Proteine in den Abbau zwingen |
Kerstin A. Gräfe |
28.06.2019 08:00 Uhr |
Das bifunktionale PROTAC (bunt) bindet das Zielprotein (grün) und die E3-Ubiquitin-Ligase (blau) und führt dadurch das Zielprotein dem »Proteinschredder« Proteasom zu. / Foto: Arvinas
Die neue PROTAC-Technologie (Proteolysis-Targeting Chimeras = auf die Proteolyse abzielende Moleküle) nutzt das natürliche Proteinabbausystem der Zelle, um selektiv einzelne Zielproteine durch Proteolyse abzubauen und in ihre Bausteine, die Aminosäuren, zu zerlegen. Das geschieht folgendermaßen: PROTAC-Moleküle sind bifunktional aufgebaut. Der eine Arm des Moleküls bindet an das Zielprotein, der andere an das Protein E3-Ubiquitin-Ligase. Dieses fungiert als Markierung für das Proteasom, dass das ubiquitin-markierte Zielprotein in kleinere Peptide und Aminosäuren zerlegt. Durch den Abbau des Zielproteins wird das PROTAC-Molekül freigegeben und der Zyklus kann erneut beginnen. Theoretisch können PROTACs jedes beliebige Protein auf diese Art und Weise in den Abbau zwingen, auch die bisher »undruggable« 80 Prozent.
Pionier auf dem Gebiet der PROTAC-Technologie ist das US-amerikanische biopharmazeutische Unternehmen Arvinas, das zwei Kandidaten am Start hat. ARV-110 ist ein bifunktionales Molekül, das bei Männern mit metastasiertem, kastrationsresistentem Prostatakarzinom (mCRPC) zum Einsatz kommen soll, deren Krebs trotz zwei oder mehr vorherigen Therapien fortgeschritten ist. ARV-110 hat als Zielprotein den Androgen-Rezeptor. Das PROTAC wird derzeit in einer Phase-I-Studie an etwa 30 Männern mit mCRPC evaluiert. Erste Ergebnisse erwartet das Unternehmen im Jahr 2020. Die US-amerikanische Zulassungsbehörde FDA hat ARV-110 eine Fast Track designation erteilt, was in der Regel eine beschleunigte Zulassung beinhaltet.
Ein zweites Protein der Firma richtet sich gegen Estrogen-Rezeptoren (ER): eine Phase-I-Studie mit ARV-471 an Frauen mit ER positivem/HER2 negativen metastasiertem Brustkrebs beginnt im dritten Quartal dieses Jahres.
Zwar gibt es für beide Krebserkrankungen bereits klassische Wirkstoffe. Diese kommen aber zum Beispiel bei mCRPC-Patienten mit sehr hohen Androgen-Rezeptor-Spiegeln oder mit Mutationen im Rezeptor schnell an ihre Grenzen. Ein weiterer Vorteil könnte die im Vergleich zu herkömmlichen Wirkstoffen deutlich längere Wirkdauer der PROTAC sein. Denkbar wäre zum Beispiel ein dadurch gestrecktes Einnahmeschema und in der Folge weniger Nebenwirkungen – so zumindest die Theorie.