Mehr psychische Probleme im zweiten Lockdown |
Zwischen Einsamkeit und Arbeitslosigkeit oder überfordert durch Homeoffice und Homeschooling: Immer mehr Menschen geraten aus dem psychischen Gleichgewicht – und die, die ohnehin schon Depressionen hatten, leiden noch mehr. / Foto: Getty Images/Halfpoint Images
Nach der jüngsten Sondererhebung, die am Dienstag veröffentlich wurde, sind bedrückende Gefühle in der Gesamtbevölkerung deutlich höher als im Frühjahr 2020. Besonders hart aber trifft es all jene, die bereits depressiv erkrankt sind. Es gebe eine bedenklichen Zahl von Suizidversuchen, heißt es in der Studie.
Seit 2017 fragt das «Deutschland Barometer Depression», das von der Stiftung Deutsche Depressionshilfe und der Deutsche Bahn Stiftung getragen wird, regelmäßig nach der psychischen Verfassung im Land. Zuletzt wurden dafür von Mitte bis Ende Februar rund 5100 Menschen zwischen 18 und 69 Jahren repräsentativ online befragt. Der zweite Lockdown schlägt nach der Umfrage deutlich mehr Menschen auf die Psyche als der erste vor einem Jahr. Dieser begann am 22. März 2020 und wurde bereits von Ende April an nach und nach aufgehoben. Zu Verschärfungen kam es dann wieder ab Ende Oktober.
Fast drei Viertel (71 Prozent) der Bundesbürger empfinden die Situation im zweiten Lockdown als bedrückend. Im Vergleich dazu waren es im Frühjahr 2020 weniger als zwei Drittel (59 Prozent). Fast die Hälfte (46 Prozent) der Bundesbürger hält Mitmenschen für rücksichtsloser als damals (40 Prozent). Das Gefühl familiärer Belastung lag in der Umfrage mit 25 Prozent dagegen nur leicht höher als im ersten Lockdown mit 22 Prozent. Sorgen um die berufliche Zukunft gab es weiterhin bei fast einem Drittel (30 Prozent) – vor einem Jahr waren es 28 Prozent.
Für Psychiater Professor Dr. Ulrich Hegerl, Vorstandschef der Stiftung Deutsche Depressionshilfe, sind die Ergebnisse Ausdruck einer allgemeinen Demoralisierung der Bevölkerung. «Die Menschen bewegen sich nicht mehr, sie nehmen zu, liegen länger im Bett und schlafen dann nachts schlecht», sagt er. «Sie sitzen noch länger vor Bildschirmen. Das ist alles nichts, was einen aufbaut. Dazu kommen ganz normale psychische Reaktionen wie berufliche Sorgen, Ängste und häusliche Konflikte.»
Die Umfrage kommt zum selben Ergebnis wie die lange bekannte Annahme der Stiftung, nach der innerhalb eines Jahres rund 8 Prozent der erwachsenen Bevölkerung eine behandlungsbedürftige Depression haben. Das sind laut Hegerl in Deutschland rund 5,3 Millionen Menschen. Die Pandemie hat nach Hegerls Einschätzung bisher nicht zu einer massenhaften Zunahme dieser psychischen Erkrankung geführt. Habe ein Mensch jedoch eine Veranlagung zu einer Depression, könne durch die Maßnahmen gegen Corona eine depressive Krankheitsphase getriggert werden.