Patienten im Team gut versorgen |
Eine Schwachstelle in der Bewertung der Gesamtmedikation ist oft die Selbstmedikation. So wissen viele Hausärzte nicht, was ihre Patienten neben den verschriebenen Medikamenten sonst noch einnehmen. Um die hierdurch entstehenden Risiken zu reduzieren, sollten Patienten am besten eine Stammapotheke bestimmen, »die zur Arzneimittelanwendung persönlich berät, die gesamte Medikation dokumentiert, Interaktionen überprüft und somit den Arzt und Patienten unterstützt, den Überblick über die Medikation des Patienten zu halten« (1).
Medikamente aus dem Versandhandel? Das kann gut gehen, muss aber nicht. Eine Stammapotheke ist sicherer. / Foto: Getty Images/BSIP/UIG
Es ist bekannt, dass in der Selbstmedikation AMTS-Risiken ruhen und diese noch größer werden, wenn Patienten ihre Arzneimittel in verschiedenen Apotheken oder zusätzlich noch im Versand beziehen. Dem verleiht die Leitlinie Nachdruck: »In der Praxis soll dem Patienten vermittelt werden, dass es für ihn von Nutzen sein kann, wenn er sich mit allen Rezepten, bei OTC-Bedarf und bei Fragen oder Problemen der Arzneimittelanwendung an die Stammapotheke wendet.«
Viele Apotheken haben zu ihrer Arztpraxis ein gutes und vertrauensvolles Verhältnis. Da ist es naheliegend, dass Patienten nach der ärztlichen Empfehlung, eine Schwerpunkt- oder Stammapotheke auszusuchen, in die Apotheke gehen, in der sie am häufigsten ihre Rezepte einlösen. Hier liegt die Chance der Vor-Ort-Apotheke.
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Eine Patientin, 63 Jahre, möchte in der Apotheke ein gutes Johanniskrautpräparat kaufen. In der dunklen Jahreszeit im Winter schlafe sie schlecht ein, weil sie immer wieder ins Grübeln gerate. Ihre Gynäkologin habe ihr geraten, etwas Pflanzliches wie Johanniskraut einzunehmen.
Laut Leitlinie der BAK zu Information und Beratung in der Selbstmedikation sollte vor der Abgabe nach dauerhaft eingenommenen Medikamenten und Vorerkrankungen gefragt werden. Da die Patientin eine Kundenkarte hat und regelmäßig die Apotheke aufsucht, hat der Apotheker alle Informationen gespeichert. Es stellt sich heraus, dass die Frau nach einer Bypass-Operation eine Vielzahl von Medikamenten einnimmt, unter anderem Rivaroxaban. Bei einem Interaktionscheck mit der ABDA-Datenbank wird eine pharmakokinetische Interaktion festgestellt. Johanniskraut ist ein CYP3A4-Induktor und kann die Wirkung von Rivaroxaban vermindern.
Aufgrund der Meldung rät der Apotheker von der Einnahme von Johanniskraut ab und empfiehlt stattdessen ein Präparat mit Lavendelöl, das diese Interaktion nicht hervorruft.
Apotheker sollten ihren Kunden die Kundenkarte anbieten und auf die Vorteile der Arzneimitteltherapiesicherheit hinweisen. »Wenn Sie alle Ihre Arzneimittel bei uns kaufen, dann können wir Ihnen jederzeit einen Gesamtüberblick über alle Medikamente geben. Außerdem können wir überprüfen, ob sich die selbst gekauften Arzneimittel mit den vom Haus- oder Facharzt verordneten vertragen. So wie Sie einen Hausarzt haben, können wir Ihre Hausapotheke mit individueller und umfassender Betreuung sein. Da wir mit Ihrem Arzt gut zusammenarbeiten, sorgen wir gemeinsam für eine optimale Arzneimitteltherapiesicherheit!« So könnte das Angebot an die Patienten lauten.
Katja Renner arbeitet seit 2000 als Dozentin für verschiedene Apothekerkammern und die ABDA. Ihr Schwerpunkt ist die praxisnahe Fortbildung zu Themen wie Depression, Kinder- oder Atemwegserkrankungen sowie zu Arzneimitteln in der Schwangerschaft. Renner ist Mitglied des Fort- und Weiterbildungsausschusses der Apothekerkammer Nordrhein und gehört zum Projektteam von ATHINA.