Neue Empfehlungen zum Restless-Legs-Syndrom |
Daniela Hüttemann |
07.09.2022 18:00 Uhr |
Ein Restless-Legs-Syndrom äußert sich durch Missempfindungen in den Beinen mit erhöhtem Bewegungsdrang, gerade in Ruhe. Die Betroffenen leiden dadurch oft auch unter Schlafstörungen. / Foto: Adobe Stock/Creative Cat Studio
»Das Restless-Legs-Syndrom ist zwar keine lebensbedrohliche Krankheit, mindert aber die Lebensqualität enorm«, erklärt Professor Dr. Claudia Trenkwalder, Kassel, eine der beiden federführenden Autorinnen der neuen S2k-Leitlinie, in einer begleitenden Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN). »Der Leidensdruck ist hoch und es ist wichtig, den Stand der Forschung allen Behandlern verfügbar zu machen, damit alle Betroffenen eine bestmögliche Diagnostik und Therapie erhalten.« Genau das soll die neue Leitlinie leisten.
Schätzungsweise 5 bis 10 Prozent der Bevölkerung leiden unter einem Restless-Legs-Syndrom. Es äußert sich vor allem durch Missempfindungen und Schmerzen in den Beinen, die während der Ruhezeit auftreten, bei vielen auch durch Beinbewegungen im Schlaf. Daher haben viele Betroffene auch Einschlaf- und Durchschlafstörungen und leiden unter Tagesmüdigkeit und verminderter Leistungsfähigkeit. Auffällig ist laut DGN auch ein erhöhtes Risiko für Angsterkrankungen und Depressionen bei RLS-Patientinnen und -Patienten.
Neu sei das Verständnis des RLS als ein Krankheitsbild, das aus genetischen und Umweltfaktoren entstehe und durch Komorbiditäten beeinflusst werde. Das mache die bisherige Unterscheidung in ein idiopathisches und sekundäres RLS infolge einer zugrundeliegenden Erkrankung wie Diabetes mellitus, Rheuma oder Parkinson obsolet. »Dennoch sollten natürlich Komorbiditäten konsequent behandelt und mögliche ›anheizende‹ Faktoren, wie die Einnahme von RLS-verstärkenden Medikamenten, umgangen werden«, rät die Fachgesellschaft. Zu solchen verstärkenden Arzneimitteln zählen beispielsweise Antipsychotika, Antiemetika, Antihistaminika, Antidepressiva und Lithium. Daher gehört zur Anamnese auch eine sorgfältige Betrachtung der aktuellen Medikation.
»Ob Genussmittel wie Kaffee, Alkohol oder Nikotin die RLS-Beschwerden verschlechtern oder sogar lindern, ist nach wie vor nicht in größeren wissenschaftlichen Studien geklärt worden«, heißt es in der Leitlinie.
Wie wird nun bei gesicherter Diagnose behandelt? »Bei den Betroffenen sollte regelmäßig der Eisenstoffwechsel kontrolliert und frühzeitig eine Eisentherapie initiiert werden«, rät Dr. Anna Heidbreder, Innsbruck, die zweite Koordinatorin der Leitlinie. »Außerdem können die Betroffenen ruhig ermuntert werden, auch nicht medikamentöse Therapieoptionen auszuprobieren, die auch zusätzlich zu einer medikamentösen Therapie eingesetzt werden können.« Das können zum Beispiel Bewegung, Yoga oder Infrarot-Lichttherapie sein.
Laut Heidbreder sollte eine kontinuierliche medikamentöse Therapie erst so spät wie möglich initiiert werden. Die DGN erklärt das Vorgehen: Zunächst wird bei leichtem RLS und niedrigen Eisenspiegeln (Ferritin ≤ 75 µg/l) zu einer oralen Eisensubstitution mit 325 mg Eisensulfat zweimal täglich und jeweils 100 mg Vitamin C geraten. Ist der Ferritinspiegel nicht erniedrigt oder die Eisensubstitution allein nicht erfolgreich, sollten folgende Dopamin-Agonisten als Therapie der ersten Wahl eingesetzt werden: Rotigotin (2 mg/24 Stunden niedrigste wirksame Dosis; maximal zugelassene Dosis: 3 mg/24 Stunden), Ropinirol (0,5 bis 2 mg; maximal zugelassene Dosis: 4 mg) oder Pramipexol (0,18 mg niedrigste wirksame Dosis; maximal zugelassene Dosis: 0,52 mg). Sie sollten in einer möglichst niedrigen Dosierung eingesetzt werden, da sich sonst die Beschwerden noch verstärken können (Augmentation). Alternativ kann auch ein Gabapentinoid zur Anwendung kommen (off Label).
»Levodopa soll nicht mehr zur kontinuierlichen Behandlung eingesetzt werden, sondern nur intermittierend und/oder zu diagnostischen Zwecken mit einer maximalen Dosis von 100 mg«, erläutern die Leitlinien-Koordinatorinnen. »Bei einer Augmentation oder bei Therapieversagen bei mittel- bis schwergradigem RLS unter oben genannter Medikation können als Medikamente zweiter Wahl Opioide wie Oxycodon/Naloxon retard oder andere retardierte Opioide im Off-Label-Use eingesetzt werden.« Wichtig zu wissen sei auch, dass Cannabinoide, Magnesium und Benzodiazepine nicht helfen. Für die Phytotherapie gibt es aufgrund mangelhafter Datenlage keine Empfehlung.
Noch schwieriger sei die Therapie des RLS bei Kindern und Jugendlichen, denn dort sei bis auf die Eisengabe keines der oben genannten Medikamente zugelassen. Zudem gilt die Verwendung von Clonazepam, Pergolid oder Clonidin zur RLS-Behandlung im Kindesalter als obsolet. »Vor diesem Hintergrund gewinnen nicht medikamentöse Therapieansätze noch mehr an Bedeutung«, betonen die Neurologinnen. Bewegungs- und Physiotherapie hätten einen besonderen Stellenwert. Allen Patienten sind zudem eine gute Schlafhygiene mit eingeschränktem Medienkonsum am Abend zu empfehlen.