Neuer Kinasehemmer bei Lungenkrebs im Handel |
Sven Siebenand |
01.09.2022 09:00 Uhr |
Die häufigsten Nebenwirkungen sind periphere Ödeme (68 Prozent der behandelten Patienten), Übelkeit (44 Prozent), Fatigue (34 Prozent), Anstieg des Kreatinins (34 Prozent), Erbrechen (25 Prozent), Dyspnoe (23 Prozent), verminderter Appetit (21 Prozent) und Rückenschmerzen (21 Prozent).
Ein besonderer Warnhinweis in der Fachinformation bezieht sich auf die interstitielle Lungenerkrankung (ILD)/Pneumonitis. Bei Patienten unter Capmatinib-Therapie kam zu ILD/Pneumonitis, die tödlich verlaufen kann. Die Patienten sind daher auf pulmonale Symptome zu überwachen. Zudem gilt es, die Leberwerte und Pankreasenzyme ständig zu überprüfen.
Wegen des Risikos von Photosensibilitätsreaktionen sollten Patienten auch UV-Strahlung möglichst begrenzen, Sonnenschutz an exponierten Stellen auftragen sowie schützende Kleidung und Sonnenbrille tragen. Diese Maßnahmen sollten über mindestens sieben Tage nach der letzten Dosis fortgeführt werden.
In Sachen Wechselwirkungen sollte eine gleichzeitige Anwendung mit starken CYP3A-Induktoren vermieden werden, da dies die Wirksamkeit von Capmatinib einschränken könnte. Die gleichzeitige Anwendung von Capmatinib mit starken CYP3A-Inhibitoren kann die Plasmaspiegel des Krebsmedikaments erhöhen und in der Folge zu mehr Nebenwirkungen führen. Die Patienten sind in diesem Fall besonders engmaschig auf unerwünschte Arzneimittelwirkungen zu überwachen.
Sexuell aktive Frauen im gebärfähigen Alter sollten während der Behandlung mit Tabrecta und über mindestens sieben Tage nach der letzten Dosis eine zuverlässige Verhütungsmethode anwenden. Männliche Patienten mit Sexualpartnerinnen im gebärfähigen Alter sollten während der Behandlung und ebenfalls über mindestens sieben Tage nach der letzten Dosis Kondome verwenden.
Capmatinib darf während der Schwangerschaft nicht angewendet werden, es sei denn, die Behandlung ist aufgrund des klinischen Zustandes der Frau erforderlich. Aufgrund der Möglichkeit von schwerwiegenden Nebenwirkungen bei gestillten Kindern sollten Frauen das Stillen während der Behandlung und über mindestens sieben Tage nach der letzten Dosis unterbrechen.
Die Entwicklung eines neuen Medikaments dauert meistens einige Jahre. Wenn zwischen der Markteinführung von zwei konkurrierenden Präparaten am Ende dann nur wenige Wochen liegen, wäre es sehr hart, die als zweite eingeführte Substanz sofort als Analogpräparat zu bezeichnen. Ähnlich gestaltet sich die Lage bei den Kinasehemmern Tepotinib und Capmatinib. Streng genommen bringt Capmatinib keinen weiteren Fortschritt gegenüber Tepotinib. Aufgrund der zeitlichen Nähe der Markteinführung darf aber auch dieser Kinasehemmer als Schrittinnovation gesehen werden.
Anders als Multikinasehemmer wie Crizotinib und Cabozantinib sind Tepotinib und Capmatinib selektive orale MET-Kinaseinhibitoren. Beide bieten eine gezielte Behandlungsoption beim fortgeschrittenen nicht kleinzelligen Lungenkrebs mit METex14-Skipping-Mutationen. Das betrifft in etwa 3 bis 4 Prozent aller NSCLC-Patienten.
In den USA sind beide Wirkstoffe auch für die Erstlinie zugelassen, in der EU noch nicht. Hier gilt es, weitere Entwicklungen abzuwarten. Wünschenswert wären auch direkte Vergleiche, um Aussagen treffen zu können, welcher der beiden Arzneistoffe möglicherweise der bessere ist.
Sven Siebenand, Chefredakteur