Kosten für Krebstherapien bald nicht mehr beherrschbar |
Selbst so gut ausgestattete Gesundheitswesen wie in Deutschland, USA und der Schweiz würden mit dem rapiden Anstieg der Krebs-Neuerkrankungen in den kommenden Jahren nicht fertig werden können, sagt DKFZ-Chef Baumann. / Foto: Getty Images/SimpleImages
Die Erfolge der kurativen Medizin dürften nicht über die hohe Zahl von Krebs-Neuerkrankungen hinwegtäuschen, betonte der Vorstandsvorsitzende des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), Professor Dr. Michael Baumann, anlässlich des Weltkrebstages am 4. Februar. «Es fehlt an evidenzbasierten, kosteneffektiven und flächendeckenden Präventionsangeboten.»
Nach Angaben des Leiters des Heidelberger Instituts erkranken bundesweit noch immer 500.000 Menschen im Jahr neu an Krebs, 200.000 sterben daran. In Deutschland werde die Zahl der Neuerkrankungen bis Ende dieses Jahrzehnts auf 600.000 pro Jahr wachsen. Weltweit werde sich die Zahl der Neudiagnosen von 19,3 Millionen im Jahr 2020 bis 2030 auf 30 Millionen erhöhen.
Zwar lebten 65 Prozent der Tumorpatienten (ohne Gebärmutterhals- und Hautkrebs) mindestens fünf Jahre nach der Krebsdiagnose, sie seien damit aber nicht vor Rückfällen geschützt. Insgesamt lebten in Deutschland vier Millionen Menschen mit und nach Krebs, so Baumann.
Zu den jährlich zwölf Millionen verlorenen Lebensjahren durch Autounfälle, Gewalt, Herz-Kreislauferkrankungen tragen bösartige Neubildungen vier Millionen Lebensjahre bei. Diese Zahl zeige, dass Krebs nicht nur eine Krankheit sei, die im hohen Alter bei einer nur noch geringen Lebenserwartung auftrete, sondern die auch in jüngerem Alter zum Tod führen könne. «Selbst so gut ausgestattete Gesundheitswesen wie in Deutschland, USA und der Schweiz werden damit nicht fertig werden können.»
Die erschreckende Entwicklung könne nur gestoppt werden, wenn massiv in den Bereich «Nicht-Krebs-Kriegen» investiert werde. Politik und Gesellschaft müssten für das Thema sensibilisiert werden. Dieses scheine wegen der langen Zeit bis zu spürbaren Erfolgen wenig interessant zu sein. Baumann betonte hingegen: «Prävention muss langfristig gedacht werden.»
Als wichtiges und in Deutschland unterschätztes Instrument der Prävention nannte Baumann die Impfung gegen Humane Papillomviren (HPV), die – im Jugendalter verabreicht – vor Gebärmutterhals-, Penis- und Analkrebs schützen kann. In Deutschland seien nur etwa 40 Prozent aller Jugendlichen geschützt.
Ähnlich wie bei der Behandlung bereits erkrankter Menschen müsse auch die Prävention stärker individualisiert werden. Die Vorbeugung müsse sich an speziellen Risikofaktoren eines Menschen orientieren, wie Rauchen, ungesunde Ernährung, Übergewicht, hoher Alkoholkonsum oder Bewegungsmangel. Rund 40 Prozent aller Krebs-Neuerkrankungen könnten vermieden werden, wenn die Menschen krebsfördernde Verhaltensweisen aufgäben.
Bei der Früherkennung spielen digitale Angebote demnach eine immer größere Rolle. So soll bei einer der häufigsten, zugleich aber rückläufigen Krebserkrankungen, dem Darmkrebs, der Zugang mittels Smartphone erleichtert werden. Dabei wird die Stuhlprobe auf eine Testkassette aufgetragen, die sich abhängig vom Hämoglobinwert mehr oder weniger rot färbt. Das Ergebnis wird abfotografiert und über eine App an den Hausarzt verschickt, so die Vorstellung der DKFZ- Forscher, die derzeit eine Studie zu dem Thema auswerten. Weiteres Beispiel für künstliche Intelligenz in der Früherkennung ist eine federführend am DKFZ entwickelte Hautscreening-App, die Auffälligkeiten präziser und früher diagnostiziert als bislang. Unnötige Biopsien würden dadurch vermieden.