Labore versprechen sich von Apotheken keine Entlastung |
Labore am Limit: Weil die Infektionszahlen in die Höhe schießen, steigt auch die Zahl der Laboranalysen exorbitant. Die Labore schlagen jetzt Alarm. Doch werden Apotheken in den kommenden Wochen wohl kaum Abhilfe schaffen können. / Foto: Adobe Stock/tilialucida
Die Coronavirus-Pandemie bringt so ziemlich alles an seine Grenzen. Akut im Fokus sind die fachärztlichen Labore, die wegen der extrem hohen und wohl noch steigenden Probenanzahl den PCR-Testanalysen kaum noch hinterherkommen. Die Labore schlagen schon länger Alarm und haben am heutigen Dienstag bei einer Pressekonferenz erneut vor einem folgenschweren Zusammenbruch gewarnt, wenn die Zahl der PCR-Tests nicht schleunigst reduziert werde.
»Wir haben unsere Testkapazitäten seit dem vergangenen Oktober um 25 Prozent gesteigert, aber das kann nicht unendlich so weiter gehen«, sagte der ALM-Vorstandsvorsitzende Michael Müller. Der Laboratoriumsmediziner betonte, allein in der vergangenen Woche hätten die Labore 1,9 Millionen PCR-Tests ausgewertet – »ein Allzeithoch«, das zusätzlich zu den üblichen Diagnostiken, etwa bei Diabetes, Leukämie oder auch bei Dialysepatienten – noch on top komme.
Etwa jeder vierte PCR-Test sei positiv gewesen. Für die laufende Kalenderwoche hätten die Labore nach eigener Einschätzung Kapazitäten für etwa 2,5 Millionen PCR-Tests – angesichts explodierender Infektionszahlen sei dies schnell überschritten, so Müller. Es gelte also, die Zahl der Tests zu reduzieren. »Das Prozedere muss rasch an die Ziele der nationalen Teststrategie angepasst werden, es muss also gezielter und priorisiert getestet werden«, so Müller. Die Belastungsgrenze der Labore sei »erreicht und teilweise auch deutlich überschritten«. Sinnvoll sei zum Beispiel, bei Gruppenausbrüchen nicht alle Beteiligten mit PCR-Diagnostik zu testen und insgesamt zu schauen, wo auf PCR verzichtet und stattdessen auf einen PEI-gelisteten und korrekt durchgeführten Antigentest ausgewichen werden könne. Etwa sei ein PCR-Test für Symptomlose nicht nötig, ergänzte ALM-Vorstandsvize Professor Jan Kramer.
Dass die Apotheken, die seit der vergangenen Woche in den Offizinen PCR-Tests ohne Fremdlaboranalyse durchführen dürften, hierbei eine Entlastung bieten könnten, glauben Müller und seine Vorstandskollegen allerdings nicht. Evangelos Kotsopoulos etwa, ALM-Vorstandsmitglied sowie CEO und Geschäftsführer von Sonic Healthcare Germany, erklärte auf PZ-Anfrage, dass die mobilen Geräte, die Apotheken für die PCR-Analyse nutzen dürften, schlicht und ergreifend zu langsam seien. »Damit ist keine signifikante Entlastung zu erwarten«, so Kotsopoulos. Die PoC-NAT-Testsysteme, die laut der jüngsten Version der Coronavirus-Testverordnung dafür vorgesehen sind, seien »nicht dafür gemacht, Hunderttausende von Menschen ins System zu bringen«. Die Geräte schafften »zwei bis drei, in Ausnahmen bis zu sechs Tests pro Stunde«. Dies könne nicht dabei helfen, die Engpässe in den Laboren signifikant zu bekämpfen, so Kotsopoulos. Allenfalls könnten sie hilfreich sein, wenn es um ein schnelles PCR-Testergebnis gehe. »Hier könnten sie in der Tat eine Unterstützung darstellen.« Aber dies seien einzelweise Testungen, die eben nicht in großem Stil effizient seien.
Der ALM-Vorstandsvorsitzende Müller ergänzte, die PCR-Analyse gehöre »in fachkundige Hände, die dafür ausgebildet sind«. Das seien Apothekerinnen und Apotheker nun einmal nicht. Zudem komme es gerade bei den genannten mobilen Systemen immer wieder zu falsch negativen Ergebnissen, selbst bei symptomatischen Patientinnen und Patienten. »Hier braucht es eine Qualitätssicherung, und die ist mit damit nicht gegeben«, so Müller. Ansonsten würde viel Vertrauen verspielt.
Zudem kommt für die diesbezügliche flächendeckende Einbindung der Apotheken ein weiteres Hindernis hinzu. Die PoC-NAT-Testgeräte, die in Apotheken zum Einsatz kommen können, kosten zwischen 4000 und 10.000 Euro je Gerät. Auf dem Markt gibt es beispielsweise das »ID NOW™ PoC-Testgerät (NAT)« von Abbott, das rund 3500 Euro in der Anschaffung kostet. Credo Diagnostics bietet ein ähnliches Gerät an, das allerdings mehr als 5000 Euro kostet. Auch eine Kooperation zwischen den Firmen Viromed, Nanorepro und Medsan Biotech bietet ein Analysegerät mit dem Namen »ultraSBMS16 VitaLab PCR« für mehr als 9000 Euro an. Eine etwas größere Version davon, die statt 16 auch 24 Tests gleichzeitig analysieren kann, kostet mehr als 10.000 Euro. Letztere Geräte, die viele Tests auf einmal poolen können, lohnen sich für Apotheken aber oftmals nicht.
Neben den Anschaffungskosten für die Geräte kommen auch die Kosten für die einzelnen Tests hinzu. Diese liegen zwischen 15 bis 40 Euro je Test inklusive etwa Pufferlösungen. Zudem ist die Bedienung der Testgeräte relativ personalintensiv, weiß etwa die Apothekerin Gesine Senecal von der Zentral-Apotheke in Karlsruhe. »Eine Personalkraft ist für einen Test etwa eine halbe Stunde beschäftigt«, sagte sie der PZ.
Der Gesetzgeber hat aber mit der Aktualisierung der Coronavirus-Testverordnung geregelt, dass unter anderem Apotheken für diese Art von Tests mit 30 Euro je PCR-Test vergütet werden können. Aufgrund der hohen Kosten sei dies aber nicht machbar, betonte Senecal gegenüber der PZ. Die Zentral-Apotheke bietet die Tests wie einige andere Apotheken auch nur als Selbstzahlerleistung für private Zwecke an. Diese PCR-Tests, die in wenigen Stunden ein Ergebnis bieten, kosten damit aber auch zwischen 60 und 100 Euro. Wenn die Vergütung weiter bei 30 Euro bleibt, dann sei dies nicht einmal kostendeckend, so Senecal. Auch aus diesem Grund können die Apotheken derzeit kaum Abhilfe für die Labore schaffen und PCR-Tests etwa für die Bestätigungsdiagnostik nach positiven Schnelltests oder im Auftrag von Gesundheitsämtern durchführen.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.