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Vutrisiran

Neues Mittel bei hereditärer Transthyretin-Amyloidose

Mitte Oktober führt die Firma Alnylam Pharmaceuticals Vutrisiran (Amvuttra®) auf dem deutschen Markt ein. Der über RNA-Interferenz wirkende Arzneistoff kommt bei der seltenen Erkrankung hereditäre Transthyretin-vermittelte Amyloidose zum Einsatz.
Sven Siebenand
03.11.2022  07:00 Uhr

Das Protein Transthyretin (TTR) wird hauptsächlich in der Leber gebildet und ist normalerweise ein Träger von Vitamin A. Die hereditäre Transthyretin-vermittelte Amyloidose (hATTR) ist eine seltene, aber schwere genetische Erkrankung. Punktmutationen im Gen für TTR führen zur Bildung instabiler TTR-Proteine. Wenn diese zerfallen und Fibrillen bilden, lagern sie sich als Amyloid in verschiedenen Organen ab. Es kommt zur Schädigung von Geweben und Körperorganen wie peripheren Nerven und Herz. Dies verursacht eine therapieresistente periphere sensomotorische Neuropathie, autonome Neuropathie und/oder Kardiomyopathie sowie weitere Manifestationen der Erkrankung. Weltweit sind schätzungsweise etwa 50.000 Menschen betroffen. Die mediane Überlebenszeit nach Diagnosestellung beträgt nur knapp fünf Jahre.

Zur Behandlung der hATTR gibt es verschiedene Medikamente, etwa den TTR-Stabilisator Tafamidis, das Antisense-Oligonukleotid Inotersen oder das über RNA-Interferenz wirkende Patisiran. Wie letztgenannte Substanz ist auch der Neuling Vutrisiran ein RNA-i-Therapeutikum. Beide schalten die Messenger-RNA (mRNA) für TTR stumm und blockieren damit dessen Synthese im Körper. Genauer gesagt ist Vutrisiran eine chemisch stabilisierte doppelsträngige Small-Interfering-Ribonucleinsäure (siRNA), die speziell auf Varianten von TTR-mRNA und deren Wildtyp abzielt und kovalent an einen Liganden gebunden ist, der drei Zuckerreste enthält, um die Aufnahme der siRNA in die Leberzellen zu ermöglichen.

Das Zulassungsgebiet von Vutrisiran ist mit jenem von Patisiran identisch: Es darf zur Behandlung der hATTR-Amyloidose bei erwachsenen Patienten mit Polyneuropathie der Stadien 1 oder 2 zum Einsatz kommen.

Während Patisiran intravenös alle drei Wochen appliziert wird, sind im Fall von Vutrisiran subkutane Gaben alle drei Monate möglich. Die empfohlene Dosis von Amvuttra sind jeweils 25 mg. Die Gabe erfolgt durch medizinisches Fachpersonal in Abdomen, Oberschenkel oder Oberarm. Vutrisiran darf nicht in Narbengewebe oder gerötete, entzündete oder geschwollene Bereiche injiziert werden. Wenn die Fertigspritze gekühlt gelagert wurde, sollte vor der Anwendung etwa 30 Minuten gewartet werden, bis das Medikament Raumtemperatur angenommen hat.

Die Zulassung beruht auf den Ergebnissen der Phase-III-Studien HELIOS-A (und APOLLO). Bei HELIOS-A handelt es sich um eine randomisierte  und offene Studie bei erwachsenen Patienten mit hATTR mit Polyneuropathie. Die Patienten enthielten entweder 25 mg Vutrisiran subkutan alle drei Monate  (n=122) oder 0,3 mg/kg Patisiran intravenös alle drei Wochen (n=42). Die Wirksamkeitsbeurteilungen basieren allerdings auf einem Vergleich des Vutrisiran-Arms in HELIOS-A mit dem Placeboarm der Vorläuferstudie APOLLO, die eine ähnliche Population von Patienten mit hATTR mit Polyneuropathie umfasste. Nur die Bewertung der Nicht-Unterlegenheit der Reduktion des Serum-TTR basierte auf dem Vergleich des Vutrisiran-Arms mit dem Patisiran-Arm in HELIOS-A. 

Der primäre Wirksamkeitsendpunkt war die Veränderung des modified Neuropathy Impairment Score +7 (mNIS+7) von Baseline bis Monat 18. Dieser Endpunkt ist eine zusammengesetzte Messgröße aus motorischer, sensorischer und autonomer Neuropathie inklusive Beurteilungen von motorischer Kraft und Reflexen, quantitativer sensorischer Testung, Nervenleitungsgeschwindigkeitstest und posturalem Blutdruck. Die Punkteskala reicht von 0 bis 304, wobei eine zunehmende Punktezahl eine sich verschlimmernde Einschränkung anzeigt. Unter Placebo stieg der mNIS+7-Wert nach 18 Monaten um durchschnittlich 28,1 Punkte an, unter Vutrisiran sank er um durchschnittlich 0,5 Punkte – ein statistisch signifikanter Unterschied. 

Zum Vergleich mit Patisiran: Die zeitlich gemittelte prozentuale Reduktion der TTR-Talspiegel bis Monat  18 betrug 84,7 Prozent bei Vutrisiran und 80,6 Prozent bei Patisiran. Die prozentuale Reduktion der TTR-Serumspiegel im Vutrisiran-Arm war bis Monat 18 der Reduktion im Patisiran-Arm der Studie nicht unterlegen, heißt es zusammenfassend der Fachinformation von Amvuttra.

Die häufigsten in HELIOS-A beobachteten Nebenwirkungen waren Schmerzen in einer Extremität (15 Prozent) und Arthralgie (11 Prozent).

Eine Behandlung mit Amvuttra reduziert den Vitamin-A-Spiegel im Serum. Allen Patienten wird in der Fachinformation daher zu einer Ergänzung von Vitamin A in einer Dosis von etwa 2500 bis 3000 Internationalen Einheiten pro Tag geraten. Eine Untersuchung beim Augenarzt wird empfohlen, wenn der Patient Symptome entwickelt, die auf einen Vitamin-A-Mangel hindeuten, etwa verminderte Sehfähigkeit in der Nacht.

Der Vitamin-A-Spiegel hat auch hinsichtlich einer möglichen Schwangerschaft Relevanz: Sowohl zu hohe als auch zu niedrige Vitamin-A-Spiegel können mit einem erhöhten Risiko für fetale Fehlbildungen in Zusammenhang stehen. Aus diesem Grund muss eine Schwangerschaft vor der Einleitung der Therapie ausgeschlossen werden und Frauen im gebärfähigen Alter müssen eine zuverlässige Methode zur Empfängnisverhütung anwenden. Aufgrund des potenziellen teratogenen Risikos durch einen unausgeglichenen Vitamin-A-Spiegel sollte Amvuttra während der Schwangerschaft nicht angewendet werden. In der Stillzeit ist zu entscheiden, ob auf das Stillen oder die Behandlung mit Vutrisiran verzichtet wird.

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