Noch gibt es Therapiemöglichkeiten |
Daniela Hüttemann |
24.11.2022 09:00 Uhr |
Von etwa 400.000 bis 600.000 nosokomialen Infektionen seien etwa 30.000 (6 Prozent) durch multiresistente Bakterien verursacht und etwa 0,3 Prozent mit solchen, die gegen alles resistent sind. »Wenn wir einen Patienten mit 4MRGN bekommen, gehen bei uns die Alarmlichter an und der Patient wird isoliert«, erklärte Gastmeier das Vorgehen. Bis 2012 habe man an der Charité einen solchen Fall eigentlich nie gehabt und bislang nur bei Reiserückkehrern aus dem Ausland.
Da wirklich neue Antibiotika nicht in Sicht sind, versucht man diejenigen, die man hat, möglichst zu schonen. »Ein optimierter Antibiotika-Einsatz und die Verhinderung der Übertragung sind die wichtigsten Maßnahmen überhaupt«, so die Fachärztin für Hygiene und Umweltmedizin. Händehygiene sei im Krankenhaus essenziell. Immerhin sei der Gebrauch von Händedesinfektionsmittel seit 2007 kontinuierlich gestiegen, doch zeigten Compliance-Untersuchungen, dass immer noch fast jede vierte eigentlich vorgesehene Händedesinfektion verpasst werde.
Im Krankenhaus erhalte etwa jeder vierte Patient ein Antibiotikum, auf der Intensivstation jeder zweite. Laut deutschem Surveillance-System steigt der Gebrauch immer noch an, auch bei Breitspektrum-Antibiotika wie Piperacillin/Tazobactam. Unklar sei, ob ein Grund ist, dass die Patienten immer kränker seien. Gastmeier sieht auf jeden Fall Optimierungspotenzial – am besten im interdisziplinären ABS-Team (Antibiotic Stewardship) inklusive Krankenhausapotheker und Hygieniker. Oft würden Breitspektrum-Antibiotika zu Beginn des Krankenhausaufenthalts angesetzt, aber die Therapie nicht deeskaliert oder präzisiert, wenn entsprechende Laborbefunde vorliegen – »das ist ein wichtiger Ansatzpunkt, um Antibiotika einzusparen«, so Gastmeier.
Im ambulanten Bereich tue sich nach intensiven Kampagnen langsam etwas: Hier geht der Antibiotikaverbrauch laut Gastmeier zurück, vor allem bei den Kinderärzten. Jeder Versicherte erhält im Schnitt alle zwei Jahre noch eine entsprechende Verordnung. Hier sei nach wie vor das größte Problem, dass der Arzt ohne Labordiagnostik entscheiden müsse, ob eine bakterielle oder virale Infektion vorliegt. »Wir brauchen hier bessere Werkzeuge wie Point-of-Care-Tests, aber auch ein zeitnahes Feedback zum eigenen Verschreibungsverhalten im Vergleich zu anderen Ärzten in der Region«, so die Referentin.
Zudem müssten Ärzte besser kommunizieren, warum sie kein Antibiotikum verordnen, auch wenn der Patient es einfordert, denn viele glauben immer noch, dass Antibiotika auch bei viralen Infekten helfen. »Wenn schon kein Rezept, so händigt man dem Patienten am besten etwas anderes aus, wie einen Infozettel, was man sonst gegen den Infekt tun kann, und sei es abwarten und Tee trinken«, riet Gastmeier.
Weiterhin biete man viele Fortbildungsmöglichkeiten für Ärzte zur rationalen Antibiotikatherapie (RAI) an, auch in verschiedenen Formaten wie »Infected – der Antibiotika-Podcast«. Aber schon im Studium müsse für das Thema stärker sensibilisiert werden. So gibt es zum Beispiel im Rahmen des RAI-Projektes der Charité das kostenlose Online-Seminar »Basis-Antibiotikaführerschein für Studierende der Humanmedizin«, das auch Pharmaziestudierenden und Apothekern offen stehen würde, betonte Gastmeier. Der Kurs kann im Selbststudium im eigenen Tempo absolviert werden.
»Es ist ein One-Health-Problem, aber es gibt viele Optimierungsmöglichkeiten – hier muss jeder einzelne seinen Beitrag leisten und alle Berufsgruppen müssen dafür zusammenarbeiten«, betonte Gastmeier. Und zum Schluss noch eine gute Nachricht: Der Verbrauch von Antibiotika bei Tieren hat laut Europäischer Arzneimittelagentur im Jahr 2021 den bisher niedrigsten Punkt erreicht: Gemäß der Daten aus 25 europäischen Ländern ist der Verkauf seit 2011 um 47 Prozent zurückgegangen.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.