Mit moderater Kalorienreduktion länger leben |
Theo Dingermann |
21.02.2022 07:00 Uhr |
So radikal leer muss der Teller nicht bleiben. Vor allem sollte die Ernährung ausgewogen sein – ein Leben lang. / Foto: Getty Images/Tetra Images
Der Wunsch nach einem längeren Leben treibt mittlerweile eine ganze Industrie an. Mit Hochdruck wird nach Zielstrukturen gesucht, die sich pharmakologisch modulieren lassen könnten, um so einen Beitrag zu einer Verlängerung der Lebenserwartung beim Menschen zu leisten. Noch befinden sich solche Anstrengungen in einer sehr frühen Phase, aber aussichtslos scheinen diese Aktivitäten nicht zu sein.
Aus Tierversuchen ist landläufig bekannt, dass eine strikte Kalorienreduktion die Lebenserwartung deutlich verlängert. Allerdings kann man diese Ergebnisse nicht auf den Menschen übertragen, da so drastische Einschränkungen bei der Nahrungsaufnahme kaum akzeptiert werden, wenn sie nicht gar schädlich sind.
Nun zeigt eine erste Auswertung der CALERIE-Studie (Comprehensive Assessment of Long-term Effects of Reducing Intake of Energy), dass auch eine moderate Einschränkung der Kalorienzufuhr relevante Effekte hat, die sich auch auf die Lebenserwartung auswirken könnten. Dies berichtet ein Team um Olga Spadaro von der Yale School of Medicine in New Haven im Fachjournal »Science«. Demnach verbessert eine etwa 14-prozentige Kalorienrestriktion über zwei Jahre bei gesunden Menschen unter anderem die Thymopoese, die Reifung von T-Zellen im Thymus. Diese Effekte korrelieren mit der Mobilisierung von intrathymischen ektopischen Lipiden.
Die Thymusdrüse altert schneller als andere Organe. Wenn ein gesunder Erwachsener das 40. Lebensjahr erreicht, sind bereits 70 Prozent des Thymus verfettet und funktionsunfähig. Mit zunehmendem Alter produziert der Thymus dann immer weniger T-Zellen. Somit ist die Beobachtung, dass auch durch eine moderate Kalorienreduktion die Thymopoese verbessert wird, ein wichtiges Resultat auch mit Blick auf eine Verlängerung der Lebenserwartung. Denn je älter man wird, desto mehr macht sich das Fehlen neuer T-Zellen bemerkbar, da die verbliebenen T-Zellen nicht mehr in der Lage sind, neue Krankheitserreger zu bekämpfen.
Das sei einer der Gründe, warum ältere Menschen ein höheres Krankheitsrisiko haben, äußert sich Professor Dr. Vishwa Deep Dixit, Seniorautor der Studie, gegenüber dem Nachrichtenportal »Genetic Engineering & Biotechnology News«. »Es gibt so viele Debatten darüber, welche Art von Ernährung besser ist – wenig Kohlenhydrate oder Fett, mehr Eiweiß, intermittierendes Fasten und so weiter«, sagt Deep Dixit. CALERIE sei eine sehr gut kontrollierte Studie, die zeige, dass eine einfache Kalorienreduzierung und keine spezifische Diät eine bemerkenswerte Wirkung in Bezug auf die Biologie und die Verschiebung des immun-metabolischen Zustands in eine Richtung hat, die der menschlichen Gesundheit zuträglich sei. »Vom Standpunkt der öffentlichen Gesundheit aus betrachtet, macht sie also Hoffnung.«
Befürchtungen, dass eine so drastische Wirkung auf den Thymus auch Auswirkungen auf die Funktion anderer vom Thymus produzierter Immunzellen haben könnte, bestätigten sich nicht. Dies zeigten die Wissenschaftler durch Analysen des Transkriptoms der CD4+-T-Zellen, das durch die Kalorienreduktion nicht verändert war.
Durch die Einschränkung der Kalorienzufuhr wird zudem ein zentrales Transkriptionsprogramm in adipösem Gewebe aktiviert, das vor allem die Immunfunktion fördert. Involviert sind hier die mitochondriale Bioenergetik und die Kontrolle entzündungshemmender Reaktionen. Auch davon sind Effekte mit Blick auf Langlebigkeit zu erwarten.