zu Folgekäufen setzen könnten.
Weiterhin wurde hervorgehoben, dass die streitigen Werbemaßnahmen als aktive Einflussnahme auf Patienten rechtlich anders zu beurteilen sein dürften als rein sachliche Preisinformationen. Was die Bindung rezeptausstellender Ärzte an ihr Berufsrecht angeht, lässt schon die Tatsache, dass der europäische Gesetzgeber ausdrücklich eine strikte Regulierung von Werbemaßnahmen für verschreibungspflichtige Arzneimittel für erforderlich hält, an der Reichweite der vom Generalanwalt behaupteten Unbeeinflussbarkeit zweifeln.
Die aktuelle Entwicklung von »Rezeptplattformen« im Internet belegt auch faktisch, dass die Ausstellung von Rezepten nicht durchgehend streng kontrolliert wird und durchaus von Absatzinteressen gesteuert sein kann.
Sollte der EuGH wie der Generalanwalt nicht die Arzneimittelrichtlinie, sondern die Grundfreiheiten als Prüfungsmaßstab anlegen, müsste der BGH in der Folge die zwischenzeitlichen Entwicklungen bei der deutschen Preisbindung mit in den Blick nehmen. Zum einen hat der deutsche Gesetzgeber im Gesetz zur Stärkung der Vor- Ort-Apotheken (VOASG) eine Verlagerung vom Arzneimittel- in das Sozialrecht vorgenommen und dabei die Preisbindung weitgehend bekräftigt.
Zum anderen hat das Oberlandesgericht (OLG) München in einer sehr sorgfältig begründeten Entscheidung anhand der 2016 vom EuGH aufgestellten Kriterien festgestellt, dass schon die frühere arzneimittelrechtliche Preisbindung unionsrechtlich gerechtfertigt werden könne. Dieses Verfahren ist derzeit in der Revision beim BGH anhängig. Bereits jetzt ist also absehbar, dass die aktuellen Schlussanträge wohl nicht das letzte Wort zu dem Themenkomplex sein werden.