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Statistiken zum Welt-Aids-Tag

Mehr nicht diagnostizierte HIV-Fälle in Europa

Aus Anlass des Welt-Aids-Tags warnen führende Gesundheitsexperten davor, dass die Zahl der Menschen mit einer nicht diagnostizierten HIV-Infektion in Europa wächst.
dpa
PZ
30.11.2022  16:45 Uhr

Fehlende Diagnosen bedeuteten, dass Hunderttausende Menschen nicht die Versorgung erhielten, die sie benötigten, teilten die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und die EU-Gesundheitsbehörde ECDC am Mittwoch in einem gemeinsamen Bericht mit. Es habe einen starken Rückgang bei den gemeldeten Fällen im ersten Corona-Jahr 2020 gegeben und auch 2021 sei die Zahl der gemeldeten Neudiagnosen in der WHO-Region Europa fast 25 Prozent unter dem Vor-Pandemie-Niveau geblieben.

Es bestehe dringender Bedarf, das Testen auf HIV schnellstmöglich auszuweiten. «Ohne regelmäßige HIV-Tests für die am stärksten Gefährdeten kann ein langer Zeitraum zwischen der HIV-Infektion und -Diagnose vergehen», warnte ECDC-Direktorin Dr. Andrea Ammon. Späte Diagnosen erhöhten das Risiko schwerer Erkrankungen und sogar von Todesfällen. Der WHO-Regionaldirektor Dr. Hans Kluge betonte, weiterhin weit verbreitete Stigmatisierungen hielten Menschen davon ab, sich testen zu lassen. Dies gefährde das Ziel, Aids bis 2030 ein Ende zu bereiten.

Das Bild, das die Experten von der HIV-Situation in Europa zeichnen, ist zweigeteilt. So blieb die vermutete Zahl der neuen HIV-Infektionen in der 50 Länder umfassenden WHO-Region Europa im Zeitraum 2018 bis 2021 Schätzungen zufolge unverändert, immer mehr Fälle blieben aber unter dem Radar. Für den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR), zu dem die EU, Norwegen, Liechtenstein und Island zählen, gebe es im Gegensatz dazu Hinweise, dass die Zahl der Menschen mit unentdeckter Infektion wahrscheinlich zurückgeht.

Nach ECDC/WHO-Angaben wurden im Lauf der vergangenen vier Jahrzehnte HIV-Infektionen bei mehr als 2,3 Millionen Menschen in der WHO-Region Europa nachgewiesen und gemeldet. Fast 590.000 davon lebten im EWR; der Großteil der Fälle betrifft vor allem den Osten der Region.

HIV-Neuinfektionen: Stagnation in Deutschland

Die angenommene Zahl der HIV-Neuinfektionen in Deutschland stagniert. Das Robert-Koch-Institut (RKI) schätzt für 2021, dass sich so viele Menschen neu mit dem Virus ansteckten wie im Jahr zuvor: jeweils etwa 1800. «Die Zahl der Neuinfektionen liegt so niedrig wie zuletzt vor zwei Jahrzehnten», teilte das RKI zu einem am Donnerstag veröffentlichten Bericht mit. Die Entwicklung wird jährlich neu abgeschätzt, da HIV oft erst Jahre nach der Ansteckung diagnostiziert wird.

Ähnlich wie auf europäischer Ebene ist laut RKI bei den aktuellen Berechnungen nicht ausgeschlossen, dass die Ergebnisse besser erscheinen, als sie tatsächlich sind. Der Grund dafür ist, dass sich in der Pandemie möglicherweise weniger Menschen testen ließen. «Unabhängig davon: Diese Fallzahlen sind immer noch zu hoch, es bedarf weiterer Anstrengungen, vor allem um die zielgruppenspezifischen Testangebote und den Zugang zu Therapie und Prophylaxe zu verbessern», zitierte das RKI seinen Präsidenten Professor Dr. Lothar Wieler in der Mitteilung.

96 Prozent der Menschen mit HIV-Diagnose erhielten voriges Jahr laut dem Papier eine antivirale Therapie. «Bei fast allen Behandelten ist die Behandlung erfolgreich, so dass sie nicht mehr infektiös sind.» In erster Linie werde das Virus durch Menschen übertragen, die noch nichts von ihrer HIV-Infektion wissen, hieß es. Deren Anzahl schätzt das RKI hierzulande auf rund 8600.

Die Deutsche Aidshilfe forderte, unter anderem Engpässe in der Drogenhilfe und bei der Versorgung mit medikamentöser HIV-Prophylaxe (PrEP) zu beseitigen, um die Zahlen weiter zu senken. Nach Spitzenwerten in den 1980er-Jahren mit teils mehr als 5000 jährlichen Neuinfektionen waren die Zahlen bis Ende der 1990er deutlich gesunken. Es kam dann jedoch zu einem Wiederanstieg bis circa 2007, danach stagnierten die Werte einige Zeit bei um 2500. Das RKI spricht nun von einem Rückgang seit 2016.

UNAIDS: Ungleichheiten verhindern das Ende von Aids

Ungleichheiten seien der Hauptgrund für die mangelnden Fortschritte im weltweiten Kampf gegen HIV, erklärte das UN-Programm für die Bekämpfung von Aids (UNAIDS) in einer Analyse zum Welt-Aids-Tag am 1. Dezember. Dabei gehe es vor allem um geschlechtsspezifische Ungleichheiten, Ungleichheiten bei Schlüsselgruppen wie Homosexuellen und Ungleichheiten zwischen Kindern und Erwachsenen.

Angesichts des derzeitigen Trends könnten die vereinbarten globalen Ziele nicht erreicht werden, so UNAIDS. Bis 2030 hatte man erreichen wollen, dass 95 Prozent der HIV-infizierten Menschen ihren Status kennen. Davon sollten 95 Prozent eine Therapie erhalten und wiederum 95 Prozent davon sollten unter antiviraler Therapie einen Abfall der Viruslast unter die Nachweisgrenze erreichen, was eine Übertragung des Virus viel unwahrscheinlicher macht.

In bestimmten Regionen, in denen HIV weit verbreitet sei, hätten Frauen etwa aufgrund von Gewalt durch Intimpartner eine bis zu 50 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit, sich mit HIV zu infizieren, heißt es in der Analyse. In 33 Ländern weltweit konnten demnach zwischen 2015 und 2021 nur 41 Prozent aller verheirateten Frauen im Alter von 15 bis 24 Jahren eigene Entscheidungen über ihre sexuelle Gesundheit treffen. Ansteckungen bei Frauen in Afrika südlich der Sahara machten im Jahr 2021 rund 63 Prozent aller HIV-Neuinfektionen in der Region aus, wie es weiter hieß. Mädchen und junge Frauen im Alter von 15 bis 24 Jahren infizierten sich dreimal häufiger mit HIV als Jungen und junge Männer dieser Altersgruppe. 

Kinder hätten zu wenig Zugang zu lebensrettenden Medikamenten, mahnte UNAIDS auch. Während weltweit mehr als drei Viertel der HIV-infizierten Erwachsenen eine antiretrovirale Therapie erhielten, werde nur gut die Hälfte aller HIV-infizierten Kinder dementsprechend behandelt. Folglich sei der Prozentsatz Aids-bedingter Todesfälle bei Kindern vergleichsweise hoch.

Eine weitere Hürde zur Beendigung von Aids sei Diskriminierung, hieß es von dem UN-Programm weiter. Bei den Neuinfektionen unter homosexuellen Männern gebe es vor allem in Afrika südlich der Sahara keinen signifikanten Rückgang. Weltweit kriminalisierten nach Angaben von UNAIDS noch immer fast 70 Länder gleichgeschlechtliche sexuelle Beziehungen. Sexarbeiter in Ländern, in denen ihre Arbeit kriminalisiert sei, hätten aufgrund von Diskriminierung eine siebenmal höhere Wahrscheinlichkeit, sich mit HIV zu infizieren als in Ländern, in denen Sexarbeit legal oder teilweise legalisiert sei.

Finanzielle Engpässe machten es schwer, Ungleichheiten anzugehen, so UNAIDS. Im Vorjahr hätten in Ländern mit niedrigen und mittleren Einkommen acht Milliarden Dollar (7,7 Milliarden Euro) für HIV-Programme gefehlt. In dem Jahr starben demnach rund 650.000 Menschen an Aids, etwa 1,5 Millionen Menschen infizierten sich mit HIV. 

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