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LDL bei Diabetikern

Je niedriger, desto besser

Die neue Leitlinie der European Society of Cardiology (ESC) zur Dyslipidämie schraubt auch bei Diabetikern die Zielwerte für LDL-Cholesterol noch weiter nach unten. Das wirft die Frage auf, wie diese erreicht werden können.
Christopher Waxenegger
23.04.2020  08:00 Uhr

In Deutschland erkranken jährlich bis zu 500.000 Menschen neu an Diabetes mellitus. Insbesondere in der Altersklasse der Unter-35-Jährigen nimmt die Inzidenz von Typ-2 Diabetes stark zu. Zur Betreuung der Patienten gehört neben der Blutzuckerkontrolle auch die Erhebung von kardiovaskulären Risikofaktoren. Dazu gehören der Raucherstatus, ein erhöhter Blutdruck, Adipositas, eine positive Familienanamnese für kardiovaskuläre Ereignisse, das Alter, die Nierenfunktion und eine Lipidstoffwechselstörung.

Grundsätzlich wird unabhängig vom Vorliegen eines Diabetes ein allgemeines kardiovaskuläres Screening inklusive Erfassung des Lipidprofils ab Erreichen des 40. Lebensjahres empfohlen. Das Lipidprofil umfasst dabei das Gesamtcholesterol, LDL, HDL, Triglyceride (TG) und den Non-HDL-Spiegel. Studien haben gezeigt: Je weiter der LDL-Wert abgesenkt werden kann, desto geringer ist das kardiovaskuläre Risiko des Patienten. In Abhängigkeit von der jeweiligen Risikokategorie empfiehlt die ESC unterschiedliche primäre LDL-Zielwerte. Diabetiker haben dabei per se mindestens ein moderates Risiko. In der Tabelle sind die Zielwerte für Diabetiker aufgeführt.

Risikokategorie LDL-Cholesterol (primärer Zielwert) Non-HDL-Cholesterol (sekundär) ApoB (sekundär)
Sehr hohes Risiko: Typ-1- und Typ-2-Diabetiker mit Endorganschäden (Mikroalbuminurie, Retinopathie oder Neuropathie) oder mindestens drei Risikofaktoren sowie Typ-1-Diabetiker, die bereits seit mindestens 20 Jahren erkrankt sind <55mg/dl und Absenkung des Ausgangswerts um mindestens 50 Prozent, falls dennoch kardiovaskuläres Ereignis <40mg/dl <85mg/dl <65mg/dl
Hohes Risiko: Typ-1- und Typ-2-Diabetiker ohne Endorganschäden mit einer Krankheitsdauer von mindestens zehn Jahren oder einem weiteren Risikofaktor <70mg/dl und Absenkung des Ausgangswerts um mindestens 50 Prozent <100mg/dl <80mg/dl
Moderates Risiko: Typ-1-Diabetiker unter 35 Jahre und Typ-2-Diabetiker unter 50 Jahre mit einer Diabetesdauer unter zehn Jahren und keinen weiteren Risikofaktoren <100mg/dl <130mg/dl <100mg/dl
Quelle: ESC/EAS-Guidelines 2019

Tabelle

Wie erreicht man die primären Zielwerte?

Das allgemeine Vorgehen bei Diabetikern schließt immer eine Empfehlung zur Lebensstilmodifikation mit ein. Darin sind ein Rauchstopp, körperliche Aktivität mit mindestens 150 Minuten aerober Betätigung pro Woche und eine Ernährungsumstellung enthalten. Gesättigte Fettsäuren aus Wurst, verarbeiteten Lebensmitteln, fettem Fleisch sowie Palm- und Kokosöl sollen vermieden werden. Die vermehrte Zufuhr von ungesättigten Fettsäuren aus Fisch, Nüssen und pflanzlichen Ölen wird empfohlen.

Erste Wahl in der medikamentösen Therapie von Hyperlipidämien ist die Wirkstoffklasse der HMG-CoA-Reduktasehemmer (Statine). Bei Diabetikern wird in der Regel sofort mit einer Hochdosis-Statintherapie begonnen, etwa Atorvastatin 40 bis 80 mg täglich oder Rosuvastatin 20 bis 40 mg täglich. Damit lässt sich der LDL-Spiegel um etwa 45 bis 55 Prozent senken.

Der Cholesterol-Resorptionshemmer Ezetimib führt mit und ohne Statine zu einer LDL-Senkung von circa 15-20 Prozent. Die Antikörper Alirocumab und Evolocumab, die die Proprotein-Konvertase Subtilisin-Kexin Typ 9 (PCSK9) hemmen, werden alle zwei bis vier Wochen subkutan injiziert und kommen bei therapieresistenten Patienten zum Einsatz. Mit diesen lässt sich der LDL-Spiegel in Kombination mit Statin/Ezetimib um weitere 20 Prozent reduzieren, was einer Gesamtreduktion von bis zu 85 Prozent entspricht. Erst bei Versagen aller Maßnahmen sollte eine Lipid-Apherese zum Einsatz kommen. Hier gibt es noch zu wenige Studien um eine breite Anwendung zu empfehlen.

Was tun bei erhöhten Triglyceridwerten?

Erhöhte Triglyceride sind vor allem bei Typ-2 Diabetes und Adipositas keine Seltenheit und werden maßgeblich durch den Verzehr von bestimmten Nahrungsmitteln und den Blutzuckerspiegel beeinflusst. Dementsprechend sollen in erster Linie die Einstellung des Diabetes optimiert und der übermäßige Verzehr von rasch resorbierbaren Kohlenhydraten vermieden werden.

Durch eine begonnene Statintherapie wird sekundär meist auch der TG-Spiegel günstig beeinflusst. Zu beachten ist, dass bei Werten von mehr als 1000 mg/dl ein gehäuftes Auftreten von akuten Pankreatitiden beobachtet wird. Nach Nutzen-Risiko Bewertung kann bei dauerhaft stark erhöhten Triglyceriden eine medikamentöse Behandlung gestartet werden, wobei eine zusätzliche Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse bei schon etablierter Statintherapie für keines der Medikamente belegt ist. In Betracht kommen Fenofibrat (cave: kontraindiziert bei einer glomerulären Filtrationsrate unter 60ml/min und Statinen in Maximaldosis), hoch dosierte Omega-3-Fettsäuren, reine Eicosapentaensäure (EPA) und mittelkettige Triglyceride. Bezafibrat und Gemfibrozil sollten nicht mit Statinen kombiniert werden.

Statinunverträglichkeit

Viele Patienten berichten unter einer Therapie mit Statinen über Muskelschwäche und Schmerzen. Eine echte Statinunverträglichkeit liegt nach derzeitiger Studienlage aber nur bei etwa 5 bis 10 Prozent der Betroffenen vor. Es empfiehlt sich bei Abwesenheit einer Rhabdomyolyse oder stark erhöhten Kreatinkinasewerten primär der Wechsel auf ein anderes Statin. Bestehen die Beschwerden weiter, kann entweder erneut ein Wechsel oder alternativ eine Dosisreduktion des Statins unter Hinzunahme von Ezetimib versucht werden. Wird auch das nicht toleriert, kann die Einstellung auf einen PCSK9-Hemmer erfolgen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der wichtigste Faktor des Lipidmanagements bei Diabetikern der LDL-Wert ist. Aktuell sollte dieser bei hohem kardiovaskulärem Risiko unter 70mg/dl und bei sehr hohem Risiko sogar auf <55mg/dl abgesenkt werden. Die Reduktion der Triglyceride ist eine individuelle Entscheidung und liegt im Ermessen des Arztes.

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