»Je jünger das Kind, desto eher zum Arzt« |
Laura Rudolph |
18.01.2023 18:00 Uhr |
Die Apothekerin Dr. Miriam Ude und der Kinderarzt Dr. Steffen Fischer erklärten die Grenzen der Selbstmedikation der häufigsten Indikationen bei Kindern. / Foto: PZ/Alois Mueller
Bei Kindern, insbesondere bei Kleinkindern, sind strenge Grenzen der Selbstmedikation zu beachten. »Prinzipiell gilt: Je leiser das Kind, desto kritischer ist es krank. Je jünger das Kind, desto diskreter sind die Krankheitszeichen und desto eher braucht es ärztliche Unterstützung«, betonte Ude, Fachapothekerin für Arzneimittelinformation.
Beide Experten erklärten: Wichtiger als die Anzeige auf dem Fieberthermometer sei bei Kleinkindern und Kindern ihr körperlicher Zustand. Hat das Kind Fieber, spiele aber munter weiter, benötige es tendenziell keine ärztliche Hilfe. Gleiches gelte, wenn zwar Antipyretika nötig seien, damit sich das Kind besser fühle, diese aber gut helfen und das Kind wieder esse und sich normal verhalte.
Eine Ausnahme seien Säuglinge bis drei Monate, da ihre Temperaturregulation noch nicht ausgereift sei. Hier sei bereits eine Temperatur von 37,8 Grad Celcius hohes Fieber und ein medizinischer Notfall. Zu den Grenzen der Selbstmedikation bei Fieber gehören demnach ein Alter bis drei Monate, wenn das Kind nicht ausreichend trinkt, leidend oder schlapp ist, nicht auf Antipyretika anspricht oder nach Aceton riecht.
Neben fiebrigen Infekten ist Husten ein häufiges Symptom bei Kindern. Er kann unterschiedlicher Ursache sein, wie Fischer beim Vortrag aufzeigte. Je nachdem, welche Bereiche der Atemwege betroffen sind, klingt der Husten anders.
Hinter Husten können beispielsweise grippale Infekte stecken. »Hier rate ich ganz klar zu Phytopharmazie und ab von chemischen Wirkstoffen«, empfahl Ude. Husten kann aber auch Symptom einer ernsten Erkrankung wie Keuchhusten oder Aspiration eines Fremdkörpers sein. »Eine Fremdkörper-Aspiration ist immer ein Fall für den Notarzt«, betonte Fischer. Warnzeichen sind ein sehr plötzlich auftretender, krampfartiger Husten. Aufgrund von Sauerstoffmangel kann sich zudem die Haut blau färben.
Hat ein Kind Durchfall, sei die wichtigste Maßnahme die Rehydrierung mit Elektrolytlösungen. Derzeit kommt es bei vielen Präparaten zu Lieferschwierigkeiten, ersatzweise lässt sich eine Elektrolytlösung auch selbst herstellen. Erkennen lasse sich eine Dehydrierung etwa an einer verminderten Produktion oder deutlichen Trübung des Urins, kühlen Extremitäten oder einem unruhigen oder erschöpften Allgemeinzustand des Kindes, erklärten die Experten. Ebenso deuteten Hautfalten, die sich nur verlangsamt verstreichen lassen, auf einen Flüssigkeitsmangel hin. Grenzen der Selbstmedikation bei Durchfall seien etwa ein schlechter Allgemeinzustand, ausgeprägtes Krankheitsgefühl, Fieber als Begleitsymptom oder blutiger Stuhl.
Auch Erbrechen kann ein Notfall sein: »Riecht das Erbrochene nach Aceton, ähnlich wie Klebstoff, Apfelessig oder Nagellackentferner, muss das Kind dringend zum Arzt«, betonte Fischer. Es könnte sich hierbei um das sogenannte acetonämische Erbrechen handeln, eine verstärkte Reaktion des Stoffwechsels auf Infekte oder Erbrechen, die mit der vermehrten Bildung von übel riechenden Ketonkörpern einhergeht.