Quälgeist im Ohr |
Einen gewissen Stellenwert haben Arzneimittel beim Tinnitus leitliniengemäß dann aber doch: Zur Behandlung von häufigen Komorbiditäten wie Angststörungen und Depressionen, so die Autoren, können Psychopharmaka wie Antidepressiva durchaus indiziert sein und einen wichtigen Therapiebaustein darstellen (3).
Auch bei einer ausgeprägten Schlafstörung kann eine Pharmakotherapie überbrückend hilfreich sein. Rudolph rät hier zu Phytopharmaka, die beispielsweise Baldrian und/oder Hopfen enthalten. Auch für Melatonin gibt es Hinweise, dass es insbesondere bei einer gleichzeitig bestehenden Schlafstörung hilfreich sein könnte (3, 20–21).
Ansonsten lasse sich auch für verschiedene Nahrungsergänzungsmittel (NEM) kein Nutzen belegen. So stellten die Leitlinienautoren nach Prüfung der Studienlage fest, dass sowohl für zahlreiche Vitamine und Mineralien als auch für Lipoflavonoide, Knoblauch, homöopathische Präparate oder Produkte der traditionellen chinesisch-koreanischen Kräutermedizin beziehungsweise Honigbienenlarven kein Wirksamkeitsnachweis bei Tinnitus vorliegt (3).
Bei einem Hörverlust kann die Versorgung mit Hörgeräten Erleichterung schaffen, da der Tinnitus aufgrund überdeckender Außengeräusche weniger wahrgenommen wird. / Foto: Adobe Stock/Alexander Raths
Fest stehe jedoch, dass bei einer Hörschädigung eine adäquate Hörhilfe Erleichterung verschaffen kann. Betroffene nehmen den Tinnitus dann weniger stark wahr, da sie wieder mehr überdeckende Außengeräusche hören.
Von einer Rausch-CD oder einem Rauschgenerator, oft in Kombination mit einem Hörgerät, sei indes eher abzuraten. Laut Leitlinie bringt dieser zusätzlich zum Hörgerät keinen Vorteil und bei Normalhörigkeit ist ein alleiniger Effekt der »Noiser« nicht belegt. Außerdem sind Langzeitfolgen unbekannt. Mögliche Schädigungen der Hörbahn durch eine konstante Schallstimulation können nicht ausgeschlossen werden.
Ein Cochlea-Implantat (CI) kann bei hochgradig schwerhörigen und (einseitig) ertaubten Menschen mit Tinnitus eine Hörverbesserung erzielen und somit die Ohrgeräusche verringern. Auch eine Audiotherapie, bei der Patienten Fähigkeiten der zentralen Hörverarbeitung wie Richtungshören, Fokussierung und Differenzierung im Störlärm mit und ohne Hörgeräte und speziell ein Überhören des Tinnitus üben, kann versucht werden (3).