Kleine Drüsen mit großer Bedeutung |
Unscheinbar, aber lebenswichtig: Die Nebennieren sitzen oben auf den Nieren. / Foto: Adobe Stock/Ben Schonewille
Gerade in Stresssituationen sind sie unverzichtbar: Die Nebennieren liegen beidseits auf dem oberen Pol der Nieren. Jedes der nahezu dreieckig geformten Organe ist nur etwa 4 x 3 x 2 cm groß und wiegt etwa 4 g. Unterschätzen darf man die Winzlinge jedoch nicht. Sie zählen zu den wichtigsten Hormondrüsen des Körpers und produzieren unter anderem das essenzielle Cortisol.
Jede Nebenniere besteht aus zwei Bereichen, die unterschiedliche Hormone synthetisieren (1). Im Inneren liegt das Nebennierenmark (NNM), das von der Nebennierenrinde (NNR) umhüllt wird. Zunächst ein Blick auf die Funktionen der NNR.
In der NNR entstehen aus der Vorstufe Cholesterol die Corticoide Aldosteron, Cortisol und Dehydroepiandrosteron (DHEA) sowie geringe Mengen Estrogen und Progesteron. Aus dem Prohormon DHEA kann der Körper unter anderem Testosteron und Estrogen herstellen.
Cortisol ist eines der wichtigsten Stresshormone und entsteht in der Zona fasciculata der NNR. In aktiver Form liegt es als Cortisol vor, das auch therapeutisch eine Rolle spielt. Das Adrenocorticotrope Hormon (ACTH) aus dem Hypophysenvorderlappen reguliert die Produktion, die tageszeitlichen Schwankungen unterliegt (circadiane Rhythmik). Morgens ist sie am höchsten und fällt dann ab. Im Blut liegt Cortisol gebunden an Cortisol-bindendes Eiweiß (CBG; Corticosteroid binding Globulin; Transcortin) vor. Seine Wirkung entfaltet das Hormon in verschiedenen Körperzellen und Organen. Entsprechend vielfältig sind die Effekte (Tabelle 1) (2, 3).
Wirkungen, Aufgaben | Mögliche Symptome bei Mangel | Mögliche Symptome bei Überschuss |
---|---|---|
Glucocorticoide: Cortisol | ||
Zuckerstoffwechsel: Zuckerneubildung in der Leber, Muskulatur: Steuerung des Eiweißumsatzes, Herz-Kreislauf: Regulation des Blutdrucks, Immunsystem: Regulation der Immunantwort, Geschlechtsfunktionen: Steuerung der Geschlechtshormone durch Einwirkung auf die Hypophyse, Fettstoffwechsel: Fettabbau, Haut: Steuerung der Hautpigmentierung über ACTH, Knochenstoffwechsel: Steuerung des Calciumgehalts im Knochen,Blutgerinnung: Steigerung gerinnungsfördernder Blutzellen | Erschöpfung, Schwächegefühl, Müdigkeit, Appetitlosigkeit, Übelkeit, Magen-Darm-Beschwerden, Gewichtsverlust, niedriger Blutzucker und Blutdruck, »Salzhunger« | Gewichtszunahme, vor allem am Körperstamm, Hamsterbäckchen, Vollmondgesicht, unregelmäßige oder ausbleibende Regelblutung, Hirsutismus bei Frauen, Akne, dünnere Haut (»Pergamenthaut«), Myopathie, Ängstlichkeit, depressive Stimmung, Diabetes mellitus, Bluthochdruck, Kaliummangel, Muskelschwäche, Osteoporose |
Mineralocorticoide: Aldosteron | ||
reguliert den Salz- und Wasserhaushalt (Na- und Wasserretention, K-Ausscheidung, Anstieg des Extrazellulärvolumens) und den Blutdruck | erhöhte Ausscheidung von Wasser und Na: Blutdrucksenkung, erhöhter Kaliumgehalt (Hyperkaliämie), Verwirrtheitszustände, Durchfall, Müdigkeit, Erbrechen, Herzrhythmusstörungen | erhöht das intravasale Volumen: erhöhter Blutdruck, verstärkte Kaliumausscheidung (Hypokaliämie), Anstieg des pH-Werts (Alkalose) |
Androgene: DHEA, DHEAS, Androstendion | ||
Umwandlung in Testosteron und Estrogen im peripheren Gewebe | erektile Dysfunktion, Libidoverlust, depressive Stimmung, Muskelabbau, Verlust an Knochensubstanz, Anämie durch verminderte Hämatopoese, verminderte Körperbehaarung und Fertilität | Symptome vor allem bei Frauen: Vermännlichung des äußeren Erscheinungsbilds, tiefere Stimmlage, Zunahme an Muskelmasse, Hirsutismus, Zyklusstörungen bis hin zur Amenorrhö |
Das Hormon Aldosteron wird in der Zona glomerulosa verstärkt bei Flüssigkeitsmangel produziert und ist an der Regulation des Blutdrucks beteiligt. Produktion und Ausschüttung sind an das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System gekoppelt. Werden die Nieren weniger stark durchblutet und sinkt das Flüssigkeitsvolumen im Organismus, aktiviert der Körper Renin, worauf die Konzentration an Angiotensin II und in der Folge auch von Aldosteron zunimmt. Angiotensin II sorgt dafür, dass der Blutdruck ansteigt (2, 3).
Schließlich produziert die NNR in der Zona reticularis auch Geschlechtshormone beziehungsweise deren Vorstufe DHEA (2).
Bei Fehlfunktionen der NNR kann ein Mangel oder auch ein Überschuss an Corticosteroiden entstehen. Fehlt dem Körper Cortisol, kann er in Stresssituationen nicht mehr angemessen reagieren. Muskelabbau, Kraftlosigkeit, Muskelschmerzen, Unterzuckerung, rasche Ermüdung, niedriger Blutdruck, Knochenschwund und Antriebslosigkeit gehören zu den Symptomen, die die Lebensqualität verschlechtern (4).
Durch den Mangel an Mineralocorticoiden leiden die Patienten an Hypotonie, Dehydratation, Hyponatriämie sowie Hyperkaliämie. Wenn bei einem totalen Ausfall der Nebenniere auch Androgene fehlen, klagen vor allem Frauen über einen Verlust an Libido und depressive Verstimmungen.
Erschöpft, müde, lustlos: Das können Symptome einer Nebennieren-Insuffizienz sein. / Foto: AOK-Mediendienst
Professor Dr. Martin Fassnacht, Leiter Endokrinologie und Diabetologie sowie des Bereichs Forschung des Zentrallabors am Universitätsklinikum Würzburg, warnt gegenüber der PZ: »Eine echte NNR-Insuffizienz ist nicht zu verwechseln mit einer Modeerscheinung, der sogenannten Nebennierenschwäche oder adrenal fatigue. Dieses Krankheitsbild gibt es aus endokrinologischer Sicht nicht. Für einzelne Patienten kann es eine Gefahr darstellen, wenn die zugrundeliegende Erkrankung, etwa eine echte NNR-Insuffizienz oder Depression, nicht erkannt wird. Von den unnötigen Kosten ganz zu schweigen.«
Die primäre Nebennierenrinden-Insuffizienz beschrieb der Arzt Thomas Addison bereits 1855. Hierbei liegt die Störung in der Nebenniere selbst. Bei der sekundären NNR-Insuffizienz löst ein Mangel des in der Hypophyse gebildeten ACTH die Fehlfunktion aus, während bei der tertiären Form hypotha- lamisch produziertes Corticotropin releasing Hormon (CRH) fehlt.
Die primäre NNR-Insuffizienz tritt in den westlichen Ländern zu über 90 Prozent autoimmun-vermittelt auf. In seltenen Fällen zerstören Infektionskrankheiten, etwa Aids oder Tuberkulose, Infarkte oder Tumoren das Gewebe der Nebenniere und führen zum Funktionsverlust (17). Bei Patienten mit einer sekundären Insuffizienz stellen Ärzte meistens einen gutartigen Tumor der Hypophyse, ein Hypophysenadenom, als Ursache fest (4, 5, 6, 7).
Auch die Anwendung von synthetischen Glucocorticoiden kann sich auf die körpereigene Produktion auswirken. Dies hänge von der Dosis und Dauer sowie der individuellen Empfindlichkeit ab, erklärt der Endokrinologe Fassnacht: »Eine perorale Gabe von 7,5 mg Prednisolon-Äquivalent über vier Wochen führt bei vielen Patienten bereits dazu, dass der Körper mit einer relevanten Einschränkung der Funktion reagiert. Je länger und je höher dosiert behandelt wird, desto gravierender und auch langanhaltender ist die Suppression der Nebenniere beziehungsweise der gesamten corticotropen Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse.«
Bei einer Unterfunktion infolge einer systemischen Cortisol-Therapie sprechen Ärzte von einer tertiären (den Hypothalamus betreffenden) oder einer iatrogen bedingten Insuffizienz (4, 5, 6, 7).
Auch zahlreiche andere Medikamente greifen in die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse (HPA-Achse) ein und lösen eine adrenale Insuffizienz aus. Dazu zählen einer Studie aus dem Jahr 2019 zufolge außer Steroiden unter anderem auch CYP3A4-Inhibitoren (Ritonavir, Fluticason), Opioide (Morphin, Fentanyl, Tramadol, Methadon oder Misch-Opioide) sowie Immun-Checkpoint-Inhibitoren (Ipilimumab, Pembrolizumab, Nivolumab, Avelumab) (8).
Die echte Nebenniereninsuffizienz ist immer zu therapieren. Bei den nicht reversiblen Formen müssen Patienten lebenslang Cortisol substituieren. Dafür eignet sich am besten das mit der körpereigenen Substanz identische Hydrocortison, das in oraler Form zwei bis drei Mal täglich einzunehmen ist, die höchste Einzeldosis morgens. Gängig sind zum Beispiel 15 mg morgens und 5 mg mittags (4, 5, 6, 7).
Bei außergewöhnlichen Belastungen wie fiebrigen Erkrankungen, akutem Schmerz, Unfall oder Verletzung benötigt der Körper mehr Cortisol. Patienten müssen die Dosis eigenmächtig erhöhen. Bei einem starken Mangel an Cortisol droht sonst eine »Addison-Krise« mit Symptomen wie Übelkeit, Brechreiz, Schwäche bis hin zu Bewusstseinstrübung und Koma. Dies kann tödlich enden. Das Apothekenteam sollte Patienten daran erinnern, einen Notfallausweis stets bei sich zu führen. Eine pdf-Version des Ausweises (Abbildung) stellt zum Beispiel die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie zur Verfügung (www.endokrinologie.net/krankheiten-nebenniereninsuffizienz.php).
Im Notfallausweis steht, mit welchen Dosiserhöhungen auf typische Belastungssituationen zu reagieren ist. Weiterhin ist zu beachten: CYP3A4-Induktoren wie Phenytoin, Carbamazepin, Rifampicin und Johanniskraut, aber auch Grapefruit und Lakritz wirken sich auf den Abbau von Cortisol aus. Auch dazu kann das Apothekenteam beraten (2, 3, 5, 6).
Um den gleichzeitig auftretenden Mangel an Aldosteron auszugleichen, müssen Patienten mit einer primären Nebenniereninsuffizienz meistens auch dieses Hormon substituieren. Dazu verschreiben Ärzte in der Regel das Mineralocorticoid Fludrocortison in einer Dosis von 0,05 bis 0,2 mg täglich (2, 5, 6). Ist ein Patient gut eingestellt und adhärent, kann er sich einer normalen Leistungsfähigkeit und Lebensqualität erfreuen.
Foto: Imago/CHROMORANGE
Der besondere Geschmack der Süßigkeit Lakritz geht auf den Wurzelextrakt beziehungsweise den eingedickten Saft der Wurzel des Echten Süßholzes zurück. Das darin enthaltene Glycyrrhizin kann jedoch zu einer gefährlichen unerwünschten Wirkung führen, wenn Lakritz-Freunde dauerhaft zu viel davon verzehren (29).
Das Leitsymptom einer Lakritz-Intoxikation ist eine massive Hypokaliämie. Auch arterielle Hypertonie, Kopfschmerzen, Ödeme, Schwindelanfälle, Herzrhythmusstörungen, Schwäche und Muskelschwund sind möglich. Ursache ist wahrscheinlich, dass Lakritz das Cortisol abbauende Enzym 11β-Hydroxysteroid-Dehydrogenase hemmt. Das klinische Erscheinungsbild erinnert an das Conn-Syndrom. Da der Plasma-Aldosteron-Spiegel jedoch niedrig ist, entstand die Bezeichnung Pseudo-Aldosteronismus.
Das Apothekenteam sollte Lakritz-Fans auf mögliche Wechselwirkungen mit Arzneimitteln wie Herzglykosiden, Schleifen- und Thiaziddiuretika und nicht elektrolytneutralen Laxanzien aufmerksam machen und ihnen raten, den Konsum einzuschränken.
Ein Zuviel an Cortisol ist dauerhaft ebenfalls schädlich. Dazu kann es kommen, wenn der Körper zu viel Hormon produziert (Morbus Cushing) oder wenn Patienten längere Zeit hochdosiert Cortisol-Präparate einnehmen.
Die Auswirkungen lassen sich bereits äußerlich erkennen. Typisch sind Stammfettsucht mit schlanken Extremitäten, Vollmondgesicht und Stiernacken. Charakteristische Beschwerden sind Hautatrophie, diabetische Stoffwechsellage mit erhöhten Glucosespiegeln und Blutfetten (»Steroiddiabetes«) sowie Muskelschwäche und Osteoporose. Eine erhöhte Infektanfälligkeit tritt auf, ebenso Hypertonie, die durch die vermehrte Natrium- und Wasserretention bedingt ist. Frauen entwickeln infolge der androgenen Effekte eine unreine Haut, die sogenannte Steroidakne, und Zyklusstörungen (9, 10).
Am häufigsten tritt ein Überschuss an Cortisol bei Patienten auf, die über eine längere Zeit mit Cortisol oral oder intravenös oberhalb der individuell unterschiedlichen Cushing-Schwellendosis behandelt werden. Auch intramuskuläre oder intraartikuläre Gaben sind kritisch (Tabelle 2).
Wirkstoff | Relative glucocorticoide Wirkstärke | Relative mineralocorticoide Wirkstärke | Cushing-Schwelle (mg/Tag) |
---|---|---|---|
Hydrocortison | 1 | 1 | 30 |
Cortisol | 0,8 | 0,8 | 40 |
Prednison, Prednisolon | 4 | 0,8 | 7,5 |
Methylprednisolon | 5 | ~0 | 6 |
Triamcinolon | 5 | ~0 | 6 |
Dexamethason | 30 | ~0 | 1 |
Betamethason | 30 | ~0 | 1 |
Fluocortolon | 5 | ~0 | 7,5 |
Produziert der Körper hingegen zu viel Cortisol, sind zwei Formen zu unterscheiden. Beim hypothalamisch-hypophysären Typ, auch als echter Morbus Cushing oder zentrales Cushing-Syndrom bezeichnet, verursacht ein ACTH-produzierendes Hypophysen-Adenom die Überfunktion. An dieser Form leiden etwa 70 Prozent der Patienten. Beim selteneren ACTH-unabhängigen Cushing-Syndrom ist meistens ein Tumor der NNR für die erhöhte Cortisol-Produktion verantwortlich. Bei wenigen Patienten stellen Ärzte eine ektope ACTH-Produktion fest (paraneoplastisches Syndrom). Das bedeutet, dass Tumoren wie das Bronchial-, Leberzell- oder Nierenkarzinom selbst ACTH produzieren (9, 10).
Auch bei Kindern kann ein Cushing-Syndrom auftreten, am häufigsten nach lang dauernder hochdosierter Glucocorticoid- oder ACTH-Therapie. Die S1-Leitlinie zum Cushing-Syndrom im Kindesalter von 2020 empfiehlt je nach individueller Situation eine operative oder medikamentöse Therapie oder eine Bestrahlung. Im Verlauf sollte ein Arzt die Nebennierenfunktion regelmäßig überprüfen (11).
Der Cortisol-Gehalt des Bluts kann sich innerhalb von Minuten ändern. Eine einzelne Blutuntersuchung ist daher nicht aussagekräftig. Um zu entscheiden, ob ein Tumor für den Hypercortisolismus verantwortlich ist, bestimmt der Arzt die Cortisol-Ausscheidung im 24-Stunden-Urin. Beim Gesunden sinkt die Produktion in der Nacht ab, während ein Tumor für eine durchgehende Synthese des Hormons sorgt.
Zur weiteren Diagnostik dienen Stimulationstests. Der Arzt regt die Nebennieren an, Cortisol zu produzieren, indem er Substanzen wie ACTH (ACTH-Test) oder CRH (CRH-Test) intravenös spritzt. Dann nimmt er im Abstand von jeweils etwa einer halben Stunde über einen bestimmten Zeitraum hinweg Blut ab. Auch Untersuchungen mit Ultraschall oder Magnetresonanztomografie können erforderlich sein. In Zukunft können Ärzte möglicherweise durch eine Haaranalyse Störungen wie einen Hypercortisolismus feststellen (9, 10, 12, 13).
Bei einem Zuviel an Cortisol ist eine Behandlung nicht zwangsläufig erforderlich, wie Fassnacht erläutert: »Gerade beim Cortisol-Exzess gibt es Graubereiche, die früher subklinisches Cushing-Syndrom genannt wurden und heute besser als autonome Cortisol-Sekretion bezeichnet werden. Diese Zustände müssen nicht zwangsläufig behandelt werden.«
Eine Fehlfunktion der Nebennierenrinde lässt sich unter anderem am Cortisol-Spiegel im Blut erkennen. Doch dieser kann innerhalb von Minuten stark schwanken. / Foto: Adobe Stock/jarun011
Ein ACTH-produzierendes Adenom entfernen Ärzte in der Regel operativ. War dies nicht erfolgreich oder bildet sich ein Rezidiv, muss erneut operiert werden. Eine Bestrahlung ziehen Ärzte meist erst dann in Erwägung, wenn Rezidive auftreten und die chirurgischen Möglichkeiten nicht erfolgreich waren. Der Effekt tritt bei der Bestrahlung langsam und zeitlich verzögert ein (9, 10).
Auch medikamentös lässt sich etwas machen. Pasireotid (Signifor®) erhielt im Juni 2012 die Zulassung als Orphan Drug. Das subkutan zu applizierende Somatostatin-Analogon hemmt in der Hypophyse die Freisetzung des Wachstumshormons Somatotropin sowie die ACTH-Synthese. Es ist indiziert bei erwachsenen Patienten mit Morbus Cushing, wenn ein chirurgischer Eingriff nicht infrage kommt oder fehlgeschlagen ist (14).
Metyrapon (Metopiron®) wird zur Behandlung von Patienten mit endogenem Cushing-Syndrom sowie als Diagnostikum zur Differenzialdiagnose des ACTH-abhängigen Cushing-Syndroms und der Hypophysen-Insuffizienz eingesetzt. Der Arzneistoff hemmt in der NNR die Synthese von Cortisol und Corticosteroiden, indem er die Steroid-11β-Hydroxylase inhibiert (15).
Seit November 2014 ist auch Ketoconazol (Nizoral®) als Orphan Drug für Patienten mit Cushing-Syndrom zugelassen. Der Wirkstoff hemmt Enzyme in den Nebennieren, die eine Rolle bei der Cortisol-Produktion spielen (16).
Ganz aktuell erlangte Osilodrostat (Isturisa®) die Zulassung zur Behandlung von Erwachsenen mit endogenem Cushing-Syndrom. Der orale Cortisol-Synthese-Hemmer inhibiert ebenfalls die 11β-Hydroxylase und damit den letzten Schritt der Cortisol-Biosynthese. Der Wirkmechanismus ähnelt dem von Metyrapon. Anders als Metyrapon muss Osilodrostat jedoch nicht vier Mal täglich, sondern nur zwei Mal eingenommen werden, da die Halbwertszeit länger ist (17, 18).
Schätzungsweise jeder zehnte Hypertonie-Patient in Deutschland könnte an einem primären Hyperaldosteronismus (PHA) leiden. Die NNR produziert dabei zu viel Aldosteron; auch ein Cortisol-Exzess ist möglich. Als Folge der nach dem Arzt Jerome Conn (1907 bis 1994) als Conn-Syndrom bezeichneten Störung hält der Körper verstärkt Natrium zurück, und die Wasserwiederaufnahme ist gesteigert (Tabelle 1). Zu unterscheiden sind eine hypokaliämische und eine normokaliämische Form. Ursache ist entweder ein Aldosteron-produzierendes Adenom der NNR oder eine bilaterale NNR-Hyperplasie.
Viele Betroffene wissen nichts von ihrer Erkrankung. Das Apothekenteam sollte denjenigen Patienten eine entsprechende ärztliche Abklärung nahelegen, die eine mittelschwere oder schwere Hypertonie (über 160/100 mmHg) oder eine therapierefraktäre Hypertonie haben, obwohl sie mehr als drei Antihypertonika zuverlässig einnehmen (2, 19).
Wenn ein Aldosteron-Überschuss die Hypertonie auslöst, kann eine Therapie des Morbus Conn den Blutdruck normalisieren (18). Bei einem Aldosteron-produzierenden Adenom entfernen Ärzte die betroffene Nebenniere. Die verbleibende Nebenniere produziert nach einer gewissen Zeit genügend Aldosteron, um den Körper zu versorgen. Vorübergehend ist ein postoperativer Hypoaldosteronismus mit Hyperkaliämie und Hypotonie möglich. Die Gabe von Fludrocortison bessert die Symptome.
Eine Fehlfunktion der Nebennierenrinde lässt sich unter anderem am Cortisol-Spiegel im Blut erkennen. Doch dieser kann innerhalb von Minuten stark schwanken. / Foto: Adobe Stock/cherryandbees
Bei einer bilateralen NNR-Hyperplasie ist eine medikamentöse Therapie mit einem Mineralocorticoid-Antagonisten wie Spironolacton in einer Initialdosis von 12,5 bis 25 mg angezeigt. Die Dosis kann bis auf 100 mg erhöht werden. Bei unzureichendem Ansprechen oder zu starken Nebenwirkungen bei höheren Dosen sollten Ärzte zusätzlich Antihypertensiva, etwa ein kaliumsparendes Diuretikum wie Amilorid oder Triamteren zusammen mit Hydrochlorothiazid oder einem ACE- Hemmer oder Calciumantagonisten verschreiben (20).
Bei bestimmten Störungen im Syntheseweg der NNR-Hormone produziert der Körper zu viel DHEA und in der Folge zu viele Androgene und gleichzeitig oft zu wenig Cortisol und Aldosteron. Betroffene zeigen je nach Geschlecht unterschiedliche Symptome. Bei Frauen sind Hirsutismus, Akne und Zyklusstörungen typisch. Sie können dem entgegenwirken, indem sie weibliche Sexualhormone einnehmen, beispielsweise orale Kontrazeptiva mit einem Antiandrogen wie Cyproteronacetat oder Dienogest.
Unter den Begriff »adrenogenitales Syndrom (AGS)« fallen verschiedene genetisch bedingte Erkrankungen, bei denen die Produktion mehrerer NNR-Hormone gestört ist. Auf die häufigste Form, den autosomal-rezessiv vererbten 21-Hydroxylase-Mangel (AGS Typ III), wird routinemäßig im Neugeborenen-Screening getestet.
Mit dem Gendefekt geborene Mädchen weisen bereits bei der Geburt Vermännlichungserscheinungen etwa des äußeren Genitals auf. Im frühen Kindesalter entwickeln sie eine starke Intim- und Achselbehaarung mit Bartwuchs, die Muskulatur ist stark ausgeprägt. Betroffene Jungen kommen scheinbar verfrüht in die Pubertät (Pseudopubertas praecox), wachsen zunächst sehr schnell, bleiben schließlich aber unterdurchschnittlich klein, weil sich die Epiphysenfugen schnell schließen. Bei einem unbehandelten AGS droht Unfruchtbarkeit.
Patienten müssen lebenslang Glucocorticoide und Mineralocorticoide substituieren. Gegen die Androgen-Überproduktion wirken synthetische Corticosteroide wie Dexamethason oder Prednison. Sie senken die ACTH-Produktion, woraufhin die überschießende Androgensynthese abnimmt.
Eine experimentelle Therapie steht pränatal zur Verfügung. Frauen, die ein Mädchen mit AGS bekommen könnten, nehmen drei Mal täglich Dexamethason oral ein (off-label). Da das Glucocorticoid von der Plazenta nicht metabolisiert wird, erreicht es unverändert den Feten. Diese Behandlung ist jedoch umstritten, da in der frühen Phase in Unkenntnis des Geschlechts des Kindes sieben von acht Feten (vier männliche und drei weibliche) unnötig therapiert werden. Der Grund: Die experimentelle Behandlung startet unmittelbar nach Feststellung der Schwangerschaft, da die Genitaldifferenzierung sehr früh, das heißt ab der 7. Woche nach der Konzeption, beginnt. Die Diagnostik eines AGS erfolgt derzeit aber erst in der 11. Schwangerschaftswoche. Dann zeigt sich, ob der Fetus tatsächlich betroffen ist. Erkrankte Jungen brauchen keine Behandlung (2, 21).
Die Katecholamine Dopamin, Noradrenalin und Adrenalin entstehen im Mark der Nebenniere (NNM) aus 1,2-Dihydroxybenzol (Englisch: Catechol). Dopamin und Noradrenalin wirkt als Neurotransmitter, Adrenalin hingegen als Hormon. Unter besonderer Belastung steigern Adrenalin und Noradrenalin die Aktivität des Herz-Kreislauf-Systems und sorgen dafür, dass dem Körper gespeicherte Energie zur Verfügung steht. Dopamin hingegen sorgt für positive Gefühle, reguliert aber auch Bewegungen (22).
Ob eine klinisch relevante Unterfunktion des NNM möglich ist, ist unklar (23). Bekannt ist ein akuter Ausfall der Nebennieren als Komplikation einer fulminanten Sepsis (Waterhouse-Friedrichsen-Syndrom, Nebennieren-Apoplexie). Patienten müssen sofort intensivmedizinisch und antibiotisch sowie mit Hydrocortison und Katecholaminen behandelt werden. Etwa neun von zehn Betroffenen überleben die Attacke nicht (24).
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DHEA wird häufig als neues Anti-Aging-Medikament für gesunde Frauen und Männer beworben. Älteren Menschen versprechen die Hersteller ein längeres Leben, einen verzögerten Alterungsprozess und weniger alterstypische Erkrankungen wie Schlaganfall, Herzinfarkt oder koronare Herzkrankheit. Die Behandlung fällt unter die sogenannten Individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL) (28). Anwender müssen das Präparat sowie die notwendigen Begleit- und Kontrolluntersuchungen selbst bezahlen. Präparate, die nur DHEA enthalten,
müssen in Deutschland über die internationalen Apotheken als Import aus dem Ausland bestellt werden.
Doch die Evidenz ist mäßig. Es gibt keine Bestätigungen für die Wirkung aus klinischen Studien oder Kenntnisse zu Langzeitfolgen wie einem möglicherweise erhöhten Risiko für hormonbedingte maligne Tumoren. Zu beachten ist auch, dass das Prohormon als Dopingmittel gilt. Angesichts des unklaren Nutzen-Risiko-Verhältnisses sollte das Apothekenteam gegenwärtig interessierten Kunden mit intakter Nebennierenfunktion von der Anwendung von DHEA abraten.
Bekannter ist eine Überproduktion von Katecholaminen. Deren Bestimmung spielt eine wichtige Rolle bei der Diagnose von hormonaktiven Tumoren des sympatho-adrenalen Systems, etwa bei Neuroblastomen im frühen Kindesalter oder Phäochromozytomen. Letztere sorgen für eine übermäßige Produktion von Adrenalin und Noradrenalin.
Die therapierefraktäre Hypertonie ist das Leitsymptom hormonaktiver Phäochromozytome. Patienten leiden typischerweise unter diesen drei Beschwerden: anfallsartige Tachykardien (Palpitationen), Kopfschmerzen und Schweißausbrüche. Auch Tremor und Nervosität sowie Sekundärkomplikationen wie eine schwere Retinopathie bei Hypertonie und paradoxe Blutdruckanstiege unter antihypertensiver Therapie können auftreten.
Außer im Nebennierenmark können sich die verursachenden Tumoren auch in Ganglien und Paraganglien entlang des sympathischen Grenzstrangs befinden. Etwa 0,1 bis 1 Prozent aller Hypertoniker, insgesamt 1 bis 2 von 100.000 Menschen in Deutschland, leiden an einem Phäochromozytom (25). Zur Diagnosestellung lässt der Arzt einmalig die Metanephrine (Methylierungsprodukte von Adrenalin und Noradrenalin) im Urin oder Plasma bestimmen.
Chirurgen müssen die tumurös befallene Nebenniere in der Regel entfernen. Vorbereitend nehmen Patienten über mehrere Tage einen α-Rezeptorenblocker wie Phenoxybenzamin ein, um einer übermäßigen Freisetzung von Adrenalin und Noradrenalin während der Operation entgegenzuwirken. Phenoxybenzamin blockiert irreversibel die α1- und α2-Rezeptoren. Ohne diese Vorbehandlung könnten Blutdruckkrisen und starke Blutdruckschwankungen auftreten (26). Danach kann die Gabe eines unselektiven Betablockers zusätzlich angezeigt sein (27). Meistens kann postoperativ das andere Organ den Ausfall kompensieren. /
Dr. Nicole Schuster studierte zwei Semester Medizin in Bonn, dann Pharmazie und Germanistik in Bonn und später in Düsseldorf. Während ihres Studiums machte sie Praktika bei verschiedenen wissenschaftlichen Verlagen. Nach dem zweiten Staatsexamen und der Approbation 2010 absolvierte Schuster ein Aufbaustudium in Geschichte der Pharmazie in Marburg und wurde 2016 mit ihrer Dissertation »Traditionelle pflanzliche Febrifuga als moderne Phytopharmaka« zum Doktor der Naturwissenschaften promoviert. Die PZ-Leser kennen Dr. Schuster als Autorin zahlreicher Fachbeiträge.