Oraler PCSK9-Hemmer mit guten Phase-II-Daten |
Annette Rößler |
08.03.2023 17:30 Uhr |
Lieber schlucken statt spritzen: Die orale Anwendung von Arzneimitteln ist für die meisten Patienten angenehmer als die parenterale. / Foto: Shutterstock/siam.pukkato
Inhibitoren der Proproteinkonvertase Subtilisin/Kexin Typ 9 (PCSK9) wie Evolocumab (Repatha®) und Alirocumab (Praluent®) verstärken einen zellulären Recyclingmechanismus für LDL-Rezeptoren und sorgen so dafür, dass LDL-Cholesterol vermehrt aus dem Blut in Zellen aufgenommen wird. Der Effekt auf den LDL-Cholesterolspiegel ist sehr groß: In Studien wurde ein Absinken des LDL-Spiegels um bis zu 75 Prozent beobachtet. Allerdings haben die PCSK9-Hemmer den Nachteil, dass sie parenteral verabreicht werden müssen, was die Anwendung erschwert. Eine Tablette zu schlucken, ist für die meisten Patienten einfacher.
Mit MK-0616 könnte nun ein erster oral verfügbarer PCSK9-Inhibitor in Sicht sein. Eine Gruppe um Professor Dr. Christie Mitchell Ballantyne vom Baylor College of Medicine in Houston, Texas, veröffentlichte Daten einer Phase-II-Studie mit dem Wirkstoff aktuell im »Journal of the American College of Cardiology« und stellte die Ergebnisse gleichzeitig beim Jahresmeeting der Fachgesellschaft in New Orleans vor. Finanzier der Studie ist der Hersteller von MK-0616, die Firma MSD.
Laut der Veröffentlichung erhielten im Rahmen der Studie 380 erwachsene Patienten mit Hypercholesterolämie über acht Wochen einmal täglich entweder 6 mg, 12 mg, 18 mg oder 30 mg MK-0616 oder Placebo. Nach dem Interventionszeitraum war der LDL-Cholesterolspiegel in allen Verumgruppen statistisch signifikant gesunken. Die placebobereinigten prozentualen Veränderungen gegenüber dem Ausgangswert betrugen minus 41,2 Prozent (6 mg), minus 55,7 Prozent (12 mg), minus 59,1 Prozent (18 mg) und minus 60,9 Prozent (30 mg). Nebenwirkungen traten bei 39,5 bis 43,4 Prozent der mit MK-0616 behandelten Patienten auf (alle Stärken) und waren damit nicht häufiger als in der Placebogruppe (44,0 Prozent).
Diese positiven Daten rechtfertigen die weitere Prüfung des Wirkstoffs in einer Phase-III-Studie, die laut einer Pressemitteilung von MSD noch in der zweiten Hälfte des Jahres 2023 begonnen werden soll. Über eine Frage, die besonders Apotheker interessieren dürfte, schweigt sich das Unternehmen aber noch aus: Wie gelangt MK-0616 nach oraler Gabe an seinen Wirkort? Sowohl in der Publikation als auch in der Pressemitteilung heißt es dazu lediglich, MK-0616 sei ein »oral bioverfügbares, renal ausgeschiedenes makrozyklisches Peptid, das an PCSK9 bindet«.
»Mir hat man mal gesagt, dass es unmöglich sei, einen oralen PCSK9-Inhibitor zu entwickeln«, sagt dazu Seniorautor Ballantyne. »Doch die Technologie schreitet voran. Es ist sehr spannend, die großen Fortschritte mitzuverfolgen, die beim Verständnis der Signalwege gemacht wurden und die letztlich dazu führen, dass ein so schwieriges Target wie PCSK9 mit einer einmal täglich einzunehmenden Tablette adressiert werden kann.«
Laut der Nachrichtenseite »Biopharma Media« ist MK-0616 ein trizyklisches Peptid, das mit gleicher Affinität wie die verfügbaren therapeutischen Antikörper an PCSK9 bindet und so die Interaktion zwischen dem Enzym und dem LDL-Rezeptor verhindert. Um die Aufnahme von MK-0616 aus dem Gastrointestinaltrakt zu verbessern, werde Natriumcaprylat zugesetzt.