Oft spät erkannt |
Hat das Magenkarzinom bereits benachbarte Strukturen infiltriert oder Fernmetastasen gebildet, ist eine kurative Operation nicht mehr möglich (2). Dann werden eine medikamentöse Tumortherapie oder unterstützende Maßnahmen (best supportive care; Grafik 2 rechts) eingesetzt.
Bei der Wahl der palliativen Therapie ist der HER2-Status relevant, da für Tumoren mit einer HER2-Überexpression (etwa 15 Prozent) eine zielgerichtete Therapie mit dem gegen HER2-gerichteten Antikörper Trastuzumab verfügbar ist. Patienten mit HER2-positivem Tumor erhalten daher eine Cisplatin/Fluoropyrimidin-(5-FU oder Capecitabin-)basierte Erstlinien-Chemotherapie plus Trastuzumab. Weitere Antikörper wie Cetuximab, Panitumumab oder Bevacizumab werden derzeit in Studien erprobt (2). Die klinische Prüfung weiterer HER2-gerichteter Medikamente wie Lapatinib und Trastuzumab-Emtansin (TDM-1) verlief bisher ohne Wirksamkeitsnachweis (11).
Bei fortgeschrittenem Karzinom werden Zytostatika, aber auch monoklonale Antikörper und Checkpoint-Inhibitoren eingesetzt. / Foto: Amelie-Benoist/BSIP
Bei HER2-negativem Magenkarzinom sieht die Leitlinie eine Platin/Fluoropyrimidin-haltige Erstlinientherapie vor. Eine Alternative bietet eine Irinotecan/Fluoropyrimidin-Kombination (off Label). Bei gutem Allgemeinzustand ist auch eine Docetaxel-haltige Dreifachkombination (Triplet) möglich, die wirksamer, aber auch toxischer ist (11).
Als Zweitlinientherapie nach einem Rezidiv kommen für Patienten mit HER2-negativen und -positiven Tumoren Paclitaxel plus Ramucirumab, ein gegen VEGFR-2 gerichteter Antikörper, oder eine Monotherapie mit diesem oder off Label mit Irinotecan, Docetaxel oder Paclitaxel infrage, sofern es der Zustand des Patienten zulässt.
Als Drittlinientherapie ist seit 2016 die fixe Kombination von Trifluridin und Tipiracil zugelassen. Sie wird angewendet als Monotherapie bei intensiv vorbehandelten Patienten mit metastasiertem Magenkarzinom.
Magenkrebs-Patienten sollten auf hochkalorische Nahrung achten. Doch oft ist das Volumen, das sie pro Mahlzeit essen können, klein. / Foto: Adobe Stock/Tsuboya
In allen Bereichen der Onkologie gelten die Checkpoint-Inhibitoren derzeit als große Hoffnungsträger. Sie unterbinden die immunsuppressive Wirkung von Tumoren und ermöglichen so den »Angriff« des Immunsystems auf die Tumorzellen. Mehrere Checkpoint-Inhibitoren befinden sich in klinischer Erprobung bei Patienten mit Magenkrebs. Dazu gehören die gegen PD-1 (Programmed cell death protein 1) gerichteten Antikörper Pembrolizumab und Nivolumab sowie die gegen den Liganden PD-L1 gerichteten Antikörper Avelumab, Atezolizumab und Durvalumab.
Auf dem Kongress der European Society of Medical Oncology (2020) wurden Studien vorgestellt, die hoffen lassen, die schlechte Prognose der Patienten endlich verbessern zu können. Beispielsweise verlängerte die Erstlinientherapie mit Nivolumab plus Chemotherapie das Gesamtüberleben von Patienten mit HER2-negativen ösophagogastralen Adenokarzinomen gegenüber einer alleinigen Chemotherapie: medianes Gesamtüberleben 14,4 (13,1 bis 16,2) Monate versus 11,1 (10,0 bis 12,1) Monate (10).
Privatdozent Dr. Thomas Widmann / Foto: Foto Carle Triberg
Zum Artikel: Interview mit Privatdozent Dr. Thomas Widmann
Die S3-Leitlinie (Stand 2019) gibt für Checkpoint-Inhibitoren noch keine eindeutige Empfehlung, denn die große Frage ist derzeit, welche Patienten davon profitieren. Das lässt sich mit den verfügbaren Biomarkern nicht eindeutig ermitteln. Zwar zeigte sich in Studien, dass Patienten mit PD-L1-exprimierenden Tumoren beispielsweise auf Pembrolizumab besser ansprachen, doch waren diese Unterschiede uneindeutig hinsichtlich des progressionsfreien Überlebens und des Gesamtüberlebens.
Als vielversprechende Kandidaten für eine Immuntherapie gelten bislang der Epstein-Barr-Virus-assoziierte Subtyp der Magenkarzinome sowie Mikrosatelliten-instabile Tumore (2). Mikrosatelliten-Instabilität im Tumorgewebe tritt insbesondere beim Lynch-Syndrom auf. Dies bedeutet: Aufgrund der defekten DNA-Reparaturgene weichen bestimmte repetitive Sequenzen (Mikrosatelliten) im Genom des Tumors stark von denen in gesundem Gewebe ab, da sich die fehlende Reparatur bei den sich häufig teilenden Tumorzellen besonders bemerkbar macht.
Für die Patienten beginnt mit Abschluss der eigentlichen Tumorbehandlung eine weitere wichtige Phase. Jetzt geht es darum, die Lebens- und Essgewohnheiten der neuen Situation – ohne Magen – anzupassen. Auch die Resorption von Arzneistoffen ist dramatisch verändert, denn Arzneistoffe werden in der Regel im Magen-Darm-Trakt resorbiert. Selbst gut eingestellte Dauertherapien können aus dem Gleichgewicht geraten (12). Die Nachsorge ist daher ein elementarer Bestandteil der Therapie, wie Privatdozent Dr. Thomas Widmann im Interview erklärt.
Marion Hofmann-Aßmus absolvierte eine Ausbildung als veterinärmedizinisch-technische Assistentin (VMTA) und studierte anschließend Biologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Promoviert wurde sie 1999 mit einer Arbeit zu molekularer Kardiologie an der Chemischen Fakultät der LMU München. Seither ist sie freiberuflich in verschiedenen Redaktionen und als Fachjournalistin tätig.