Kultursensible Betreuung gefragt |
Sven Siebenand |
27.10.2021 16:08 Uhr |
Sprachbarrieren können ein Grund sein, warum das Diabetes-Management bei Menschen mit Migrationshintergrund erschwert ist. Viele Blutzuckermessgeräte lassen sich glücklicherweise auf andere Sprachen, etwa Türkisch, einstellen. / Foto: PZ/Siebenand
Bei einer Presseveranstaltung der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) betonte Professor Dr. Werner Kern, Ärztlicher Leiter des Endokrinologikums in Ulm, wie wichtig es ist, sich interkulturelle Kompetenzen anzueignen, um Menschen mit Migrationshintergrund im Umgang mit Typ-2-Diabetes gut betreuen zu können. In einer begleitenden Pressemitteilung der DDG wird darauf verwiesen, dass Menschen mit Migrationshintergrund je nach Herkunftsregion deutlich häufiger, früher und stärker von Typ-2-Diabetes betroffen sind als die restliche Bevölkerung. Viele der Migranten hierzulande stammen aus der Türkei, Polen, Russland oder aus Nordafrika – Regionen, bei denen in den nächsten Jahren mit einer besonders hohen Zunahme der Inzidenz an Diabetes gerechnet wird, nennt die DDG ein weiteres wichtiges Argument, sich spezielle Kompetenzen für die Betreuung der Betroffenen anzueignen.
Menschen mit Diabetes und Migrationshintergrund sind häufig unzureichend versorgt, bilanzierte Kern. Dafür könne es verschiedene Gründe geben: Aus Angst durch Krankschreibungen oder andere medizinische Maßnahmen den Arbeitsplatz zu verlieren, würden Besuche in der Arztpraxis und Vorsorgeuntersuchungen von den Betroffenen oft nicht wahrgenommen. Die Folge: Ein Diabetes bleibe möglicherweise lange unentdeckt und unbehandelt. Bei bereits diagnostiziertem Diabetes bleiben gegebenenfalls andere Risikofaktoren, etwa eine Hypertonie, unbehandelt oder unentdeckt.
Kern informierte auch über ein anderes Krankheitsverständnis in manchen Kulturen. Mitunter werde eine Krankheit als Schicksal des Betroffenen gesehen, welches er zu ertragen habe. Auch religiöse Einflüsse spielten eine Rolle. Als Beispiel nannte der Mediziner den Fastenmonat Ramadan im Islam. Hier gelte es bereits im Vorfeld abzuklären, ob jemand fasten will oder nicht. Schließlich ist vor allem bei Menschen, die Insulin spritzen oder auch jenen, die etwa ein Sulfonylharnstoff einnehmen, das Risiko für Unterzuckerungen erhöht.
Eine weitere Barriere im Management von Typ-2-Diabetes können laut Kern grundsätzlich die Ernährungsgewohnheiten in anderen Kulturen sein. Mitunter gebe es kohlenhydratlastige Speisen, die hierzulande kaum bekannt seien. Eine adäquate Ernährungsberatung sei dann nicht möglich. Ferner komme hinzu, dass die eigene sportliche Aktivität in manchen Kulturen weniger verhaftet sei.
Last, but not least können Sprachbarrieren ein großes Problem darstellen. Häufig würden wichtige Aspekte aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse von Betroffenen nicht thematisiert. Manchmal komme es auch dazu, dass zum Beispiel Angehörige komplexe medizinische Zusammenhänge nicht richtig übersetzen können und dadurch Informationen verloren gehen, so Kern in der Pressemitteilung.