Pharmazeutische Zeitung online
Renale Anämie

Roxadustat trickst den Körper aus

Der neue Wirkstoff Roxadustat imitiert im Blut einen Sauerstoffmangel und aktiviert dadurch den natürlichen Kompensationsmechanismus des Organismus, sodass der Hämoglobin-Spiegel erhöht wird. Sein Einsatzgebiet ist die renale Anämie.
Kerstin A. Gräfe
07.10.2021  07:00 Uhr

Die renale Anämie ist eine Frühkomplikation der chronischen Niereninsuffizienz. Hauptursache ist eine erniedrigte Erythropoetin-Bildung in der erkrankten Niere. Die Therapie erfolgt mit Erythropoese-stimulierenden Agenzien (ESA) wie Epoetin alfa, Epoetin beta und Darbepoetin alfa. Zusätzlich zu ESA ist meist eine Eisensubstitution erforderlich.

Roxadustat (Evrenzo® 20 mg, 50 mg, 70 mg, 100 mg und 150 mg Filmtabletten, Astellas) ist indiziert zur Behandlung erwachsener Patienten mit symptomatischer Anämie bei chronischer Nierenerkrankung (CKD). Der Wirkstoff erhöht den Hämoglobin (Hb)-Spiegel über einen anderen Wirkmechanismus als ESA: Er ist der erste orale Inhibitor der HIF-PH (Hypoxie-induzierbarer Faktor Prolylhydroxylase).

HIF ist ein Transkriptionsfaktor, der unter anderem die Produktion von Erythropoetin fördert und dessen Bildung an das jeweilige Sauerstoffangebot im Blut gekoppelt ist. Bei einem Mangel wird vermehrt HIF gebildet, bei ausreichender Sauerstoffversorgung wird HIF durch die Prolylhydroxylase (PH) inaktiviert. Als HIF-PH-Inhibitor verhindert Roxadustat das und aktiviert dadurch die Kompensationsreaktion des Körpers auf einen verminderten Sauerstoffgehalt.

In der Folge werden mehrere Prozesse angestoßen: Zum einen wird die Produktion von Erythropoetin gesteigert, das die Produktion roter Blutkörperchen anregt. Zum anderen wird weniger Hepcidin gebildet, ein Protein, das dem Körper die Eisenaufnahme erschwert. Darüber hinaus wird die Resorption und Mobilisierung von Eisen verbessert.

Einnahme dreimal pro Woche 

Evrenzo wird dreimal pro Woche an nicht aufeinanderfolgenden Tagen oral eingenommen. Die Anfangsdosis hängt unter anderem vom Körpergewicht ab und kann zwischen 70 und 200 mg pro Einnahmezeitpunkt liegen. Anschließend wird sie so eingestellt, dass ein Hämoglobinspiegel zwischen 10 und 12 g/dl erreicht und aufrechterhalten wird. Wenn nach 24 Wochen kein klinisch bedeutsamer Anstieg des Hb-Werts erreicht wurde, sollte die Behandlung beendet werden. Bei Patienten mit mittelgradiger Leberfunktionsstörung ist die Anfangsdosis zu reduzieren. Für die Anwendung bei Patienten mit schwerer Leberfunktionsstörung wird Evrenzo nicht empfohlen.

Die Tabletten können mit oder ohne Nahrung eingenommen werden. Sie sind im Ganzen zu schlucken und dürfen nicht gekaut, zerbrochen oder zerkleinert werden. Sie sollten im Abstand von mindestens einer Stunde nach der Anwendung von Phosphatbindern (mit Ausnahme von Lanthan) oder anderen Arzneimitteln, die mehrwertige Kationen enthalten, eingenommen werden.

Hat der Patient eine Dosis vergessen und vor der nächsten planmäßigen Dosis liegt noch mehr als ein Tag, soll er die ausgelassene Dosis so bald wie möglich nachholen. Verbleibt nur noch ein Tag oder weniger, wird die ausgelassene Dosis übersprungen und die Einnahme mit der nächsten planmäßigen Dosis fortgesetzt. In jedem Fall sollte das reguläre Dosierschema danach wiederaufgenommen werden.

Nicht in Kombination mit ESA

Die Kombination von Roxadustat und ESA wird nicht empfohlen. Kontraindiziert ist der neue Wirkstoff bei Überempfindlichkeit gegen Erdnuss und Soja sowie im dritten Trimenon der Schwangerschaft und in der Stillzeit. In den ersten beiden Schwangerschaftsdritteln wird die Anwendung nicht empfohlen. Frauen im gebärfähigen Alter müssen während der Behandlung und bis mindestens eine Woche nach der letzten Dosis von Evrenzo eine hochwirksame Verhütungsmethode anwenden.

In klinischen Studien wurden Krampfanfälle als häufig auftretend berichtet. Roxadustat sollte bei Patienten mit Krampfanfällen in der Vorgeschichte, Epilepsie oder Krankheiten mit einer Prädisposition für Krampfanfälle mit Vorsicht angewendet werden.

Roxadustat ist ein Substrat von CYP2C8 und UGT1A9. Werden starke Inhibitoren oder Induktoren dieser Enzyme wie Gemfibrozil oder Probenecid gleichzeitig angewendet, müssen die Hb-Werte überwacht und die Dosis gegebenenfalls angepasst werden. Darüber hinaus hemmt Roxadustat BCRP und OATP1B1. Diese Transporter spielen eine wichtige Rolle bei der Aufnahme und dem Efflux von Statinen. Statinspezifische Nebenwirkungen und die Notwendigkeit einer Dosisreduktion des Statins sind zu beachten. Auch die Exposition mit anderen Arzneistoffen, die Substrate von BCRP oder OATP1B1 sind, kann erhöht sein.

Umfangreiches Studienprogramm

Die Zulassung basiert auf den Ergebnissen eines Phase-III-Studienprogramms, das aus acht randomisierten Studien mit nicht dialysepflichtigen (NDD) und dialysepflichtigen (DD) CKD-Patienten mit Anämie bestand.

Studien mit DD-Patienten:

  • PYRENEES: Roxadustat war wirksam bei der Erreichung und Aufrechterhaltung der Hb-Werte im Vergleich zu ESA (Epoetin alfa und Darbepoetin alfa).
  • HIMALAYAS: Roxadustat war wirksam bei der Korrektur und Aufrechterhaltung der Hb-Werte im Vergleich zu Epoetin.
  • SIERRAS: Roxadustat war bei Dialysepatienten, die von ihrer bestehenden stabilen ESA-Behandlung entweder auf Epoetin alfa oder auf Roxadustat umgestellt wurden, bei der Erreichung und Aufrechterhaltung der Hb-Werte nicht unterlegen und erwies sich anschließend als überlegen.
  • ROCKIES: Roxadustat zeigte eine statistisch signifikante Verbesserung der Hb-Werte im Vergleich zu Epoetin alfa.

Studien mit NDD-Patienten:

  • ALPS: Roxadustat erhöhte den Hb-Wert im Vergleich zu Placebo signifikant.
  • DOLOMITES: Roxadustat zeigte keine Unterlegenheit gegenüber Darbepoetin alfa bei der Korrektur des Hb-Werts.
  • ANDES und OLYMPUS: Roxadustat erwies sich bei der Korrektur der Hb-Werte gegenüber Placebo als überlegen.

Die häufigsten Nebenwirkungen waren Hyperkaliämie, Bluthochdruck, Thrombosen der Gefäßzugänge (bei Dialysepatienten), Übelkeit, Diarrhö und periphere Ödeme. Die häufigsten schwerwiegenden Nebenwirkungen waren Sepsis, Hyperkaliämie, Bluthochdruck und tiefe Venenthrombosen.

 

Mehr von Avoxa