Nebenwirkung für das Ökosystem |
Sven Siebenand |
15.05.2024 18:00 Uhr |
Arzneimittel gelangen über den Menschen teils in großen Mengen in Gewässer. / Foto: Adobe Stock/ franziskahoppe
Weltweit wurden bisher knapp 1000 Wirkstoffe beziehungsweise Transformationsprodukte von Arzneistoffen in der Umwelt nachgewiesen. Maack betonte, dass diese Zahl auf der Basis von Publikationen zustande kommt und sie in der Realität wohl noch größer ist. Zudem sei davon auszugehen, dass die Problematik zukünftig ein noch größeres Ausmaß annehmen wird.
In Deutschland seien im Jahr 2019 mehr als 400 Arzneistoffe in der Umwelt gefunden worden, so Maack. Auch wenn man weit von therapeutischen Konzentrationen entfernt sei, wurden viele Arzneistoffe und ihre Metabolite auch im Trinkwasser nachgewiesen, etwa Analgetika, Lipidsenker und Röntgenkontrastmittel.
Arzneistoffe sind auch außerhalb des Körpers hochwirksam und können in der Umwelt großen Schaden anrichten. Als Beispiele nannte Maack die Wirkstoffe Ethinylestradiol und Diclofenac. Untersuchungen haben gezeigt, dass Ethinylestradiol bei bestimmten Fischen zur Verweiblichung führt, die Reproduktion hemmt und so letztlich einen kompletten Zusammenbruch der Population bewirkt.
»Die Nebenwirkungen von Diclofenac finden sich auch in der Umwelt«, informierte der Referent. Recht bekannt ist in diesem Zusammenhang der Populationsrückgang von drei endemischen Geierarten in Pakistan und Indien um bis zu 99 Prozent durch Nierenversagen – ausgelöst durch Diclofenac, das die Tiere nicht abbauen können und das sie beim Verzehr von Tierkadavern aufgenommen hatten. Maack betonte, dass es in der Folge wieder einen gesundheitlichen Schaden für den Menschen gibt. Denn die nicht vollständige »Entsorgung« der Kadaver durch die Geier führte dazu, dass die Populationen an Hunden und Ratten zunahmen und die Tollwutrate deutlich anstieg.
Um die Konzentrationen von Wirkstoffen in der Umwelt zu reduzieren, kann man in vielen Bereichen ansetzen: von Entwicklung und Herstellung über Verschreibung und Abgabe bis hin zur Entsorgung. Für Maack ist Aufklärung der Verbraucher ein wichtiger Punkt. Hier sieht er Krankenhaus- und Offizinapotheker als wichtige Multiplikatoren – nicht nur beim Thema richtige Entsorgung von Medikamenten, sondern auch bei der Anwendung.