Phytos als Option bei Frauenleiden |
Auch in Sachen Wirkmechanismus des Mönchspfeffers hat sich etwas getan: Forscher berichteten im vergangenen Jahr im Fachjournal »Planta Medica« über die inhibierende Wirkung eines ethanolischen Mönchspfeffer-Fruchtextrakts auf bedeutende Endothelzellfunktionen bei der Angiogenese. Die Blutgefäßneubildung spielt eine zentrale Rolle bei der Erneuerung der Uterusschleimhaut im Zuge des Menstruationszyklus. »Diese ersten präklinischen In-vitro-Daten zur Reduktion der Gefäßneubildung sind ein zusätzlicher Puzzlestein des Wirkmechanismus auf molekularer Ebene. Sie könnten ein weiterer Erklärungsansatz für die Wirksamkeit bei PMS und Zyklusunregelmäßigkeiten sein«, informiert Fürst.
Während die klinische Wirksamkeit hinreichend belegt ist, waren über die molekularen Wirkmechanismen der Mönchspfefferextrakte nur Ansätze bekannt, etwa der Angriffspunkt an der hormonellen Hypothalamus-Hypophysen-Achse. Untersuchungen zeigen, dass die hypophysäre Prolaktinausschüttung über einen dopaminergen Effekt gesenkt wird. Erhöhte Prolaktinspiegel sind mitverantwortlich für die zyklusabhängigen Beschwerden im Rahmen des PMS, da Prolaktin die Sekretion von GnRH (Gonadotropin-Releasing-Hormon) hemmt. Unter den Inhaltsstoffen sind es vermutlich Diterpene, die für die prolaktinsenkende Wirkung der Extrakte verantwortlich sind. Sie zeigen eine Affinität zum Dopaminrezeptor D2.
Die Wirkung setzt nicht von heute auf morgen ein, sondern ist erst nach einigen Wochen zu erwarten. Außerdem sollte die Einnahme durchgängig über den ganzen Zyklus erfolgen. Fürst: »Wenn man Mönchspfeffer-Extrakte erst dann anwendet, wenn die Beschwerden einsetzen, ist der Effekt nicht zu bekommen. Phytopharmaka wirken nicht akut wie eine Kopfschmerz-Tablette, die Harmonisierung des Zyklus braucht Zeit. Die Hormonspiegel pendeln sich erst nach und nach ins Gleichgewicht ein. Das macht eine längerfristige Anwendung erforderlich.« Während bei Mastodynie, also Spannungsgefühlen in der Brust, Gereiztheit und Unruhe mindestens eine dreiwöchige Einnahme von Phytopharmaka anzuraten ist, braucht es zur Kupierung von Wechseljahresbeschwerden zwei bis drei Monte, bis Effekte zu erwarten sind. »Sowohl Mönchspfeffer-Extrakte bei PMS als auch Cimicifuga- oder Rhapontikrhabarber-Extrakte bei klimakterischen Beschwerden sind für die Selbstmedikation immer erste Wahl und sehr gut für den Einstieg geeignet. Freilich darf man nicht wie bei der Hormonersatztherapie auf fulminante Effekte hoffen; Hormone spielen vom therapeutischen Effekt in einer anderen Liga.«
Zu den am besten untersuchten pflanzlichen Zubereitungen gegen klimakterische Beschwerden gehören Extrakte aus dem Wurzelstock der Traubensilberkerze (Actaea racemosa, früher Cimicifuga racemosa), einer aus Nordamerika stammenden Arzneipflanze. Mehrere randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudien mit unterschiedlichen Spezialextrakten belegen eine signifikante Reduktion vasomotorischer Beschwerden über mindestens zwölf Wochen sowie eine gute Verträglichkeit über mindestens ein Jahr. Das Hauptsymptom Hitzewallungen ging bei bis zu 80 Prozent zurück.
»Aufgrund der positiven Studienlage haben verschiedene Cimicifuga-Trockenextrakte von der EMA den well-established use für die Behandlung von Wechseljahresbeschwerden zuerkannt bekommen«, sagt der Apotheker. Das gilt etwa für Klimadynon®, Remifemin®, Femikliman® uno oder Kofemin® Klimakterium. Dass die evidenzbasierten Phytopharmaka wirkungsvoll gegen leichtere Hitzewallungen, Schlafstörungen und Stimmungsschwankungen eingesetzt werden können, bestätigt auch die aktuelle S3-Leitlinie »Peri- und Postmenopause – Diagnostik und Interventionen« der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe. »Stehen depressive Verstimmungen im Vordergrund, ist eine Kombination mit dem Trockenextrakt aus Johanniskraut angezeigt«, informiert Fürst. Die Wirksamkeit von Remifemin® plus gilt als gut belegt.
Welche Inhaltsstoffe der Traubensilberkerze für die Wirkung verantwortlich sind und wie diese molekular vermittelt wird, ist nicht geklärt. »Sicher ist man sich heute nur bei dem, was nicht wirkt. Definitiv widerlegt ist die frühere Annahme, dass enthaltene Isoflavone über eine Bindung an Estrogenrezeptoren wirken. Cimicifuga-Wurzelstock enthält keine Isoflavone«, erläuterte Fürst. Cimicifuga-Extrakte sind deshalb nicht als Phytoestrogene oder Phyto-SERMs, also pflanzliche selektive Estrogenrezeptor-Modulatoren zu bezeichnen.
»Weil aber immer noch nicht ausgeschlossen wurde, dass in irgendeiner Art und Weise eine estrogenartige Wirkung vorhanden ist, sollten diese Phytopharmaka bei Brustkrebs und anderen hormonabhängigen Tumoren nicht angewendet werden«, erklärt Fürst einschränkend. Prinzipiell sollten Frauen die Einnahme von Phytotherapeutika mit ihrem Gynäkologen besprechen. Frauen unter Hormonersatztherapie rät Fürst von einer zusätzlichen Phytotherapie in Eigenregie ab. »Ob eine Kombination sinnvoll ist, muss im Einzelfall mit dem Arzt besprochen werden. Es könnte sich eine additive Wirkung ergeben, die pharmakologisch vielleicht nicht gewünscht ist.« Zudem für das Beratungsgespräch relevant: Frauen sollten über das potenzielle Risiko von Leberschäden informiert werden. Cimicifuga-haltige Arzneimittel müssen seit Herbst 2009 einen entsprechenden Warnhinweis tragen.