Nahrung und mehr aus dem Meer |
Algen enthalten eine ganze Reihe von Substanzen, die sie für die Kosmetik- aber auch für die Pharmaindustrie interessant machen. / Foto: Getty Images/Douglas Klug
Algen werden nach ihrer Farbe in Braun-, Grün- und Rotalgen unterteilt. In vielen Ländern der Welt spielen sie seit jeher in der Ernährung eine Rolle, zum Beispiel in Japan, China und Korea, aber auch in Island, Irland, Dänemark oder der Bretagne. Auch hierzulande bekannt ist mittlerweile die Rotalge Nori, die zu Blättern gepresst Sushi-Rollen ummantelt. Die Braunalge Wakame verleiht der Misosuppe ihren typischen Geschmack. Zur gleichen Kategorie gehört auch die oft in Frankreich anzutreffende Speisealge »Haricot de mer«, die auch als Meeresspaghetti bekannt ist. Grünalgen der Gattung Ulva werden in Japan getrocknet und dann als »Aonori« verzehrt. In frischem Zustand erinnert diese Alge an Meeressalat, daher auch ihr deutscher Name.
Dies sind nur ein paar Beispiele der mehr als 150 Algenarten, die verzehrt werden können – frisch, getrocknet oder gefrostet, im Ganzen, als Granulat oder Flocken. Einen Überblick dazu gaben Paul Cherry und Kollegen 2019 in einem Artikel im Fachjournal »Nutrition Reviews«.
Nicht nur geschmacklich stellen Algen demnach eine Bereicherung des Speiseplans dar. Auch was die Inhaltsstoffe betrifft, sind die Wasserpflanzen nicht uninteressant. Sie enthalten zum Beispiel kaum Fett, dafür viele Kohlenhydrate, vor allem Ballaststoffe, sowie hochwertiges Eiweiß. So besitzen Algen einen vergleichbaren Gehalt an Proteinen und Aminosäuren wie Rindfleisch. Allerdings werden sie in deutlich geringeren Mengen verzehrt. Legt man etwa einen Tagesbedarf von 60 g Protein zugrunde, können Algen in der Regel nur einen Bruchteil davon liefern.
Etwa 150 verschiedene Algenarten sind zum Verzehr geeignet. / Foto: Adobe stock/valya82
Weitere Inhaltstoffe von Algen sind Vitamin A beziehungsweise Betacarotin, Vitamin C und E. Auch Vitamin B12 ist in vielen Algen enthalten. Es liegt allerdings als Vitamin-B12-Analogon vor. Dieses kann der menschliche Körper nicht oder nur schlecht verwerten. Es könne vielmehr durch eine Blockade der Transportsysteme im Körper die Vitamin-B12-Versorgung noch zusätzlich verschlechtern, schreibt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE). Des Weiteren finden sich in Algen Mineralstoffe und Spurenelemente wie Jod, Zink, Eisen und Selen, außerdem Polyphenole und Flavonoide, die wichtige Antioxidanzien darstellen, und langkettige Omega-3-Fettsäuren. Der Gehalt der Inhaltsstoffe kann allerdings je nach Art, Standort und Jahreszeit der Algen stark variieren.
Da Algen besonders reich an Ballaststoffen sind, lohnt sich ein genauerer Blick darauf. Ballaststoffe können sich durch ihre viskosen und wasserbindenden Eigenschaften in vielerlei Hinsicht positiv auf die Gesundheit auswirken. Sie fördern unter anderem das Sättigungsgefühl, verlangsamen die Magenpassage der Nahrung, verbessern so die glykämische Kontrolle und beeinflussen auch das Darmmikrobiom positiv.
Algen enthalten nicht nur viele, sondern auch unterschiedliche Ballaststoffe: Braunalgen beispielsweise Alginate, Laminarin oder Fucoidan, Rotalgen Agar, Carrageen, Porphyran oder Xylan und Grünalgen Ulvan, Xylan oder Cellulose. Diese spielen in vielen Bereichen eine wichtige Rolle.
Schon seit Jahrzehnten werden Alginate, Carrageen oder Agar etwa wegen ihrer emulgierenden, stabilisierenden und verdickenden Wirkung als Gelier- und Verdickungsmittel eingesetzt. Auch die Kosmetikindustrie verwendet viele Inhaltsstoffe aus Algen zur Herstellung von Hautpflegeprodukten. Diese sollen Feuchtigkeit spenden, die Haut schützen und der Hautalterung entgegenwirken.
Auch im medizinischen Bereich kommen diese Algeninhaltsstoffe zum Einsatz. Alginate werden beispielweise bei Reflux und Sodbrennen oft in Kombination mit einem Antacidum verwendet. Sie bilden mit der Magensäure einen Gelschaum und eliminieren so die Säure. Der Schaum bildet zudem eine mechanische Refluxblockade, indem er auf dem Mageninhalt liegt. Die Eigenschaft der Gelbildung macht man sich auch für die Wundversorgung zunutze. So bildet Alginat mit Wundexsudat ein visköses Gel und fördert so die Wundheilung im feuchten Milieu.
Ein Wirkstoff, dessen Potenzial derzeit intensiv untersucht wird, ist Fucoidan. Er stammt unter anderem aus Braunalgen wie dem Blasentang oder Wakame und soll antioxidative, antitumorale, gerinnungshemmende, immunregulierende, antivirale und entzündungshemmende Eigenschaften besitzen. Erste präklinische und klinische Studien untermauern etwa seine antikanzerogene Wirkung. So scheinen Fucoidane Entzündungsprozesse zu verringern, das Wachstum von Krebs und Metastasierung zu hemmen und Nebenwirkungen von Strahlen- oder Chemotherapie zu reduzieren. Das könnte Fucoidan zu einem Kandidaten für die komplementäre Tumortherapie machen.
Seine entzündungshemmende Wirkung steht auch bei anderen Krankheiten im Fokus. So untersuchen Kieler Wissenschaftler marine Substanzen aus dem Blasentang im Rahmen der von der EU geförderten Innovations- und Forschungsinitiative AlgaeProBanos im Labor und an Modellorganismen auf ihre nervenschützenden Eigenschaften. An kultivierten Zellen des Auges konnten die Wissenschaftler zeigen, dass Fucoidane antioxidativ wirken, Entzündungsreaktionen dämpfen und eine Gefäßneubildung aufhalten können – Faktoren, die eine altersbedingte Makuladegeneration begünstigen. Es bestehe die Hoffnung, dass Fucoidane den Krankheitsverlauf verlangsamen könnten, so die Forschenden.
Inhaltsstoffe aus Algen könnten auch einen neuroprotektiven Effekt bei Morbus Parkinson haben. Eine Studie aus Japan deutet darauf hin, dass der Verzehr von antioxidativen Polyphenolen der Braunalge Ecklonia cava die Entstehung von Parkinson verhindern oder zumindest den Verlauf der Krankheit verlangsamen könnte (»Nutrients« 2024). Die Wissenschaftler wiesen in Versuchen mit Mäusen nach, dass in der Alge enthaltene Polyphenole dopaminerge Neuronen schützen, indem sie die Bildung von freien Radikalen reduzieren, und so die motorischen Funktionen der Tiere verbessern konnten.
Der Verzehr von Algen kann aber auch mit Gesundheitsrisiken einhergehen. So haben viele Algen einen hohen Gehalt an Jod. Da das Spurenelement zur Herstellung der Schilddrüsenhormone Thyroxin und Trijodthyronin beiträgt, sollten Menschen mit einer Schilddrüsenüberfunktion besser auf den Verzehr verzichten. Bei gesunden Erwachsenen gilt laut Bundesinstitut für Risikobewertung eine maximale tägliche Aufnahme von 500 µg als sicher. Eine regelmäßige Zufuhr sehr hoher Jodmengen kann jedoch auch bei Gesunden zu Schilddrüsenfunktionsstörungen führen.
Zwar sind Hersteller von Algenprodukten hierzulande derzeit nicht dazu verpflichtet, den Jodgehalt auf der Verpackung kenntlich zu machen. Manche informieren aber trotzdem dazu. Die DGE empfiehlt eine Begrenzung auf 200 µg Jod pro Tag für Jugendliche und Erwachsene, für Kinder unter 13 Jahren weniger.
Darüber hinaus gibt es Berichte, dass Algen, je nachdem wo sie wachsen, Schwermetalle wie Cadmium, Blei oder Quecksilber enthalten können. Cadmium gilt als toxisch für Leber und Nieren, Quecksilber ist ein bekanntes Neurotoxin. Man sollte daher darauf achten, dass Algenprodukte auf Schadstoffe getestet und als geeignet für den Verzehr befunden wurden.
Den Makroalgen gegenüber stehen die Mikroalgen, die mit bloßem Auge kaum zu erkennen sind, darunter Spirulina, Chlorella und Aphanizomenon flos-aquae, kurz Afa. Genaugenommen handelt es sich allerdings nur bei Chlorella um eine richtige Alge – eine Grünalge. Spirulina und Afa zählen zu den Cyanobakterien, die auch Blaualgen genannt werden. Diese kommen im Gegensatz zu makroskopischen Speisealgen als Nahrungsergänzungsmittel auf den Markt. Die Mikroalgen wachsen in Süßwasser, weshalb sie kaum Jod enthalten, werden abgeschöpft oder gefiltert und anschließend getrocknet und zu Kapseln oder Tabletten verarbeitet.