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Plenumsdebatte zu FDP-Antrag

Koalition gegen beschleunigte Zulassung von Selbsttests

Damit schnell eine große Anzahl von Selbsttests auf den Markt kommen kann, fordert die FDP ein vereinfachtes Zulassungsverfahren. Die Koalition sieht dazu keine Veranlassung, wie die Plenumsdebatte heute verdeutlicht hat.
Ev Tebroke
25.02.2021  15:34 Uhr

Am 3. März wollen Bund und Länder über konkrete Öffnungsstrategien beraten. Eine zentrale Rolle bei einer möglichen partiellen Lockerung von Corona-Beschränkungen spielen dabei die Antigen-Schnelltests. Neben der Möglichkeit, sich in Apotheken, Testzentren und Arztpraxen testen zu lassen, soll sich jeder auch mittels Selbsttests auf das Coronavirus testen können. Bislang sind hierzulande allerdings erst drei Tests von der zuständigen Behörde zugelassen und damit marktfähig.

Bis diese für die Bürger erhältlich sind, wird es aber noch einige Tage dauern, denn die Hersteller haben erst jetzt mit der Produktion begonnen. Auch gibt es noch keine klare Strategie, wie mit den Produkten umgegangen werden soll. Der FDP-Bundestagsfraktion geht das alles zu langsam. In einem Antrag unter Federführung von FDP-Gesundheitspolitiker Andrew Ullmann fordert sie eine vereinfachte Zulassung solcher Selbsttests, um diese möglichst schnell flächendeckend und im großen Stil einsetzen zu können. Die FDP sieht diese Schnelltests als vorrangige Möglichkeit aus dem Lockdown herauszukommen und den Bürgern wieder mehr Normalität zu ermöglichen.

In ihrem Antrag schlägt die Fraktion vor, den Herstellern von Selbsttests einen vereinfachten Marktzugang zu ermöglichen. Sie sollen über eine Selbstverpflichtung bestätigen, »dass bei Eigenanwendung ein entsprechendes Sicherheits- und Leistungsniveau erreicht wird, und dass die Funktionstauglichkeit und die Einsatztauglichkeit für den geplanten Zweck gewährleistet ist«. Erst im Anschluss sollten die so inverkehrgebrachten Tests schnellstmöglich ein Post-hoc-Zulassungsverfahren durchlaufen mitsamt einer Konformitätsbewertung durch die benannten Stellen. Vorbild für dieses vereinfachte Verfahren ist Österreich. Dort sind bereits über 250 Selbsttest-Anbieter auf dem Markt. Mit einer massiven Ausweitung dieser Tests waren Lockerungen in bestimmten gesellschaftlichen Bereichen möglich, wie etwa Friseurbesuche. Für Andrew Ullmann wäre so ein schnelles und einfaches Öffnungsmodell verfügbar und ein »sicherer Weg aus dem Lockdown«, wie er heute bei einer Bundestagsaussprache zu dem Antrag betonte.

Selbsttests als »Gamechanger«

Rückendeckung bekommt er dabei von den Grünen. Deren Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen freut sich, dass die FDP die von den Grünen bereits vor vier Wochen in den Bundestag eingebrachte Forderung nach einem forcierten und vereinfachten Einsatz von Selbsttests nun unterstützt. Das Vorgehen der Bundesregierung bei der Teststrategie und den Zulassungsverfahren nennt er »chaotisch«. Bei den Antigentests hätte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) auch zunächst alle EU-zertifizierten Antigentests ungeprüft auf die Liste gesetzt, um sie dann im Nachhinein zu validieren und mitunter auch Tests wieder von der Liste zu streichen. Bei den Schnelltests zur Selbstanwendung dann genau das Gegenteil. Die Zulassung dauere viel zu lang und es würden immer neue, teils unnötige bürokratische Hürden aufgebaut. Die jetzt zugelassenen Selbsttests seien bereits seit Anfang Dezember vom Paul-Ehrlich-Institut validiert und als zuverlässig bestätigt, so Dahmen.

»Und wir haben es seit zwei Monaten nicht geschafft, den Menschen diese Tests als Sicherheitsbaustein zur Verfügung zu stellen.« Ihn ärgere vor allem aber auch der »mangelnde Wille« der Bundesregierung, die Selbsttests als Game Changer in der Pandemiebekämpfung einzusetzen. Mit Blick auf den aus seiner Sicht präferierten Weg der Regierung, die Schnelltests vor allem in Apotheken, Testzentren und Arztpraxen einzusetzen sagte er: Das große Potenzial dieser Tests komme nur zur Entfaltung, wenn »wir die Hürden für die Durchführung so niedrig wie möglich halten«. Menschen sollten jederzeit und überall problemlos einen Schnelltest durchführen können, so der Grünen-Politiker. Er appelliert an die Regierung, den Bürgern zu vertrauen, dass sie sich zuverlässig selber testen können.

SPD will Beratungsangebot und Apothekenpflicht

Genau dies möchte die SPD nicht. Hilde Mattheis, die ehemalige gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, freut sich zwar über die am gestrigen Mittwoch erfolgte erste Zulassung dreier Selbsttests. Das biete endlich den Einstieg in die Normalität. Das kostenlose Angebot der Eigentest als Ergänzung zu anderen Corona-Maßnahmen brauche aber ein konsequentes Konzept. Sie fordert ein Beratungsangebot für Bürger, damit diese etwa wissen, wie sie im Fall einer Positiv-Testung verfahren sollen und auch einschätzen können, dass ein Negativ-Test nicht von Verantwortung entbinde. Mattheis hält nichts davon, die Tests »bei Aldi« anzubieten. Sondern sie plädiert für die Abgabe in der Apotheke. Schüler könnten etwa mit einem Ausweis eine Wochenration abholen. Auch müssten die Apotheker wissen, wie sie abrechnen sollen. Es gehe darum, alle diese logistischen Fragen vorab zu klären. Die Eigentests müssten so implementiert werden, dass ihr Einsatz bei der Bevölkerung Vertrauen erweckt. Auch brauche es eine Priorisierung. Kinder müssten die Tests morgens neben der Zahnbürste liegen haben. Dafür brauche es aber eine hohe Testkapazität und das müsse vorab gesichert sein. »Ich möchte nicht, dass dieser wichtige Public-Health-Ansatz dadurch zerstört wird, dass wir das politisch nicht vorausblickend planen und organisieren.«

So sieht es auch die Linkspartei. Sie begrüßt zwar die geplante Einführung kostenloser Schnelltests und rügt die Regierung scharf wegen der erneuten Verzögerung. Den von der FDP gewünschten Weg der vereinfachten Zulassung nennt Achim Kessler aber »verantwortungslos« und lehnt ihn grundlegend ab. Offensichtlich gehe es der Partei nicht um den Schutz der Menschen, sondern um Wirtschaftsförderung.

Union: Tests sind Ergänzung aber kein Weg aus der Pandemie

Die Union ist ebenfalls gegen eine vorschnelle vereinfachte Zulassung von Eigentests. Rudolf Henke (CDU) erachtet eine nach der Medizinprodukte-Verordnung vorgeschriebene Zulassung als wichtig, damit ein Test wirklich als sicher einzustufen ist. Qualitätsanforderungen an Medizinprodukte sollten auch in einer Pandemie nicht fahren gelassen werden, mahnt er. Zudem hält er vom Prinzip Freitesten aus dem Lockdown nicht viel. Das sei immer eine Momentaufnahme. Er warnt davor, durch die Selbsttests bei der Bevölkerung zu hohe Erwartungen zu wecken. Zudem sei es bei der Anwendung wichtig, das Ergebnis richtig interpretieren zu können. »Diese Beratung ist sicherzustellen«, fordert der stellvertretende Vorsitzende des Gesundheitsausschusses des Bundestags.

Unionskollege Stefan Pilsinger (CSU) stellt ebenfalls klar: »Auch mit Selbsttests sind keine Lockerungen möglich.« Er verwies auf England und die dort stark angestiegene Infektionsrate durch die Mutationen. »Auf ungezielte Massentests zu bauen, um aus dem Lockdown zu kommen, ist gefährlich.« Die Tests seien sicher wirkungsvoll aber kein Allheilmittel. Zudem seien sie bei asymptomatischen Personen weniger zuverlässig. Gezielte Testungen stellten zwar ein wesentliches Mittel in der Infektionseindämmung dar. Sie seien aber kein Weg aus der Pandemie. Wichtiger sei es, auf die Impfungen zu setzen. Und der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses Erwin Rüddel (CDU) bekräftigt: »Die Gratistests für jedermann sind eine zentrale Strategie in der Pandemie-Eindämmung.« Dass Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) nun den Starttermin vom 1. März verschieben musste, sei auf Wunsch der Länder geschehen. Der Minister hätte die Teststrategie fertig gestellt und auch bereits die Finanzierungzusage erhalten. Die Länder aber hätten Erklärungsbedarf aufgrund ihrer jeweiligen Öffnungsszenarien. »Wenn wir nun am 3. März beraten, geschieht genau das, was die FDP in ihrem Antrag fordert. Die Schnelltests werden eingebettet in eine Öffnungsstrategie.«

Die AfD hält nichts von einer vermehrten Selbsttestung. Deren Gesundheitspolitiker Detlev Spangenberg verwies auf höhere Inzidenzwerte durch mehr Testungen, was wiederum erneute Restriktionen nach sich zöge. Auch würden falsch-positiv-Tests zu Verunsicherung des Betreffenden führen. Zudem sei die Pflicht zum Selbsttest mit einem Impfzwang zu vergleichen, den die AfD ablehne. Grundsätzlich will die AfD eh den Lockdown beenden und zwar ohne Selbsttests. Sie setzt vielmehr darauf, dass sich die Pandemie von allein erledigt.

 

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