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Moderne Migränetherapien zu wenig genutzt

Chronische Migräne ließe sich dank der neueren Medikamente vermeiden, sagt die Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft. Doch aktuelle Daten zeigten, dass viele Menschen mit schwerer Migräne diese Arzneimittel erst spät erhalten.
PZ
04.09.2025  16:20 Uhr

»Wir Neurologen beobachten, dass viele Betroffene zuvor über Jahre erfolglos mit unspezifischen Medikamenten behandelt wurden«, kritisiert Privatdozent Dr. Lars Neeb, Präsident der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG), anlässlich des Welt-Kopfschmerz-Tags am 5. September. »Erst bei starker Chronifizierung werden CGRP-Therapien überhaupt in Betracht gezogen – dabei wäre gerade eine frühe Therapie entscheidend, um eine Chronifizierung zu verhindern.« CGRP-basierte Migränetherapien blockieren das Calcitonin Gene-Related Peptide (CGRP) oder dessen Rezeptor und markieren laut DMKG »einen entscheidenden Fortschritt in der Prophylaxe häufiger und schwerer Migräne«. 

Von einer chronischen Migräne spricht man, wenn der Kopfschmerz über mehr als drei Monate an 15 oder mehr Tagen/Monat auftritt und der an mindestens acht Tagen/Monat die Merkmale eines Migränekopfschmerzes aufweist. Nach Angaben der Schmerzklinik Kiel betrifft dies 1 bis 2 Prozent der Bevölkerung – und 1,66 Millionen Menschen in Deutschland. Die Jahresprävalenz für Migräne allgemein liegt bei 15 Prozent der Bevölkerung. Etwa 2,5 Prozent der Personen mit episodischer Migräne entwickeln eine chronische Migräne.

2018 kam mit Erenumab (Aimovig®) in Deutschland das erste Medikament auf den Markt, dass gezielt den Calcitonin Gene-Related Peptide (CGRP)-Rezeptor blockiert. Es folgten drei weitere Antikörper (Eptinezumab, Fremanezumab und Galcanezumab) , die CGRP oder dessen Rezeptor hemmen. Zugelassen sind sie zur Migräneprophylaxe, wenn die Betroffenen sonst an mindestens vier Tagen pro Monat an Migräne leiden. Mit Atogepant (Aquipta®) und Rimegepant (Vydura®) kamen im März und Juni dieses Jahres zudem gleich zwei oral verfügbare CGRP-Inhibitoren hinzu.

Doch die Medikamente sind teuer und die Patienten werden zunächst oft über Monate mit verschiedenen herkömmlichen, unspezifischen Prophylaktika behandelt. Nur wenn diese unwirksam, nicht verträglich oder kontraindiziert sind, werden in der Regel die CGRP-Inhibitoren verordnet.

Gesamtkosten statt nur Arzneimittelpreise berücksichtigen

Die DMKG kritisiert, dass der frühzeitige Einsatz von CGRP-Therapien oft durch kassenärztliche Vorgaben für die Verordnung und Kostenrestriktionen erschwert werde. Dabei führe eine verzögerte Behandlung zu höherer Krankheitslast und steigenden direkten sowie indirekten Gesundheitskosten. Die Fachgesellschaft fordert hier ein grundlegendes Umdenken. »Statt nur auf die Arzneimittelkosten zu blicken, sollten die Gesamtkosten der Erkrankung bei den vorrangig berufstätigen Patientinnen und Patienten berücksichtigt werden«, meint Professor Dr. Gudrun Goßrau, Generalsekretärin der DMKG.

Laut der Fachgesellschaft belegen Studien, dass der frühzeitige Einsatz effektiver Migräneprophylaktika das Risiko einer Chronifizierung senken kann, womit vielfältige körperliche, psychische und soziale Beeinträchtigungen vermieden werden. Sie zitiert unter anderem die APPRAISE-Studie: Erenumab reduzierte darin die Migränetage bei Patientinnen und Patienten mit episodischer Migräne sechsmal häufiger um mindestens 50 Prozent verglichen mit herkömmlichen, unspezifischen oralen Prophylaktika. Zudem waren Nebenwirkungen seltener und die Therapietreue höher.

Mehr Kopfschmerztage unter unspezifischer Prophylaxe

Die DKMG spricht von einer »Kluft zwischen wissenschaftlicher Empfehlung und klinischem Alltag in der Behandlung schwerer Migräne« und belegt dies anhand einer Auswertung von 1720 Patientinnen und Patienten aus dem DMKG-Kopfschmerzregister. »Beim Vergleich von Personen, die unspezifische orale Prophylaktika einnehmen (zum Beispiel Amitriptylin oder Betablocker) mit Personen, die mit CGRP-basierten Therapien behandelt werden, zeigen sich statistisch signifikante Unterschiede: Letztere haben häufig mehr ungenügend wirksame beziehungsweise nicht verträgliche Vortherapien durchlaufen als Patienten mit unspezifischen oralen Prophylaktika.«

Die Betroffenen unter unspezifischer Prophylaxe hätten eine deutlich längere Krankheitsdauer, häufiger chronische Migräne (plus 10,2 Prozent), mehr schwere Kopfschmerztage (plus 1,4 Tage/Monat) und mehr Akutmedikationstage (plus 0,8 Tage/Monat). Zudem seien sie seltener berufstätig und litten um fast 10 Prozent häufiger unter psychischen Begleiterkrankungen.

Immerhin: Seit Oktober 2022 kann Erenumab etwas leichter verordnet werden und wird seitdem signifikant häufiger auch Patienten mit noch nicht chronifizierter Migräne verordnet. Zwar benötigten nicht alle Patientinnen und Patienten eine Therapie mit monoklonalen Antikörpern. »Doch bei hochfrequenter episodischer oder chronischer Migräne sollte die Therapieentscheidung ärztlich-individuell und nicht primär ökonomisch getroffen werden.«

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