Kinderrheuma besser behandelbar – wenn die Diagnose vorliegt |
Klagen Kinder über einen längeren Zeitraum über schmerzhafte, geschwollene Gelenke, sollte man an Rheuma denken. Hinzu kommen unspezifische Symptome wie ständige Müdigkeit und Augenentzündungen. / Foto: Getty Images/ozgurcankaya
Kinderrheuma ist eine chronische Autoimmunerkrankung. Das Immunsystem greift den eigenen Körper an. Das verursacht Entzündungen meistens an Gelenken, die in Schüben auftreten. Daneben können auch Knochen, Muskeln und Augen betroffen sein. Heilbar ist Rheuma nicht, aber mit gezielten Therapien lassen sich die Symptome oftmals gut behandeln.
«Die juvenile idiopathische Arthritis (JIA) macht den Löwenanteil unter den rheumatischen Erkrankungen bei Kindern aus», sagt der Kinderrheumatologe Daniel Haselbusch vom Helios Klinikum in Berlin-Buch zum Welt-Rheuma-Tag am 12. Oktober. Zu den klassischen Rheuma-Formen bei Kindern gehören außerdem Kollagenosen (Bindegewebserkrankungen), Vaskulitiden (chronische Gefäßentzündungen) sowie die Gruppe der autoinflammatorischen Erkrankungen (periodische Fiebersyndrome), wie Kirsten Minden von der Charité Universitätsmedizin in Berlin ergänzt.
Wie viele Kinder und Jugendliche insgesamt in Deutschland an Rheuma erkrankt sind, lasse sich nur schwer sagen, weil es dafür keine Meldepflicht gebe, sagt Minden. Im Hinblick auf vorliegende Abrechnungsdaten und bevölkerungsbezogene Studien wird davon ausgegangen, dass hierzulande etwa 14.000 betroffen seien. «Bei rund 1500 Heranwachsenden wird jedes Jahr eine JIA neu diagnostiziert.»
Gelenkrheuma im Kindesalter weise Gemeinsamkeiten, aber auch erhebliche Unterschiede zu der Krankheit im Erwachsenenalter auf, sagt Minden. Beispielsweise sei es bei Kindern deutlich schwieriger zu erkennen. «Für keine der Rheumaformen bei Kindern gibt es einen diagnoseweisenden Marker», erklärt die Charité-Ärztin. Symptome seien bei Kindern häufig viel unauffälliger, sagt auch Haselbusch. Dazu gehören neben schmerzenden, geschwollenen Gelenken auch ständige Müdigkeit, die Kinder können zudem gereizt oder unkonzentriert sein.
Rund 15 Prozent der Kinder mit einer JIA entwickeln Haselbusch zufolge eine Augenentzündung. «Die ist insofern tückisch, als dass die nicht von außen sichtbar ist.» Die Kinder haben kein gerötetes Auge oder Schmerzen und seien meistens zu jung, um gut zu kommunizieren, dass etwas nicht stimme.
Wie oft Schübe vorkommen, lasse sich nicht richtig beziffern, sagt Haselbusch. «Es gibt Kinder, die zwei Jahre keinen Schub haben und es gibt Kinder, die haben alle zwei Monate einen. Das sollte nicht sein, weil dann klar ist, dass die Therapie nicht intensiv genug ist.»
Die Behandlungsmöglichkeiten sind heutzutage vielfältig. Sie fangen bei entzündungshemmenden nicht steroidalen Antirheumatika (NSAR) wie Ibuprofen und Naproxen an, erklärt der Kinderrheumatologe Haselbusch. «Der zweite Schritt sind in der Regel Steroide.» Diese werden meist unter Vollnarkose direkt ins Gelenk gespritzt.
Zudem gebe es Medikamente, die das Immunsystem unterdrücken und die Betroffene mindestens anderthalb Jahre einnehmen müssten. Heutzutage seien ebenso neuartige Medikamente auf dem Markt, die teilweise individuell auf das Kind zugeschnitten und in ihrer Produktion sehr aufwändig seien.
«Ich kenne heute kein Kind mehr, das neu an Rheuma erkrankt und deshalb im Rollstuhl landet. Das war aber in den 1990er-Jahren sicher noch anders, was wir den neuen Therapien zu verdanken haben», stellt Haselbusch fest. Rund 40 Prozent der Kinder könnten als Erwachsene symptomfrei bleiben.