Russische Ärzte skeptisch gegenüber Sputnik-Impfstoff |
Annette Rößler |
19.08.2020 09:20 Uhr |
Die Mehrheit der Ärzte in Russland sagt in einer Umfrage vorerst »Njet« zu »Sputnik V«. / Foto: Adobe Stock/Christian Schulz
Es war ein Paukenschlag, als Russlands Präsident Wladimir Putin am 11. August 2020 die Zulassung des ersten Impfstoffs gegen das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 verkündete. Der Rest der Welt wunderte sich – und war empört, denn wie es schien, hatte man bei der Entwicklung der Vakzine die wichtige Phase III der klinischen Prüfung ganz einfach weggelassen und so ein unkalkulierbares Sicherheitsrisiko in Kauf genommen. Bei genauerer Betrachtung entpuppte sich die »Zulassung« jedoch als Notfallzulassung unter Auflagen und mit Befristung. Der Impfstoff wird zunächst an 2000 Personen getestet, bevor er am 1. Januar 2021 »in den zivilen Verkehr eingeführt« wird.
Zuerst sollen Ärzte und Lehrer geimpft werden. Doch wollen die das überhaupt? Offenbar nicht oder zumindest nicht mehrheitlich, wie jetzt eine Umfrage zeigt. Laut der Nachrichtenseite »Medscape« gaben bei der Befragung über die App »Doctor's Handbook« 52 Prozent von 3040 russischen Ärzten und Angehörigen von Gesundheitsberufen an, sich nicht impfen lassen zu wollen. Lediglich jeder vierte Befragte war dazu bereit. Seinen Patienten, Kollegen oder Freunden die Impfung empfehlen wollte nur jeder Fünfte.
Der Grund für die Zurückhaltung ist laut »Medscape« das Fehlen wichtiger Daten aufgrund der superschnellen Zulassung des Impfstoffs. Die Vorbehalte der Ärzte würden von einem Teil der russischen Bevölkerung geteilt. Andere wiederum stimmten der Regierung zu, dass die Skepsis ausländischer Experten gegenüber dem Impfstoff vor allem durch Neid verursacht sei.
Die Bekanntgabe der »weltweit ersten Zulassung eines Coronaimpfstoffs« durch den russischen Präsidenten war vor allem eines: ein großer PR-Coup. Der Impfstoff »Sputnik V« hat sogar eine eigene Website. Ruft man sie auf, hört man das Piepsen des Satelliten, der 1957 als erster ins All geschossen wurde. Das ist eine klare Ansage. Wer seinen Impfstoff Sputnik nennt, will zeigen, dass er der Weltbeste und Schnellste ist – wie damals, beim Wettlauf ins All.
Doch wenn man genau hinschaut, handelt es sich bei der Registrierung der Vakzine nicht um eine reguläre Zulassung, sondern um eine Notfallzulassung. Nur exponierte Gruppen wie Mediziner und Lehrer können zunächst geimpft werden. Ist die ganze Aufregung um die vermeintliche frühe Zulassung also umsonst?
Um die Sicherheit der Geimpften muss man sich wohl weniger Sorgen machen, als manche ersten Kommentare befürchteten. Das Impfkonzept gilt als sicher und in Russland ist auch schon eine Vakzine nach dem gleichen Prinzip gegen Ebola zugelassen worden. Doch dieser nationale Ehrgeiz und die politische Inszenierung der Impfstoffentwicklung könnten das eigentliche Ziel, die Pandemie mit sicheren und effizienten Impfstoffen zu beenden, gefährden. Deshalb kann man nur hoffen, dass sich andere Nationen nicht von der russischen Aktion provozieren lassen und ihre ohnehin schon ungewöhnlich schnelle Entwicklung von Impfstoffen weiter beschleunigen.
Christina Hohmann-Jeddi, Ressortleitung Medizin
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.