Modernas Impfstoff wird zum Favoriten |
Daniela Hüttemann |
17.11.2020 13:00 Uhr |
Das Unternehmen Moderna wurde 2010 in Cambridge in den USA gegründet. Es entwickelt ausschließlich Arznei- und Impfstoffe auf mRNA-Basis. Seit Jahresbeginn fokussiert es sich auf Covid-19-Impfstoffe. / Foto: Moderna
Am Montag verkündete die Europäische Arzneimittelagentur EMA, dass sie ein Zulassungsverfahren in Form eines Rolling Review für Modernas Covid-19-Impstoff mRNA-1273 begonnen habe. Parallel veröffentlichte die Firma erste Zwischenergebnisse der Phase-III-Studie COVE sowie neue Stabilitätsdaten. Demnach erkrankten bislang 95 der rund 30.000 geplanten Probanden an Covid-19, davon 90 in der Placebogruppe gegenüber fünf unter der Impfung. Daraus errechnet sich eine vorläufige Wirksamkeit von rund 94,5 Prozent, bezogen auf den Schutz vor der Erkrankung (nicht vor der Infektion selbst). Ähnlich gute Daten hatten Biontech und Pfizer vergangene Woche für ihren Kandidaten BNT162b2 gemeldet (90 Prozent Schutzwirkung), ebenfalls eine mRNA-basierte Vakzine.
»Auch wenn es sich noch um Zwischenergebnisse handelt, ist bereits jetzt mit großer Wahrscheinlichkeit klar, dass auch der zweite mRNA-Impfstoff-Kandidat mRNA-1273 der Firma Moderna gegen eine symptomatische Covid-19-Infektion schützt«, kommentiert Professor Dr. Clemens Wendtner, Chefarzt der Infektiologie und Tropenmedizin sowie Leiter der dortigen Spezialeinheit für hochansteckende lebensbedrohliche Infektionen, München Klinik Schwabing. Mit anderen Zahlen ausgedrückt: Nur einer von 18 Geimpften infiziert sich mit SARS-CoV-2. »Dies ist vergleichbar mit der Effizienz des Biontech-Impfstoffes BNT162b2, der kürzlich als erster mRNA-basierter Impfstoff diese hohe Effizienz auf der Basis einer Zwischenanalyse gezeigt hatte. Es scheint sich jetzt zu verdichten: mRNA-Impfstoffe wirken als Substanzklasse und könnten die Trendwende in der Pandemie bringen.«
Dr. Florian Krammer, Professor of Vaccinology an der Icahn School of Medicine am Mount-Sinai-Krankenhaus in New York sagte gegenüber dem »Science Media Center«: »Man könnte sagen: Das Experiment wurde wiederholt und hat das gleiche Ergebnis erzielt.« Er schränkte jedoch ein, dass noch keine weiteren Anhaltspunkte für die Wirksamkeit bei Risikogruppen vorliegen.
»Die beinahe gleichlautenden Zahlen sind ein sehr starkes Indiz dafür, dass das Prinzip der RNA-Impfstoffe zur Verhinderung der SARS-CoV-2-Infektion tatsächlich funktioniert«, sagt auch Professor Dr. Gerd Fätkenheuer, Leiter der Infektiologie, Klinik I für Innere Medizin, Uniklinik Köln. »Wenn man nach den Ergebnissen von Biontech große Hoffnung in die Wirksamkeit der Impfstoffe setzen konnte, so ist diese Hoffnung jetzt noch ein deutliches Stück größer geworden.« Sehr erfreulich sei die Beobachtung, dass alle der insgesamt elf schweren Covid-19-Fälle in der Placebogruppe auftraten. Dies sei – bei aller Vorsicht angesichts der kleinen Zahl – ein erster möglicher Hinweis darauf, dass der Impfstoff zum einen vor der Infektion selbst, zum anderen aber auch vor schweren Verläufen schützen könnte. Hier müssten weitere Ergebnisse abgewartet werden.
Auch was die Sicherheit betrifft, äußerten sich die befragten, unabhängigen Experten zuversichtlich: »Es scheint sich zu bestätigen, dass mRNA-Impfstoffe relativ sicher sind«, sagt Professor Dr. Leif-Erik Sander,
Leiter der Forschungsgruppe Infektionsimmunologie und Impfstoffforschung, Charité – Universitätsmedizin Berlin. »Es kam zu keinen sicherheitsrelevanten Nebenwirkungen, es wurden lediglich bei relativ vielen Impflingen milde Nebenwirkungen registriert.«
»Die Nebenwirkungen sind insgesamt gering und überschaubar«, urteilt auch Wendtner aus München. »In einem geringen Prozentsatz kam es zu Schmerzen an der Einstichstelle, auch wurden kurz anhaltende Muskelschmerzen, Gliederschmerzen, Kopfschmerzen und Müdigkeit beschrieben – nicht unerwartet und auch bei fast jeder anderen Impfung beobachtet. In jedem Fall eine Petitesse im Vergleich zum erwarteten Schutz hinsichtlich einer potenziell tödlichen Erkrankung wie Covid-19.«
Die Experten hoben zudem lobenswert hervor, dass 42 Prozent der Probanden in der COVE-Studie Risikopatienten sind ; sei es durch ihre Vorerkrankungen oder ihr Alter. 7000 der 30.000 Probanden sind älter als 65 Jahre. 11.000 gehören ethnisch betrachtet zu den People of Color, die ebenfalls als vulnerabel gelten.
Ebenfalls am Montag veröffentlichte Moderna zudem neue Stabilitätsdaten und weist damit zumindest, bis Biontech und Pfizer weitere Daten liefern, einen deutlich pharmazeutisch-technologischen Vorteil auf und damit auch für die Logistik. Denn Modernas mRNA-1273 ist bei 2 bis 8 Grad Celsius, also in einem handelsüblichen Kühlschrank, für circa 30 Tage stabil. Auch ist der Transport zum Impfzentrum und eine langfristige Lagerung über sechs Monate bei einer Temperatur von minus 20 Grad Celsius möglich, so Wendtner und erklärt: »Dies ist einer besonderen ‚Verpackung‘ des Impfstoffes in sogenannten Lipid-Nanopartikeln (LNP) zu verdanken.«
Auch wenn Biontechs Impfstoff BNT162b2 eine ähnlich hohe Effizienz und Verträglichkeit aufweise, mache eine Lagerung bei minus 70 Grad Celsius eine flächendeckende Impfung der Bevölkerung zwar logistisch betrachtet nicht unmöglich, stelle aber ohne Zweifel eine zusätzliche Herausforderung dar, die eine Impfung in spezialisierten Impfzentren mit entsprechenden Kühlketten erforderlich mache. Und last but not least: »Auch ist mRNA-1273 nach Auftauen ready-to-use, und somit ist eine zusätzliche Verdünnung des Impfstoffs vor Ort beim Anwender nicht erforderlich«, so Wendtner.