Moderne Migränetherapien zu wenig genutzt |
Die DMKG kritisiert, dass der frühzeitige Einsatz von CGRP-Therapien oft durch kassenärztliche Vorgaben für die Verordnung und Kostenrestriktionen erschwert werde. Dabei führe eine verzögerte Behandlung zu höherer Krankheitslast und steigenden direkten sowie indirekten Gesundheitskosten. Die Fachgesellschaft fordert hier ein grundlegendes Umdenken. »Statt nur auf die Arzneimittelkosten zu blicken, sollten die Gesamtkosten der Erkrankung bei den vorrangig berufstätigen Patientinnen und Patienten berücksichtigt werden«, meint Professor Dr. Gudrun Goßrau, Generalsekretärin der DMKG.
Laut der Fachgesellschaft belegen Studien, dass der frühzeitige Einsatz effektiver Migräneprophylaktika das Risiko einer Chronifizierung senken kann, womit vielfältige körperliche, psychische und soziale Beeinträchtigungen vermieden werden. Sie zitiert unter anderem die APPRAISE-Studie: Erenumab reduzierte darin die Migränetage bei Patientinnen und Patienten mit episodischer Migräne sechsmal häufiger um mindestens 50 Prozent verglichen mit herkömmlichen, unspezifischen oralen Prophylaktika. Zudem waren Nebenwirkungen seltener und die Therapietreue höher.
Die DKMG spricht von einer »Kluft zwischen wissenschaftlicher Empfehlung und klinischem Alltag in der Behandlung schwerer Migräne« und belegt dies anhand einer Auswertung von 1720 Patientinnen und Patienten aus dem DMKG-Kopfschmerzregister. »Beim Vergleich von Personen, die unspezifische orale Prophylaktika einnehmen (zum Beispiel Amitriptylin oder Betablocker) mit Personen, die mit CGRP-basierten Therapien behandelt werden, zeigen sich statistisch signifikante Unterschiede: Letztere haben häufig mehr ungenügend wirksame beziehungsweise nicht verträgliche Vortherapien durchlaufen als Patienten mit unspezifischen oralen Prophylaktika.«
Die Betroffenen unter unspezifischer Prophylaxe hätten eine deutlich längere Krankheitsdauer, häufiger chronische Migräne (plus 10,2 Prozent), mehr schwere Kopfschmerztage (plus 1,4 Tage/Monat) und mehr Akutmedikationstage (plus 0,8 Tage/Monat). Zudem seien sie seltener berufstätig und litten um fast 10 Prozent häufiger unter psychischen Begleiterkrankungen.
Immerhin: Seit Oktober 2022 kann Erenumab etwas leichter verordnet werden und wird seitdem signifikant häufiger auch Patienten mit noch nicht chronifizierter Migräne verordnet. Zwar benötigten nicht alle Patientinnen und Patienten eine Therapie mit monoklonalen Antikörpern. »Doch bei hochfrequenter episodischer oder chronischer Migräne sollte die Therapieentscheidung ärztlich-individuell und nicht primär ökonomisch getroffen werden.«