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Bei langen Anfahrwegen oder in Regionen mit schlecht entwickeltem öffentlichem Nahverkehr müsse die Versorgung über wohnortnahe Apotheken beziehungsweise anderenfalls über ärztliche Hausbesuche sichergestellt sein. Eine wohnortnahe Versorgung sowie die Vermeidung von Sozialkontakten könne auch dadurch erreicht werden, dass die Vergabe des Substituts in staatlich anerkannte ambulante Drogenhilfeeinrichtungen verlagert wird.
Corona(Verdachts-)Fälle in häuslicher Quarantäne könnten entweder eine Verordnung zur eigenverantwortlichen Einnahme für die Dauer der Isolierung erhalten oder sollten durch einen ambulanten Pflegedienst versorgt werden. Die Medikamente müssten direkt und kontaktlos vom Botendienst der jeweiligen Apotheke an der Haus- oder Wohnungstür des Patienten ausgeliefert werden. Der regelmäßige Arzt-Patienten-Kontakt per Video auf dem Mobiltelefon könne sinnvoll sein.
Jeschke warnte im Gespräch mit der PZ, dass es zu Lieferproblemen kommen kann, wenn die Substitutionsmittel-Verordnungen zur eigenverantwortlichen Einnahme sprunghaft ansteigen. »Von Seiten der verordnenden Ärzte kann dem bei Rezepten über sieben oder mehr Tage mittels Aushändigung von jeweils nur einer Wochendosis entgegengesteuert werden«, hob er hervor.
Der Vorsitzende der Substitutions-Kommission der KV Sachsen-Anhalt verwies zudem auf den aktuellen Corona-Hilferuf der Drogen-, Aids- und Suchthilfe, der deutlich macht, dass sich ihre ambulanten Einrichtungen bereits jetzt mit existenziellen Krisensituationen von Drogenkonsumenten und Wohnungslosen konfrontiert sehen.
Infolge des täglich zunehmenden Versorgungs-Engpasses bei illegalen psychoaktiven Wirkstoffen in Großstädten wie Hamburg seien die Preise für illegale Opioide und abgezweigte Substitutionsmedikamente stark angezogen. »Betteln, Flaschensammeln, Obdachlosen-Magazine verkaufen: Herkömmliche Einkommensquellen für in prekären Verhältnissen lebende Drogenkonsumierende fallen weg«, konstatierte auch Meyer-Thompson. Eine Vielzahl von Drogenkonsumenten sei der Gefahr lebensbedrohlich verlaufender Entzugssituationen ausgesetzt.
Für Drogensüchtige werde die Pandemie mehr und mehr zur Existenzfrage – zumal viele der Konsumenten aufgrund von Begleiterkrankungen ohnehin zu den Covid-19-Risikogruppen zählen. Es müssten dringend Möglichkeiten der Unterstützung und Entzugsbegleitung sowie der temporären Substitutionsbehandlung für absolute Notfälle und hier insbesondere für nicht versicherte und obdachlose Drogenkonsumenten geschaffen werden. »Schnelle Maßnahmen zur Entlastung der Szene sind unabdingbar«, forderten auch Meyer-Thompson und Jeschke.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.