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»Datenklau«-Prozess

Richter räumen Fehler bei Ermittlungen ein

Zum zweiten Mal gaben die Richter im Prozess gegen Ex-ABDA-Sprecher Thomas Bellartz und dem IT-Fachmann Christoph H. eine vorläufige rechtliche Einschätzung ab. Die Verteidigung war damit allerdings nicht zufrieden.
Jennifer Evans
05.10.2018  17:14 Uhr

Am heutigen Verhandlungstag vor dem Berliner Landgericht wiederholte Bellartz' Verteidiger, Professor Carsten Wegner, seine Kritik an der Strafkammer. Seiner Ansicht nach ist sie mit dem Fehlverhalten der Ermittlungsbehörden zu nachsichtig umgegangen. Dabei ging es unter anderem um die lückenhafte Führung der Verfahrensakte im Landeskriminalamt. Dem setzte der Vorsitzende Richter nun entgegen, dass er »ermittlungsbehördliche Verfehlungen« keineswegs billige und die Kammer diese sogar als »erheblich« erachte. Obwohl er zuletzt zahlreiche Anträge der Verteidigung, die gerne weitere Zeugen aus Ermittlerkreisen zu dem Thema befragt hätte, ablehnte, will er die Umstände bei einer möglichen Verurteilung entsprechend »strafmildernd berücksichtigen«. Nach Ansicht des Gerichts bringen jedoch weitere Vernehmungen keine neuen Tatsachen mehr ans Licht, die nicht bereits bewiesen sind.

Zwischen 2009 und 2012 soll Bellartz zusammen mit H., der damals im Bundesgesundheitsministerium (BMG) als IT-Spezialist arbeitete, E-Mails mit brisanten Inhalten von Ministeriumsmitarbeitern ausgespäht haben. Laut Anklage soll der heutige Apotheke Adhoc-Herausgeber Bellartz  H. für die Informationen bezahlt haben.

Seit Prozessbeginn im Januar äußerten sich die Richter heute zum zweiten Mal in einem sogenannten Rechtsgespräch zu ihrer vorläufigen Bewertung des Falls. Demnach konzentrieren sie sich, wie bereits im März verkündet, nach wie vor noch auf zwei der 40 Anklagepunkte. Die anderen wollen sie einstellen. In den beiden verbleibenden Fällen sehen sie den Tatbestand des Ausspähens von Daten nach §202a Strafgesetzbuch weiterhin als erfüllt an, weil die beiden Angeklagten zunächst eine entsprechende Sicherung überwinden mussten, um an die sensiblen Daten zu gelangen. Betroffen sind die persönlichen E-Mail-Postfächer der Mitarbeiter aus dem Bundesgesundheitsministerium (BMG).

Den Vorwurf, dass die Angeklagten  damit auch gegen das Bundesdatenschutzgesetz verstoßen haben sollen, wollen die Richter nicht weiterverfolgen. Dieser Aspekt könne jedoch beim Schuldspruch wieder ins Gewicht fallen, betonten sie. Um diesen Teilaspekt einstellen zu können, muss jedoch auch der Staatsanwalt sein Einverständnis geben. Dieser will sich am nächsten Verhandlungstag, dem 19. Oktober, dazu äußern.

Für Wegner sind auch die verbleibenden Anklagepunkte wackelig. Dem Rechtsanwalt fehlen die Beweise dafür, dass das BMG durch den vermeintlichen Datendiebstahl überhaupt Schaden genommen hat. Er hält es für unwahrscheinlich, ist sogar überzeugt davon, die damaligen Gesundheitsminister Philipp Rösler und später Daniel Bahr (beide FDP) würden dies im Zeugenstand ebenso bestätigten. Das Gegenteil zu beweisen dürfte allein deshalb schwer werden, weil das Ministerium die für einen Schaden womöglich relevanten E-Mails aus der Zeit der Tatvorwürfe inzwischen längst gelöscht hat.

Foto: Fotolia/Hans-Jörg Nisch

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