Neues Therapieprinzip bei COPD und Asthma entdeckt |
Theo Dingermann |
06.01.2021 12:00 Uhr |
Bei einer Asthmaattacke müssen die Patienten schnell ihren Reliever zur Hand haben, der hilft, die Atemmuskulatur zu entkrampfen. Forscher haben eine potenzielle Alternative zu den β2-Agonisten gefunden. / Foto: Adobe Stock/Xavier Gallego Morel
Zwar gibt es eine beachtliche Vielfalt von Medikamenten, die bei Asthma oder chronisch-obstruktiver Lungenkrankheit (COPD) eingesetzt werden können. Dennoch erschöpft sich darin keineswegs der Therapiebedarf. Nun haben Wissenschaftler der University of South Florida mit einer Gruppe von Bitterstoffrezeptoren, die als TAS2R bezeichnet und auf glatten Atemwegsmuskelzellen tief in der Lunge exprimiert werden, interessante neue Targets ins Spiel gebracht. Diese könnten das Potenzial besitzen, das Spektrum von Asthma- und COPD-Medikamenten innovativ zu erweitern.
Binden Agonisten an die G-Protein gekoppelte Rezeptoren der TAS2R-Familie, führt das zur Muskelrelaxation, eine verkrampfte Atemmuskulatur erschlafft. Dies bildet die Hypothesengrundlage für die Synthese von Agonisten an diesen Rezeptoren. Die Ergebnisse ihrer Arbeit publizierten die Wissenschaftler jetzt in dem wissenschaftlichen Journal »ACS Pharmacology & Translational Science«. Sie konzentrierten sich auf TAS2R5, den dominanten Rezeptor-Typ auf der glatten Muskulatur der menschlichen Atemwege (HASM). Für diesen Rezeptor waren wenige Agonisten bereits beschrieben, die allerdings alle eine geringe Potenz und Wirksamkeit aufweisen.
Die Wissenschaftler synthetisierten mehrere Verbindungen und screenten deren agonistisches Potenzial durch Messung der Calciumionen-Freisetzung in HASM-Zellen. 18 neue Agonisten wurden bearbeitet. Dabei fiel die recht einfache Struktur 1,10-Phenanthrolin-5,6-dion (kurz T5-8) als die vielversprechendste unter den Wirkstoffkandidaten auf. T5-8 war um den Faktor 103 potenter als die meisten anderen getesteten Verbindungen und zeigte eine deutliche In-vitro-Wirksamkeit in empfänglichen Zellen.
»Die beiden Schlüsselfragen, die wir uns stellten, waren: ›Ist es möglich, einen potenteren Agonisten zu finden, der diesen Rezeptor aktiviert?‹ und ›Ist es machbar, ihn durch Inhalation zu verabreichen, wenn man die in vitro-Potenz der Substanzen berücksichtigt?‹«, sagt Professor Dr. Stephen B. Liggett, der Seniorautor der Arbeit, in einer Pressemitteilung seiner Universität. Und er ergänzt: »T5-8 war der potenteste Agonist, den wir identifizierten. Es gab noch ein paar andere, die ebenfalls sehr gut waren, sodass wir jetzt mehrere potenzielle neue Wirkstoffkandidaten verfügbar haben, mit denen sich die nächsten Schritte durchzuführen lassen.«
Letztlich erwies sich T5-8 allen anderen untersuchten bronchienerweiternden Agonisten als deutlich überlegen. Die Substanz zeigte eine maximale Entspannungsreaktion von 50 Prozent, was wesentlich größer als die von Albuterol mit 27 Prozent.
Albuterol gehört zu den β2-Agonisten, der einzigen Klasse der direkten Bronchodilatatoren, die zur Behandlung von Keuchen und Kurzatmigkeit bei Asthma und COPD zur Verfügung stehen. β2-Agonisten werden oft zur Notfallinhalation als sogenannter Reliever verschrieben. Allerdings sprechen nicht alle Patienten ausreichend darauf an.
Mit den potenziellen neuen Wirkstoffen neben den β2-Agonisten irgendwann zwei verschiedene Klassen von Medikamenten zu haben, die auf unterschiedliche Weise wirken, um die Atemwege zu erweitern, wäre ein wichtiger Schritt, um Patienten noch besser helfen zu können, ihre Symptome optimal zu kontrollieren, resümiert Liggett das Ergebnis seiner Arbeit.