KI nicht mehr wegzudenken |
Im Gegensatz zu den ligandenbasierten Methoden, die allein den molekularen Aufbau des Wirkstoffmoleküls mit der Aktivität korrelieren, ermöglicht das strukturbasierte Wirkstoffdesign, die Interaktion des Liganden mit der Zielstruktur, also dem Target, in Betracht zu ziehen. Die Zielstruktur wird zur Identifizierung und Optimierung von Wirkstoffen genutzt und muss dazu auf molekularer Ebene aufgeklärt sein. Dies ist erst möglich, seitdem es Verfahren gibt, die Proteinstrukturen auflösen und bildlich darstellen können. Es ist die zentrale Aufgabe der Strukturbiologie, die Funktion von Proteinen aus der Struktur und damit aus der Sequenz abzuleiten.
Myoglobin war 1958 das erste Protein, das durch Röntgenkristallstrukturanalyse aufgeklärt wurde (5). Heutzutage existieren mit biomolekularer Kernspinresonanzspektroskopie (NMR) und der Kryo-Elektronenmikroskopie zwei weitere Methoden zur Aufklärung von Proteinstrukturen, die dazu beigetragen haben, dass Tausende Strukturen in einer öffentlichen Datenbank, der Proteindatenbank (PDB), abgelegt wurden (6).
Beim strukturbasierten Wirkstoffdesign wird im Zuge der Entwicklung idealerweise ein Ligand mit seinem Interaktionspartner im Komplex kristallisiert. Da dies experimentell nicht trivial ist und oft unter hohem Einsatz von Material und Zeit erfolgt, kommt die computergestützte Vorhersage von Ligand-Protein-Interaktionen regelmäßig zum Einsatz. Dabei dockt ein Ligand virtuell in eine Bindungstasche. Anhand dessen können Hypothesen über Struktur-Wirkungs-Beziehungen erstellt werden, die durch Synthese und biologische Testung bestätigt werden können.
In der Vergangenheit war strukturbasiertes Wirkstoffdesign durch die experimentell aufwendige Überprüfung und die Anwesenheit einer Template-Proteinstruktur in der PDB limitiert. Mit der Sequenzierung des humanen Genoms im Jahr 2003 wurde die Strukturvorhersage Kernaufgabe der Bioinformatik. Sie ist der Schlüssel zur allgemeinen Anwendbarkeit von strukturbasiertem Wirkstoffdesign.
Als erster Wirkstoff, der unter Zuhilfenahme computergestützter Methoden entwickelt wurde, gilt Saquinavir. Die HIV-Pandemie in den 1980er- und 1990er-Jahren erforderte eine rasche Arzneistoffentwicklung, die sich aller neuen Methoden bediente und so strukturbasiertes Wirkstoffdesign an der HIV-Protease ermöglichte. Seitdem sind strukturbasierte und computergestützte Methoden aus der Wirkstoffentwicklung nicht mehr wegzudenken.
Im ligandenbasierten Wirkstoffdesign werden Modelle erstellt, um die biologische Aktivität und die chemische Struktur von Liganden miteinander in Korrelation zu bringen. Diese Modelle werden verwendet, um neue Wirkstoffe in virtuellen Bibliotheken zu identifizieren. Die Zielstruktur muss dazu nicht bekannt sein.
Oft sind diese Methoden schnell und brauchen vergleichsweise wenig Computerressourcen. Es wird allerdings eine gewisse Anzahl an aktiven Liganden mit chemischer Diversität benötigt, um robuste Modelle zu generieren. Ligandenbasierte Wirkstoffentwicklung wird vor allem für das schnelle virtuelle Screening herangezogen.
Im strukturbasierten Wirkstoffdesign wird die Information über die Zielstruktur für die Identifizierung und Optimierung des Wirkstoffes genutzt. Die Zielstruktur muss auf molekularer Ebene bekannt und aufgeklärt sein. Dies kann durch Röntgenkristallografie, biomolekulare NMR oder Kryo-Elektronenmikroskopie geschehen. Diese Methoden sind aufwendig, teuer und es gibt keine Garantie auf Erfolg. Daher behilft man sich mit computergestützter Strukturvorhersage, die durch Deep-Learning-Modelle schneller und genauer geworden ist. Wirkstoffe können anschließend in Bindungstaschen platziert, optimiert und designt werden. Traditionell werden strukturbasierte Methoden für die rationale Optimierung von Wirkstoffen verwendet.