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Bauchschmerzen

Kinder sprechen gut auf Placebo an

Eine neue Studie zeigt: Bei Kindern mit funktionellen Bauchschmerzen oder Reizdarmsyndrom kann ein Placebo-Sirup die Beschwerden lindern – auch wenn Kinder und Eltern wissen, dass es kein »echtes« Medikament ist.
Daniela Hüttemann
14.02.2022  11:00 Uhr

Der Placebo-Effekt ist mittlerweile sehr gut wissenschaftlich untersucht. So gibt es Studien, die zeigen, dass Erwachsene auch wenn sie wissen, dass in einer Tablette kein Wirkstoff enthalten ist, darauf ansprechen, insbesondere bei Schmerzen. In doppelblinden Studien mit Kindern mit Bauchschmerzen aufgrund einer gestörte Darm-Hirn-Interaktion, wo also nicht klar war, wer das Placebo erhält, war auch ein deutlicher Placebo-Effekt zu beobachten. 

»Es wird weithin angenommen, dass es einer Verschleierung oder Täuschung bedarf, um eine Placebo-Reaktion hervorzurufen. Aber unsere Studie zeigt, dass die offene Verabreichung einer Placebo-Behandlung wirksam ist«, so Studienleiter Dr. Samuel Nurko vom Boston Children’s Hospital. Seine Arbeitsgruppe konnte nun in einer randomisierten, multizentrischen Cross-over-Studie mit 30 Kindern und Jugendlichen erstmals zeigen, dass die wissentliche Placebo-Gabe auch bei Kindern funktioniert. Sie veröffentlichten die Ergebnisse vor Kurzem im Fachjournal »JAMA Pediatrics«.

Die Patienten litten unter funktionellen abdominalen Schmerzen oder dem Reizdarmsyndrom. Dabei wurde den Teilnehmern das Placebo-Konzept zuvor erläutert. Sie oder ihre Eltern dokumentierten die Stärke der Schmerzen zunächst sieben Tage bis Studienbeginn. Dann bekamen sie (per Zufall zugeteilt) entweder drei Wochen lang zweimal pro Tag Placebo in Form von 1,5 ml Sirup, der die Aufmachung »echter« Medikamente nachahmte, oder keine Behandlung (Kontrollgruppe); anschließend wurde für drei Wochen getauscht. 

Über die gesamte Studiendauer wurde ein Symptomtagebuch geführt. Alle Teilnehmenden erhielten zudem Zugang zu dem Spasmolytikum Hyoscyamin als Notfall-Medikation. Und tatsächlich waren die mittleren Schmerz-Scores während der Placebo-Phase signifikant niedriger als während der Kontroll-Periode. Nebenwirkungen wurden keine beobachtet. Zudem nutzten die Probanden während der Kontroll-Periode doppelt so viele Hyoscyamin-Tabletten als während der Placebo-Phase. Anders ausgedrückt: Die Placebo-Gabe half, »echten« Wirkstoff einzusparen.

Die Ergebnisse der ersten Studie ihrer Art bei Kindern seien vielversprechend für eine zukünftige nicht-pharmakologische Therapie dieser schwer zu behandelnden Erkrankungen, folgern die Forschenden. »Die genaue Art der Reaktion ist noch nicht bekannt, aber ich hoffe, dass wir den Prozess verstehen können, damit wir ihn nutzen und in der klinischen Routineversorgung einsetzen können«, so Studienleiter Nurko.

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