Novavax meldet sehr gute Wirksamkeitsdaten |
Theo Dingermann |
29.01.2021 13:30 Uhr |
Novavax arbeitet an einem proteinbasierten Impfstoff gegen das SARS-Coronavirus-2. / Foto: Imago/ZUMA Wire
Am gestrigen Donnerstag teilte das Unternehmen Novavax mit, dass sein Impfstoffkandidat NVX-CoV2373 nach Auswertung einer Interimsanalyse einer im Vereinigten Königreich durchgeführten Phase-III-Studie eine Wirksamkeit von 89,3 Prozent zeigt.
Bei NVX-CoV2373 handelt es sich um einen proteinbasierten Covid-19-Impfstoff, der als Antigen ein Volllängen-Präfusions-Spike-Protein enthält, das in Form virusähnlicher Partikel (virus like particles; VLP) in Nanopartikeln verpackt zusammen mit einem firmeneigenen Matrix-M1™-Adjuvans auf Saponin-Basis appliziert wird. Das Spike-Protein wird in Insektenzellen gentechnisch hergestellt. Der Impfstoff lässt sich bei 2 °C bis 8 °C stabil lagern und wird in Form einer gebrauchsfertigen Flüssigformulierung ausgeliefert.
An der Studie, über deren Zwischenauswertung berichtet wurde, nahmen mehr als 15.000 Probanden im Alter von 18 bis 84 Jahren teil (NCT04583995). 27 Prozent der Probanden waren über 65 Jahre alt. Als primärer Endpunkt war eine leichte, mittelschwere oder schwere symptomatische Erkrankung bei Erwachsenen definiert worden, die zu Studienbeginn serologisch SARS-CoV-2 negativ getestet worden waren. Probanden der Impfstoffgruppe erhielten zwei Injektionen der Vakzine (mit 5 µg Antigen) im Abstand von 21 Tagen. In die Auswertung wurden Probanden aufgenommen, bei denen der Beginn der Krankheitssymptome mindestens sieben Tage nach der Boost-Impfung auftraten. Zusätzlich zu den Symptomen musste eine Infektion durch PCR-bestätigt werden.
Das Ergebnis der Zwischenanalyse basiert auf 62 Krankheitsfällen, von denen 56 in der Placebogruppe und 6 bei den Probanden auftraten, die den NVX-CoV2373-Impfstoff erhalten hatten. Daraus errechnet sich eine Punktschätzung der Vakzine-Effizienz von 89,3 Prozent (95 Prozent Konfidenzintervall: 75,2 - 95,4). Von den 62 registrierten Krankheitsfällen verliefen 61 mild oder moderat. In einem Fall in der Placebogruppe wurde ein schwerer Krankheitsverlauf registriert.
Bemerkenswert ist zudem, dass vorläufige Analysen darauf hindeuten, dass in über 50 Prozent der symptomatischen Fälle die britische Virusvariante B.1.1.7 nachgewiesen wurde. Auswerten ließen sich in dieser Teilanalyse 56 der 62 Fälle, bei denen 32 als Träger der britischen Virusvariante identifiziert wurden.
Berücksichtigt man diese Ergebnisse, errechnet sich eine Wirksamkeit von 95,6 Prozent bei denjenigen, die sich mit der nicht mutierten SARS-CoV-2-Variante infiziert hatten, gegenüber 85,6 Prozent bei den B.1.1.7-Trägern.
»Das sind spektakuläre Ergebnisse, und wir freuen uns sehr, dass wir Novavax bei der Entwicklung dieses Impfstoffs unterstützt haben«, kommentierte Clive Dix, der Vorsitzende der UK Vaccine Taskforce in der Pressemitteilung.
Nicht ganz so gut schützt der Impfstoff vor der südafrikanischen Variante. Dies zeigen Daten einer Phase-IIb-Studie mit 4400 Probanden, die ab August 2020 in Südafrika durchgeführt wurde (NCT04533399). In dieser Studie wurden Covid-19-Fälle von September bis Mitte Januar eingeschlossen. Während dieser Zeit war die südafrikanische Variante bereits weit verbreitet. Derzeit sind Sequenzierungsdaten von 27 der aufgetretenen 44 Covid-19-Fälle verfügbar. Bei 92,6 Prozent dieser Fälle (25 von 27 Fällen) handelte es sich um Träger der südafrikanischen Escape-Variante B.1.351.
Für die Studie konnte bisher eine 60-prozentige Wirksamkeit des Impfstoffkandidaten bestätigt werden, wenn nur die Probanden in die Auswertung eingeschlossen wurden, die HIV-negativ waren. 29 Fälle wurden in der Placebogruppe und 15 in der Impfstoffgruppe beobachtet. Ein schwerer Fall trat in der Placebogruppe auf, alle anderen Fälle waren leicht oder moderat. Wurden alle Probanden (HIV-negative und HIV-positive Probanden) eingeschlossen, errechnete sich eine Wirksamkeit von 49,4 Prozent.
Damit gibt es erstmals für einen Covid-19-Impfstoff Hinweise aus klinischen Studien, dass der Impfschutz bei den neuen Varianten reduziert ist – bei B.1.1.7 um 10 Prozentpunkte und bei B.1.351 um etwa 40 Prozentpunkte. Inwieweit das auch für andere Covid-19-Vakzinen zutrifft, muss noch untersucht werden. Bisherige Laboruntersuchungen hatten vermuten lassen, dass die Impfungen auch gegen die mutierten Viren schützen, wobei die Escape-Mutationen der südafrikanischen Variante Experten Sorgen bereiten.
Novavax teilte mit, dass bisher noch kein Zulassungsantrag für den Impfstoff gestellt wurde. Es ist geplant, weitere Details zu den Ergebnissen der britischen Studie zeitnah zu veröffentlichen, sobald zusätzliche Daten verfügbar sind. Die Ergebnisse sollen über Preprint-Server bekanntgegeben und schließlich in einer Fachzeitschrift publiziert werden. Erst im Dezember 2020 waren Ergebnisse einer Phase-I/II-Studie im Fachjournal »NEJM« erschienen, die dem Impfstoff eine gute Reaktogenität und Verträglichkeit bescheinigen.
Zudem teilte das Unternehmen mit, dass es noch im Laufe des Januar einen rollierenden Antrag bei der britischen Zulassungsbehörde MHRA einreichen will. Großbritannien hat laut dpa-Informationen 60 Millionen Dosen des Präparats vorbestellt.
Die EU ist noch nicht so weit. Die EU-Kommission schloss am 17. Dezember 2020 ihre Sondierungsgespräche mit dem Pharmaunternehmen über den Erwerb des Impfstoffs ab, heißt es auf der Website der Kommission. Der geplante Vertrag würde allen EU-Mitgliedstaaten die Möglichkeit bieten, zunächst 100 Millionen Dosen zu erwerben — mit der Option auf weitere 100 Millionen.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.