Omalizumab reduziert Risiko für schwere Reaktionen |
Theo Dingermann |
04.03.2024 12:00 Uhr |
In einer Kantine essen zu gehen, ist für Menschen mit multiplen Nahrungsmittelallergien kaum möglich. / Foto: Adobe Stock/Gerhard Seybert
Omalizumab (Xolair®) ist ein monoklonaler Antikörper, der an die konstante Region von IgE-Antikörpern bindet und dadurch IgE-vermittelte allergische Reaktionen verhindert. In Europa ist Omalizumab für die Behandlung von allergischem Asthma bei Kindern ab sechs Jahren und für chronische spontane Urtikaria und chronische Rhinosinusitis mit Nasenpolypen bei Jugendlichen und Erwachsenen zugelassen. Damit scheint sich allerdings das Wirkspektrum von Omalizumab nicht zu erschöpfen, wie in einer aktuell publizierten Studie im »New England Journal of Medicine« (NEJM) gezeigt wurde.
In dieser Studie testeten Professor Dr. Robert A. Wood von der Johns Hopkins University in Baltimore und Kollegen Omalizumab bei drei Erwachsenen und 177 Kindern im Alter zwischen 1 und 17 Jahren, die stark allergisch gegen Erdnüsse und mindestens zwei andere Lebensmittel reagierten, darunter Cashew, Milch, Ei, Walnuss, Weizen oder Haselnuss.
Dieser Ansatz ist plausibel in der Hinsicht, dass Lebensmittelallergien, beispielsweise eine Erdnussallergie, ebenfalls IgE-vermittelt sind. Daher ist Omalizumab auch nicht der erste Anti-IgE-Antikörper, der bei schweren Lebensmittelallergien getestet wurde. Bereits vor 20 Jahren seien ebenfalls im NEJM die Ergebnisse einer randomisierten Studie mit dem humanisierten monoklonalen IgG1-Antikörper TNX-901 veröffentlicht worden, wonach dieser die Reaktionsschwelle bei Patienten mit Erdnussallergie deutlich erhöhen konnte, schreibt Professor Dr. Gary W.K. Wong von der Chinese University of Hong Kong in einem begleitenden Editorial. Dieses Medikament wurde jedoch nie auf den Markt gebracht.
Die Teilnehmer der Studie, die eine Reaktion auf eine Nahrungsmittelprobe von 100 mg oder weniger Erdnussprotein und 300 mg oder weniger der beiden anderen Nahrungsmittel zeigen mussten, wurden im Verhältnis 2:1 randomisiert. Sie erhielten alle 2 bis 4 Wochen subkutan entweder Omalizumab oder Placebo, wobei sich die Dosis nach Gewicht und IgE-Spiegel der Patienten richtete. Nach 16 bis 20 Wochen wurde der Erfolg der Behandlung durch eine Provokation mit den Allergenen überprüft.
Als primärer Endpunkt wurde eine Aufnahme von Erdnussprotein in einer Einzeldosis von 600 mg oder mehr ohne Auftreten dosislimitierender Symptome definiert. Die drei wichtigsten sekundären Endpunkte waren der Verzehr von Cashew, Milch und Ei in Einzeldosen von jeweils mindestens 1000 mg ohne Auftreten dosislimitierender Symptome.
In der Verumgruppe erfüllten 79 von 118 Patienten (67 Prozent) die primären Endpunktkriterien, in der Placebogruppe 4 von 59 Patienten (7 Prozent). Damit war das Ergebnis der Studie hochsignifikant. Die Ergebnisse für die wichtigsten sekundären Endpunkte korrelierten mit denen des primären Endpunkts (Cashew: 41 Prozent versus 3 Prozent, Milch: 66 Prozent versus 10 Prozent: Ei: 67 Prozent versus 0 Prozent). Hinsichtlich der Sicherheitsendpunkte unterschieden sich die Ergebnisse nicht zwischen den Gruppen, abgesehen von mehr Reaktionen an der Injektionsstelle in der Omalizumab-Gruppe.
Es ist wichtig zu erwähnen, dass durch eine Therapie mit Omalizumab Allergien nicht beseitigt werden. Das Medikament hebt lediglich den Schwellenwert für die Menge an Nahrungsmittelallergenen an, die eine Person zu sich nehmen kann, bevor es zu einer Reaktion kommt. Daher müssen die Patienten die Allergene auch weiterhin meiden.
Omalizumab ist auch nicht der einzige Wirkstoff, der bei Lebensmittelallergien getestet wird. Beispielsweise wird derzeit auch der Anti-IL4/IL-13-Antikörper Dupilumab (Dupixent®), der für Patienten mit Neurodermitis oder Asthma zugelassen ist, bei Patienten mit Erdnussallergie getestet. Noch in der Präklinik steckt die Forschung an einem kovalenten heterobivalenten Inhibitor (cHBI), der bei Erdnussallergie die IgE-Antwort allergenspezifisch abschalten soll. Trotz aller Einschränkungen werden die Ergebnisse der Studie in einem Artikel auf der Nachrichtenseite von »Nature« als »Durchbruch« in der Behandlung von Allergien bezeichnet.