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Atopisches Ekzem

Krankheitskontrolle als Therapieziel

»Für viele Eltern hat die Diagnose eines atopischen Ekzems Schicksalscharakter, aber das ist nicht berechtigt«, erklärte Professor Dr. Peter Höger, Hamburg, beim Pharmacon Schladming. Er plädierte für eine Pathogenese-orientierte Therapie und lehnte Homöopathie rundheraus ab.
Brigitte M. Gensthaler
16.01.2023  15:00 Uhr

Neben infektiösen Hauterkrankungen haben Ekzeme wie das atopische Ekzem (AE, atopische Dermatitis, »Neurodermitis«) eine große Bedeutung in der Kinderdermatologie. Mit einer Prävalenz von 15 Prozent im Säuglingsalter ist es die häufigste chronisch-inflammatorische Hautkrankheit bei Kindern, informierte der Chefarzt vom Katholischen Kinderkrankenhaus Wilhelmstift, Hamburg.

Das AE zeigt sich bei Säuglingen oft zuerst im Gesicht. Warum? Auslaufender Speichel mit pH 7,4 trifft auf eine unreife Hautbarriere mit wenig Schutzfaktoren und löst eine Irritation aus. Hinzu kommt die Inflammation. Typisch für das AE ist eine gestörte Hautbarriere. »Ein AE ist immer genetisch bedingt«, betonte der Kinderdermatologe. Inzwischen sind mehr als 30 Gene bekannt, die den Barrieredefekten und überschießenden Entzündungseffekten zugrunde liegen.

Man unterscheidet drei Verlaufsarten: früher Beginn und Remission, früher Beginn und Persistenz (etwa 20 Prozent der erkrankten Kinder) und  später Beginn und Remission. Eine schwere AE belastet die Lebensqualität der Kinder erheblich, laut Studien in ähnlichem Ausmaß wie eine chronische Nierenerkrankung oder zystische Fibrose.

Höger plädierte für eine Pathogenese-orientierte Therapie, die so früh wie möglich beginnen sollte, und warnte vor vermeintlichen Alternativen. Homöopathie halte er für »Scharlatanerie« bei AE und rief die Apotheker nachdrücklich dazu auf, dies nicht mitzumachen.

Konsequente Pflege plus entzündungshemmende Lokaltherapie

Wichtigste Maßnahme ist die Therapie der gestörten Hautbarriere. Die Pflege, zum Beispiel mit Harnstoff-haltigen Externa (bei Kleinkindern kein Urea, sondern Glycerin), verbessere die Hydratation des Stratum corneum, verringere den transepidermalen Wasserverlust und reduziere den Ekzem-Score, berichtete Höger. Dazu muss die externe Pflege ausreichend dosiert sein. Zum Beispiel brauche ein zwölfjähriger Junge mit schwerem AE 200 bis 500 g Pflegemittel/Woche. Muss man die Basispflege  wechseln? Ja, zum Beispiel beim Wechsel der Jahreszeiten oder bei Kontaktallergie. »Aber es gibt kein Unwirksamwerden einer Basispflege.«

Zweite Säule ist die antiinflammatorische Lokaltherapie mit topischen Corticoiden oder Calcineurin-Inhibitoren. Corticoide müssten in angepasster Wirkstärke verordnet werden. »Niemals bei Kindern ein Klasse-1- oder -4-Steroid anwenden.« Geeignet seien zum Beispiel Hydrocortisonbuteprat, Prednicarbat und Methylprednisolon. Corticoide dürfen nicht im Gesicht eingesetzt werden – unter anderem wegen der Gefahr einer steroidinduzierten Rosazea. Ein großes Problem sei die weitverbreitete Corticophobie der Eltern.

Eine Alternative bieten Calcineurin-Inhibitoren wie Tacrolimus und Pimecrolimus, die auch im Gesicht aufgetragen werden dürfen. Pimecrolimus darf ab dem dritten Lebensmonat eingesetzt werden, Tacrolimus ab dem zweiten Lebensjahr. Langzeitstudien hätten eine hohe Sicherheit gezeigt.

Höger plädierte für eine proaktive Therapie mit Corticoiden und Calcineurin-Inhibitoren, um Entzündungsschüben zuvorzukommen. »Unser Ziel ist die Krankheitskontrolle.« Dazu werden die Topika nach Abklingen der akuten Entzündung nicht komplett abgesetzt, sondern nur noch zwei- oder dreimal pro Woche aufgetragen. Damit könne man die Schubfrequenz deutlich reduzieren.

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