Nutzen nur selten belegt |
Annette Rößler |
12.06.2023 11:30 Uhr |
Die S3-Leitlinie »Komplementärmedizin in der Behandlung von onkologischen Patientinnen und Patienten« nahm im Vortrag von Professor Dr. Christoph Ritter einen wichtigen Platz ein. / Foto: PZ/Alois Müller
Operation, Bestrahlung, Chemotherapie und Immuntherapie: Die Schulmedizin hat bei Krebs einiges zu bieten und oft sind die Erfolge groß. Dennoch stellt die Diagnose Krebs für jeden Betroffenen und sein persönliches Umfeld einen Einschnitt, wenn nicht gar einen Wendepunkt dar. Viele fragen sich, was sie »falsch gemacht« haben, dass ausgerechnet sie an Krebs erkrankt sind – und wie sie nun mithelfen können, um die Krankheit zu besiegen.
Dieses sehr nachvollziehbare Verlangen danach, selbst aktiv zu werden, ist einer der Gründe für das große Interesse vieler Krebspatienten an der Komplementärmedizin. Diese sei definiert als »diagnostische und therapeutische Verfahren, die ergänzend zur klassischen Schulmedizin eingesetzt werden«, erklärte Dr. Christoph Ritter, Professor für Klinische Pharmazie an der Ernst Moritz Arndt Universität in Greifswald, beim Fortbildungskongress Pharmacon in Meran. Beim theoretischen Interesse an der Komplementärmedizin bleibe es oft nicht: »Fast die Hälfte der Tumorpatienten in Deutschland wendet mindestens ein komplementärmedizinisches Verfahren an«, sagte Ritter.
Das ist insofern problematisch, als die behandelnden Ärzte oft nichts davon wissen. Wechselwirkungen etwa mit der Tumortherapie, die diese auch abschwächen können, bleiben dadurch unentdeckt. Laut Ritter bestehe bei etwa 30 Prozent der Patienten ein mögliches Risiko für solche Wechselwirkungen zwischen der Komplementär- und der Schulmedizin.
Wie sich das konkret äußern kann, zeigte der Referent anhand eines Fallbeispiels. Ein Patient mit einer inoperablen Hirnmetastase eines Nierenzellkarzinoms wurde erfolgreich mit dem Multikinasehemmer Sunitinib (Sutent®) behandelt. Die Metastase, die direkt hinter dem rechten Auge lokalisiert war, schrumpfte und an dem Auge, das zuvor tränte und gerötet war, zeigte sich nur noch eine leichte Schwellung des Augenlides. In regelmäßigen Abständen nahm die Schwellung des Augenlides aber wieder stark zu. Erst auf Nachfrage stellte sich heraus, dass der Patient in diesen Zeiträumen Grüntee-Kuren gemacht hatte. Das Epigallocatechingallat aus dem grünen Tee hatte mit dem oral einzunehmenden Sunitinib ein schwer lösliches Präzipitat gebildet und so die Aufnahme des Arzneistoffs in den Körper behindert.