Kinderärzte warnen vor Melatonin als Einschlafhilfe |
Kinderarzt Paditz rät davon ab, den eigenen Kindern ohne Absprache mit einem Arzt eines dieser Produkte zu geben. Bislang wisse man noch zu wenig über die Abbauwege von Melatonin bei Säuglingen und kleinen Kindern, sagt der Arzt. Sicher sei, dass der Melatonin-Stoffwechsel bei ihnen langsamer laufe. Außerdem gebe es bei den in Studien geprüften Nahrungsergänzungsmitteln erhebliche Konzentrationsschwankungen. «Es wäre fatal, wenn Eltern Geld für irgendwelche Tütchen ausgeben, die nicht über den Rezeptblock des Arztes oder über die Apotheke kommen.»
In den USA gab es Paditz zufolge in den vergangenen Jahren mehrere Todesfälle von Kleinkindern, die im zeitlichen Zusammenhang mit stark erhöhten Melatonin-Werten standen. In einer US-Studie im Journal of Analytical Toxicology berichten Forschende im Mai 2022 unter anderem von einem Fall, in dem Eltern ihrem drei Monate alten Kind regelmäßig zwischen acht und zehn Dosen eines hoch dosierten Melatonin-Produkts pro Tag gaben. Ob eine Überdosis des Hormons zum Tod des Kindes führte, konnte nicht endgültig geklärt werden.
Paditz zufolge sollte die Dosis generell so gering wie möglich sein. Je nach Alter empfiehlt er, vor dem Zubettgehen zwischen 0,25 und 0,5 Milligramm des Melatonin-Medikaments einzunehmen. Die Gummibärchen mit Melatonin enthalten den Angaben der Hersteller zufolge zum Teil zwischen 0,5 und 1 Milligramm Melatonin pro Fruchtgummi.
Wenn Kinder unter ernstzunehmenden Schlafstörungen litten, sollten Eltern sich nicht auf frei käufliche Mittel verlassen, meint Paditz. «Eltern gehen damit ein ziemliches Risiko ein, dass möglicherweise schwerwiegende Krankheiten übersehen werden.» Falls es indiziert ist, kann der Kinderarzt Melatonin per Rezept verschreiben. Seit 2020 gibt es in Deutschland mit Slenyto® von Infectopharm ein entsprechendes Medikament für Kinder ab zwei Jahren. «Ein zugelassenes Medikament, das über die Apotheke ausgereicht wird, bietet natürlich eine viel höhere Sicherheit», sagt Paditz.
Von der Krankenkasse werden die Kosten für das Präparat nur in zwei bestimmten Fällen übernommen. Das trifft zum einen auf Kinder mit einer Autismus-Spektrums-Störung zu, bei denen laut Paditz zwischen 20 bis 40 Prozent unter Schlafstörungen leiden. Zum anderen werden die Kosten bei Minderjährigen mit dem Smith-Magenis-Syndrom, einer seltenen Erkrankung, bei der der Tag-Nacht-Rhythmus gestört ist, übernommen.