Phytos als Option bei Frauenleiden |
Pflanzen-Zubereitungen gibt es viele, gut geprüfte Extrakte mit einer Well-established-use-Empfehlung nur wenige. Das ist bei Präparaten für die Frauenheilkunde nicht anders. / Foto: Adobe Stock/Microgen
»Mit Mönchspfeffer und Traubensilberkerze stehen zwei sehr gut untersuchte Arzneipflanzen zur Verfügung, die die Therapie von Frauenleiden wie das Prämenstruelle Syndrom und Wechseljahresbeschwerden bereichern«, informiert Fürst im Gespräch mit der Pharmazeutischen Zeitung. Die Therapie mit pflanzlichen Arzneimitteln hat vor allem dann ihren Platz, wenn die Beschwerden milde ausgeprägt sind oder wenn eine Hormongabe während den Wechseljahren nicht gewünscht wird. Zudem stehen viele Frauen pflanzlichen Arzneimitteln im Vergleich zur Hormonbehandlung positiv gegenüber, sodass es sich lohnen kann, eine pflanzliche Therapie eine Zeit lang auszuprobieren. »Allerdings ist es wichtig, in der Apotheke gut geprüfte Extrakte zu empfehlen«, rät der Phytopharmaka-Experte.
Diese Aussage hat vor allem – ganz aktuell – bezüglich Präparaten mit Trockenextrakten aus den Früchten des Mönchspfeffers Vitex agnus-castus seine Relevanz. Diese werden gegen Beschwerden des Prämenstruellen Syndroms (PMS) und Zyklusunregelmäßigkeiten eingesetzt. »Der Extrakt, der sich in Studien besonders effektiv zeigte, stammt ursprünglich aus der Schweiz. Dabei wurden Tagesdosierungen von 20 mg Trockenextrakt verwendet. Aufgrund der guten Studienlage haben die Autoren der HMPC-Monographien der europäischen Arzneimittelagentur EMA diesem Extrakt den Status well-established use verliehen«, macht Fürst auf die Studienlage aufmerksam. Das Präparat, das den genannten Extrakt enthält, ist Prefemin®, ein nur in der Schweiz und anderen europäischen Ländern verfügbare Zubereitung. In Deutschland ist es nicht erhältlich.
Seit Anfang Juni ist nun auch in Deutschland ein Mönchspfeffer-Präparat mit einer Extrakt-Tagesmenge von 20 Milligramm erhältlich (Agnucaston® 20 mg). Damit ist es fünffach höher konzentriert als alle bisher in Deutschland erhältlichen Präparate und »passt damit genau in die Well-Established-Use-Monographie hinein«. Agnolyt®, Femicur®, Agnus sanol® oder das ursprüngliche Agnucaston® enthalten zwar ähnliche Trockenextrakte (zum Beispiel mit einem DEV von 7-13:1, Ethanol 60 Prozent oder DEV 7-11:1, Ethanol 70 Prozent), allerdings weiterhin eine niedrigere Extrakt-Tagesmenge von 4 Milligramm. Wegen der schwächeren Studienlage rechnet sie die EMA dem traditional use zu. »Das heißt nicht, dass diese Präparate nicht wirken, aber Extrakte entsprechend der Well-established-use-Monographie mit einer höheren Tagesdosis wären meiner Meinung nach wünschenswert. Dass die Hersteller hier jetzt nachziehen, kann ich nur begrüßen«, meint Fürst.
Auch in Sachen Wirkmechanismus des Mönchspfeffers hat sich etwas getan: Forscher berichteten im vergangenen Jahr im Fachjournal »Planta Medica« über die inhibierende Wirkung eines ethanolischen Mönchspfeffer-Fruchtextrakts auf bedeutende Endothelzellfunktionen bei der Angiogenese. Die Blutgefäßneubildung spielt eine zentrale Rolle bei der Erneuerung der Uterusschleimhaut im Zuge des Menstruationszyklus. »Diese ersten präklinischen In-vitro-Daten zur Reduktion der Gefäßneubildung sind ein zusätzlicher Puzzlestein des Wirkmechanismus auf molekularer Ebene. Sie könnten ein weiterer Erklärungsansatz für die Wirksamkeit bei PMS und Zyklusunregelmäßigkeiten sein«, informiert Fürst.
Während die klinische Wirksamkeit hinreichend belegt ist, waren über die molekularen Wirkmechanismen der Mönchspfefferextrakte nur Ansätze bekannt, etwa der Angriffspunkt an der hormonellen Hypothalamus-Hypophysen-Achse. Untersuchungen zeigen, dass die hypophysäre Prolaktinausschüttung über einen dopaminergen Effekt gesenkt wird. Erhöhte Prolaktinspiegel sind mitverantwortlich für die zyklusabhängigen Beschwerden im Rahmen des PMS, da Prolaktin die Sekretion von GnRH (Gonadotropin-Releasing-Hormon) hemmt. Unter den Inhaltsstoffen sind es vermutlich Diterpene, die für die prolaktinsenkende Wirkung der Extrakte verantwortlich sind. Sie zeigen eine Affinität zum Dopaminrezeptor D2.
Die Wirkung setzt nicht von heute auf morgen ein, sondern ist erst nach einigen Wochen zu erwarten. Außerdem sollte die Einnahme durchgängig über den ganzen Zyklus erfolgen. Fürst: »Wenn man Mönchspfeffer-Extrakte erst dann anwendet, wenn die Beschwerden einsetzen, ist der Effekt nicht zu bekommen. Phytopharmaka wirken nicht akut wie eine Kopfschmerz-Tablette, die Harmonisierung des Zyklus braucht Zeit. Die Hormonspiegel pendeln sich erst nach und nach ins Gleichgewicht ein. Das macht eine längerfristige Anwendung erforderlich.« Während bei Mastodynie, also Spannungsgefühlen in der Brust, Gereiztheit und Unruhe mindestens eine dreiwöchige Einnahme von Phytopharmaka anzuraten ist, braucht es zur Kupierung von Wechseljahresbeschwerden zwei bis drei Monte, bis Effekte zu erwarten sind. »Sowohl Mönchspfeffer-Extrakte bei PMS als auch Cimicifuga- oder Rhapontikrhabarber-Extrakte bei klimakterischen Beschwerden sind für die Selbstmedikation immer erste Wahl und sehr gut für den Einstieg geeignet. Freilich darf man nicht wie bei der Hormonersatztherapie auf fulminante Effekte hoffen; Hormone spielen vom therapeutischen Effekt in einer anderen Liga.«
Zu den am besten untersuchten pflanzlichen Zubereitungen gegen klimakterische Beschwerden gehören Extrakte aus dem Wurzelstock der Traubensilberkerze (Actaea racemosa, früher Cimicifuga racemosa), einer aus Nordamerika stammenden Arzneipflanze. Mehrere randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudien mit unterschiedlichen Spezialextrakten belegen eine signifikante Reduktion vasomotorischer Beschwerden über mindestens zwölf Wochen sowie eine gute Verträglichkeit über mindestens ein Jahr. Das Hauptsymptom Hitzewallungen ging bei bis zu 80 Prozent zurück.
»Aufgrund der positiven Studienlage haben verschiedene Cimicifuga-Trockenextrakte von der EMA den well-established use für die Behandlung von Wechseljahresbeschwerden zuerkannt bekommen«, sagt der Apotheker. Das gilt etwa für Klimadynon®, Remifemin®, Femikliman® uno oder Kofemin® Klimakterium. Dass die evidenzbasierten Phytopharmaka wirkungsvoll gegen leichtere Hitzewallungen, Schlafstörungen und Stimmungsschwankungen eingesetzt werden können, bestätigt auch die aktuelle S3-Leitlinie »Peri- und Postmenopause – Diagnostik und Interventionen« der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe. »Stehen depressive Verstimmungen im Vordergrund, ist eine Kombination mit dem Trockenextrakt aus Johanniskraut angezeigt«, informiert Fürst. Die Wirksamkeit von Remifemin® plus gilt als gut belegt.
Welche Inhaltsstoffe der Traubensilberkerze für die Wirkung verantwortlich sind und wie diese molekular vermittelt wird, ist nicht geklärt. »Sicher ist man sich heute nur bei dem, was nicht wirkt. Definitiv widerlegt ist die frühere Annahme, dass enthaltene Isoflavone über eine Bindung an Estrogenrezeptoren wirken. Cimicifuga-Wurzelstock enthält keine Isoflavone«, erläuterte Fürst. Cimicifuga-Extrakte sind deshalb nicht als Phytoestrogene oder Phyto-SERMs, also pflanzliche selektive Estrogenrezeptor-Modulatoren zu bezeichnen.
»Weil aber immer noch nicht ausgeschlossen wurde, dass in irgendeiner Art und Weise eine estrogenartige Wirkung vorhanden ist, sollten diese Phytopharmaka bei Brustkrebs und anderen hormonabhängigen Tumoren nicht angewendet werden«, erklärt Fürst einschränkend. Prinzipiell sollten Frauen die Einnahme von Phytotherapeutika mit ihrem Gynäkologen besprechen. Frauen unter Hormonersatztherapie rät Fürst von einer zusätzlichen Phytotherapie in Eigenregie ab. »Ob eine Kombination sinnvoll ist, muss im Einzelfall mit dem Arzt besprochen werden. Es könnte sich eine additive Wirkung ergeben, die pharmakologisch vielleicht nicht gewünscht ist.« Zudem für das Beratungsgespräch relevant: Frauen sollten über das potenzielle Risiko von Leberschäden informiert werden. Cimicifuga-haltige Arzneimittel müssen seit Herbst 2009 einen entsprechenden Warnhinweis tragen.
Zu den klassischen Phytoestrogenen wird dagegen der Rhapontikrhabarber gezählt. Der Spezialextrakt ERr371 (femi-loges®) ist klinisch gut untersucht, auch wenn es dazu noch keine HPMC-Monographie gibt. »Das ist evidenzbasierte Medizin«, wertet der Arzneimittelexperte. Das gilt besonders für die Behandlung von Hitzewallungen, Schlafstörungen, Angstzuständen, Reizbarkeit und depressiven Verstimmungen. Rheum rhaponticum gehört zu den Polygonaceae, den Knöterichgewächsen. Von der bis zu zwei Meter hohen, kräftigen Staude erntet man den Wurzelstock. Seine Hauptwirkstoffe sind Hydroxystilbene, vor allem das Rhaponticin, das fast 90 Prozent des medizinisch verwendeten Wurzelspezialextrakts ausmacht. Rhaponticin und seine Metaboliten stellen gute Estrogenrezeptor-Liganden mit Präferenz für den Estrogenrezeptor ERβ dar, weshalb sie zu den klassischen Phytoestrogenen zählen.
Während Extrakte aus Traubensilberkerze und Rhapontikrhabarber leichte bis mittlere vegetative Symptome gut kupieren können, haben sie im Gegensatz zur Hormontherapie keinen Einfluss auf urogenitale Beschwerden wie Scheidentrockenheit oder Harninkontinenz. Dabei leisten lokal appliziertes Estriol oder Estradiol gute Dienste. Sie lassen sich mit den peroralen Phytotherapeutika gut kombinieren.
Wie schätzt der Phytopharmaka-Experte die Datenlage zu Isoflavonen aus Soja oder Rotklee ein? »Die Studienlage ist völlig uneins, weil man sich nicht auf einen bestimmten Extrakt oder bestimmte Extrakttypen einigen kann. Ohne aussagekräftige Studien bleiben Dosierung und Risiken, zum Beispiel das für Brustkrebs, unklar.« Deshalb sind laut Fürst sämtliche Isoflavon-haltigen Zubereitungen lediglich als Nahrungsergänzungsmittel oder diätetische Lebensmittel im Handel. Die European Food Safety Authority hat 2015 in einer umfangreichen Beurteilung kein erhöhtes Risiko in Bezug auf Brustkrebs, Endometriumstimulation oder Schilddrüsenfunktion bei Dosierungen zwischen 35 und 150 mg/Tag gefunden.
Aufgrund ihrer chemischen Struktur gehören Isoflavone zur Gruppe der Phytoestrogene. Sie weisen eine gewisse Ähnlichkeit mit 17β-Estradiol auf und reagieren fast ausschließlich über den ERβ. Isoflavone kommen in verschiedenen Pflanzen wie Soja, diversen Kleearten, Hopfen oder Leinsamen vor. Sojabohnen enthalten beispielsweise zwölf verschiedene Isoflavone, wobei Genistein und Daidzein die wesentlichsten darstellen. Genistein scheint das wirkstärkste Isoflavon zu sein, gemessen an der relativen Bindungsaffinität zum ERβ.
Die derzeitige Studienlage gebe keine sicheren Anhaltspunkte dafür, dass Isoflavone klimakterische Beschwerden bessern können. Ebenso wenig können sie eine Hormontherapie ersetzen, führt Fürst aus. Die biologische Wirkung von isolierten, hoch dosierten oder angereicherten Isoflavonen ist nicht unmittelbar mit der biologischen Wirkung von Isoflavonen aus komplexen Lebensmitteln, wie sie in Asien verzehrt werden, zu vergleichen, schätzt Fürst. Auch die S3-Leitlinie »Peri- und Postmenopause« hält einen »Nutzen für möglich«. Danach scheint unter den Phytoestrogenen Genistein in einer Dosierung von 30 bis 60 mg/Tag die zuverlässigste Wirkung zu haben und »ist möglicherweise wirksam«. Leinsamenextrakt mit mindestens 100 mg/Tag, Equol mit 10 mg/Tag sowie Rheum rhaponticum sind ebenfalls möglicherweise wirksam. Ein Nutzen der Zubereitung ist vor allem in der Reduktion von Hitzewallungen zu sehen. Nächtliche Schweißausbrüche scheinen nicht reduziert zu werden.