Kants kritischer Blick auf die Arzneien |
»Die glücklichste Stunde in jedem Tage heisst Kant diejenige, in welcher er sich seinen Thee ansetzet, seine Pfeife zurecht macht, stopfet, anstecket, raucht und trinkt. Dies ist die Zeit der Visionen« [9]. Diese Stunde begann um fünf Uhr morgens. Kant trank mehrere Tassen Tee und setzte ein altes, dreieckiges Hütchen auf, während er seine einzige Tonpfeife am Tag rauchte, die auch der »Evakuation« diente [6]. Danach wurde studiert und bis ins Jahr 1795 gelehrt. Ein eigenes Haus bewohnte er seit 1783, in das er zu jedem Mittag zwischen zwei und fünf Gäste lud. Nicht weniger sollten am Tisch sitzen als die Zahl der Grazien (drei) und nicht mehr als die der Musen (eigentlich neun; Kant besaß aber nur sechs Gedecke).
War Kant hungrig, wurde er ungeduldig, wenn die Gäste sich zierten und die Essensverteilung verzögerten. »Gleich nach der Suppe nahm er einen Schluck, wie er es nannte, der aus einem halben Glase Magenwein, Ungar, Rheinwein, oder auch in Ermangelung jener, aus Bischof bestand« [5]. »Es ist gut, dass man manchmal zur Weckung der Lebensgeister Wein trinke« [9]. »Mit ausserordentlicher Lustigkeit klopfte er auf den Tisch, öffnete ein bouteille und schenkt ein. Jeder von uns musste zwei Gläser trinken, und er trank auch mit« [9]. »Auch trinkt er täglich einige Gläser Wein, zuerst weissen, dann rothen. Wenn er, was er aber jetzo nicht mehr thut … ausser Hause speiset, so trank er auch wohl ein Gläschen zuviel« [9].
Bier gab es nicht. Kant war ein Feind dieses Getränks, das er für ein »langsam tötendes Gift« hielt, das zur »Wegschwemmung der Verdauungssäfte, Verschleimung des Blutes und Erschlaffung der Wassergefässe« führe [5].
In späteren Jahren begann er die Wirkung des Kaffees zu schätzen und rief, sobald sein Diener die Kanne die Treppe hochbrachte »jauchzend ›ich sehe Land!‹«, gefolgt von »›Heisa Kurage, meine Herren … und hiermit Basta!‹« [5].
Kant bestritt einen großen Teil der Konversation und machte sich selbst, beziehungsweise seine schwindende Gesundheit, in späteren Jahren sehr oft zum Thema. Als Tischgenossen versammelte er gerne Menschen um sich, die dazu Wichtiges berichten konnten: »Aerzte hielt er für sich entbehrlich, schäzte sie aber sehr, wenn sie sich mit Chemie, Galvanismus und anderen neuen Entdeckungen beschäftigten« [4]. Karl Gottfried Hagen (1749 bis 1829), früher Kants Student, dann umfassend gebildeter Gelehrter und Begründer der pharmazeutischen Chemie in Königsberg, gehörte zu Kants meist geschätzten Gesprächspartnern [10; 11].
Geredet wurde etwa »über Tabakrauch, Schnupfen, Betelkauen, Bemerkungen wie immer etwas abführe« [9]. Oder »pulverisierte Kohlen«, sie »ziehen alles Faulartige aus dem Körper … Kohlenstaub mit etwas Rosenhonig verrieben vertreibt Zahnweh, besonders wenn die Zähne skorbutisch sind« [9].
Anscheinend wurde auch die jüngst von Edward Jenner (1749 bis 1823) eingeführte Vakzination bei Tisch besprochen. Er hielt »von der Schuz-Pocken-Impfung gar nichts, und meynte ›es sey eine Brutalität mehr, deren wir nicht bedürfen‹« [4].