Neuer oraler Lipidsenker |
Kerstin A. Gräfe |
03.12.2020 07:00 Uhr |
Die Zulassung basiert auf vier randomisierten Phase-III-Studien des umfangreichen CLEAR-Studienprogramms an insgesamt 3623 Patienten mit Hypercholesterolämie (CLEAR Harmony, CLEAR Wisdom, CLEAR Tranquility und CLEAR Serenity). Die Probanden wurden im Verhältnis 2:1 randomisiert und erhielten einmal täglich entweder 180 mg Bempedoinsäure oder Placebo zusätzlich zur Standardtherapie über einen Zeitraum von 12 bis 52 Wochen. Der primäre Endpunkt in allen Studien war die mittlere prozentuale Reduzierung des LDL-Cholesterol-Werts in Woche 12 gegenüber dem Studienbeginn im Vergleich zu Placebo.
Bei der Auswertung wurde danach differenziert, ob es sich um Patienten mit manifester atherosklerotischer kardiovaskulärer Gefäßerkrankung und/oder heterozygoter familiärer Hypercholesterolämie und einer Statin-Therapie (Gruppe 1) oder um Patienten mit Statin-Unverträglichkeit handelte (Gruppe 2). Bei Patienten in Gruppe 1 (n = 3009) lag der mittlere Ausgangswert des LDL-Cholesterols bei 107,6 mg/dl. Nach zwölf Wochen hatte Bempedoinsäure additiv zur maximal verträglichen Statin-Therapie den LDL-C-Wert in Relation zum Ausgangswert placebokorrigiert signifikant um 17,8 Prozent gesenkt. Zudem erreichten mit Nilemdo signifikant mehr Patienten dieser Gruppe einen LDL-Wert im Zielbereich unter 70 mg/dl (28,9 versus 8,0 Prozent). In Gruppe 2 (n = 614) lag der durchschnittliche Ausgangswert des LDL-Cholesterols mit 144,4 mg/dl höher als in Gruppe 1. Auch in dieser Gruppe konnte mit Bempedoinsäure placebokorrigiert eine signifikante LDL-C-Reduktion um 24,5 Prozent erzielt werden.
Die häufigsten Nebenwirkungen im Zusammenhang mit Bempedoinsäure waren Hyperurikämie, Schmerzen in einer Extremität und Anämie. Unter Nilemdo brachen mehr Patienten die Behandlung aufgrund von Muskelkrämpfen, Diarrhö, Schmerzen in einer Extremität und Übelkeit ab, wenngleich der Unterschied nicht signifikant war.
Neues Wirkprinzip, breite Zulassung in einer großen Indikation, überzeugende Studienergebnisse und einfache Einnahme in Tablettenform: Der Cholesterolsenker Bempedoinsäure erfüllt gleich mehrere Wünsche an einen neuen Arzneistoff und gehört sicher zu den innovativsten Substanzen des Jahres 2020.
Bempedoinsäure beziehungsweise seine aktive Wirkform greift an anderer Stelle als die Statine in die Cholesterol-Biosynthese ein. Die Hemmung der ATP-Citrat-Lyase ist neu. Ein Vorteil ist, dass das die Bempedoinsäure aktivierende Enzym in Skelettmuskelzellen nicht vorhanden ist, sodass der neue Wirkstoff anders als Statine keine muskelbezogenen Nebenwirkungen hat.
Die bisherigen Ergebnisse des CLEAR-Studienprogrammes sind überzeugend. Bempedoinsäure konnte darin den LDL-Cholesterol-Wert deutlich senken. Gerade für Statin-intolerante Patienten könnte der Wirkstoff eine sinnvolle Alternative sein, bevor sie mit einem PCSK9-Inhibitor behandelt werden.
Was noch aussteht, sind Aussagen zur Verhinderung kardiovaskulärer Ereignisse durch den Wirkstoff. Mit Spannung darf man jetzt bereits den Ergebnissen der großen Studie CLEAR-Outcomes entgegensehen, die allerdings noch eine Zeit auf sich warten lassen werden.
Insgesamt ist es sehr erfreulich, dass sich in der wichtigen Indikation Hypercholesterolämie Einiges tut. Mit Inclisiran könnte es hierfür schon bald ein Medikament geben, das über RNA-Interferenz wirkt. Noch etwas weiter entfernt von der Markteinführung sind Antikörper wie Evinacumab, die sich gegen das Protein Angiopoietin-like 3 richten.
Sven Siebenand, Chefredakteur