Meningokokken-Impfstoff auch gegen Gonorrhö wirksam? |
Christina Hohmann-Jeddi |
14.04.2022 16:38 Uhr |
Die Neisseria-Arten, sowohl der Meningitis- als auch der Gonorrhö-Erreger, treten als Diplokokken auf, also als Bakterien-Pärchen. / Foto: Adobe Stock/Giovanni Cancemi
Bei Gonorrhö handelt es sich um eine sexuell übertragbare Erkrankung, die von dem gramnegativen Bakterium Neisseria gonorrhoeae ausgelöst wird und unbehandelt zu schwerwiegenden Folgen wie Unfruchtbarkeit bei Frauen führen kann. Noch gibt es keine Schutzimpfung gegen den Erreger und auch die therapeutisch eingesetzten Antibiotika verlieren aufgrund von zunehmenden Resistenzen zum Teil ihre Wirksamkeit. Einen gewissen Schutz gegen Gonorrhö scheinen Meningokokken-Impfstoffe zu bieten, wie einzelne Studien schon in der Vergangenheit nahegelegt hatten. Bei Meningokokken handelt es sich um Bakterien der Art Neisseria meningitidis, die zur gleichen Gattung wie die Gonokokken gehören und vor allem Hirnhautentzündung auslösen.
Diesen Kreuzschutz haben jetzt mehrere Forschergruppen in Beobachtungsstudien genauer analysiert. Ein Team um Dr. Winston E. Abara von den US-amerikanischen Centers for Disease Control and Prevention (CDC) wertete Daten von Personen im Alter von 16 bis 23 Jahren aus New York City und Philadelphia von 2016 bis 2018 nach Diagnosen von Gonorrhö und Chlamydien-Infektionen aus. Gleichzeitig wurde der Impfstatus zum Meningokokken-Schutz ermittelt. Die Ergebnisse publizierte das Team aktuell im Fachjournal »The Lancet Infectious Diseases«.
Demnach wurden bei fast 110.000 Personen 167.000 Infektionen entdeckt, davon 18.100 Gonokokken-, 124.900 Chlamydien-Infektionen und 24.700 Koinfektionen. Insgesamt 7692 dieser Personen hatten eine Meningokokken-Impfung mit einem quadrivalenten Impfstoff gegen Meningokokken vom Serotyp B (4CMenB) erhalten. Etwa 52 Prozent waren einmal und 47 Prozent mit zwei Dosen vollständig geimpft. 1 Prozent hatte mehr als zwei Dosen erhalten. Der Analyse zufolge war eine doppelte 4CMenB-Impfung mit einem 40-prozentigen Schutz vor Gonorrhö verbunden, eine einfache Impfung schützte zu 26 Prozent.
Auch bei einem geringen Schutz könnten Meningokokken-Impfstoffe doch einen deutlichen Effekt auf die Verbreitung von Neisseria gonorrhoeae haben, sagt Erstautor Abara laut einer Mitteilung des Journals. Klinische Studien und weitere Forschung seien nötig, um diesen Kreuzschutz der Meningokokken-Impfstoffe besser zu verstehen und auch um spezielle Impfstoffe gegen Neisseria gonorrhoeae entwickeln zu können.
Zu ähnlichen Ergebnissen kommt eine weitere Beobachtungsstudie aus Südaustralien, wo ein breit angelegtes staatliches Impfprogramm mit 4CMenB läuft. In der Untersuchung analysierten Forscher um Dr. Bing Wang von der University of Adelaide als Teil eines Impfprogramms die Wirksamkeit der 4CMenB-Vakzine gegen Meningitis und Gonorrhö.
In den ersten zwei Jahren des Programms erhielten mehr als 53.000 Jugendliche und junge Erwachsene mindestens eine Dosis des Impfstoffs. Die Forscher um Wang errechneten eine Wirksamkeit des Impfstoffs von 94 Prozent gegen Meningokokken-B-Meningitis und 33 Prozent gegen Neisseria gonorrhoeae. Auch diese Daten wurden im Journal »The Lancet Infectious Diseases« publiziert.