Interaktion mit ASS bewerten |
Will ein Patient unter ASS 100 auch ein Ginkgopräparat einnehmen, sollte vorher mit dem behandelnden Arzt Rücksprache gehalten werden. / Foto: Getty Images/alvarez
Die Meldung zur Wechselwirkung zwischen Ingwer und ASS 100 beruht auf dem pharmakologischen Prinzip, dass Ingwer (Zingiber officinale) in vitro das Enzym Thromboxan-Synthetase hemmt und damit die Thrombozytenaggregation verringern könnte. Dies könnte theoretisch bei der Einnahme von Phytopharmaka mit Ingwerextrakt, beim Genuss von Ingwertee oder auch beim Verzehr von frischem Ingwer relevant sein. In der medizinischen Literatur sind jedoch keine Fallberichte zu tatsächlich aufgetretenen klinisch relevanten Blutungen unter dieser Kombination bekannt.
Dagegen existieren einzelne Berichte zur Erhöhung der Blutungsneigung bei gemeinsamer Einnahme von Ingwer und Vitamin-K-Antagonisten. Die Blutungen waren jedoch nicht schwerwiegend. Aus den Berichten geht nicht hervor, in welchem Ausmaß die Einnahme von Ingwer erfolgte.
Die Wahrscheinlichkeit, dass es zu Blutungsereignissen kommt, wenn ein Patient unter ASS 100 regelmäßig Ingwer verzehrt, erscheint damit sehr gering. Auch die gleichzeitige Einnahme von Ingwerpräparaten und ASS 100 ist in der Regel klinisch vertretbar. Bei Symptomen, die auf eine verstärkte Blutverdünnung schließen lassen, zum Beispiel Hämatome oder Schleimhautblutungen, oder wenn operative Eingriffe anstehen, kann die Einnahme von Ingwer vorsichtshalber pausiert werden.
Das im Blätterextrakt von Ginkgo biloba enthaltene Ginkgolid B ist in vitro ein potenter Inhibitor des plättchenaktivierenden Faktors. In vivo konnte jedoch bislang kein Effekt auf die Thrombozytenfunktion festgestellt werden.
Da es mehrere Fallberichte über klinisch relevante Blutungen unter Kombination von Ginkgopräparaten und Plättchenaggregationshemmern gibt, wird diese Interaktion von verschiedenen Interaktionsdatenbanken als schwerwiegend eingestuft. Zwar reicht die Datenlage nicht aus, um generell von einer Kombination abzuraten, es sollte jedoch individuell mit dem Patienten abgewogen werden, ob der zu erwartende Nutzen der Ginkgoeinnahme das individuelle Blutungsrisiko überwiegt. Aus diesem Grund sollten ASS 100 und Ginkgopräparate nur nach Arztrücksprache miteinander kombiniert werden.
Arzneimittel mit quantifiziertem Ginkgo-biloba-Extrakt sind in den Stärken 40 mg, 80 mg und 120 mg für folgende Indikationen zugelassen: demenzielles Syndrom (symptomatische Behandlung von hirnorganisch bedingten geistigen Leistungseinbußen im Rahmen eines therapeutischen Gesamtkonzeptes), Verlängerung der schmerzfreien Gehstrecke bei peripherer arterieller Verschlusskrankheit (Stadium II nach FONTAINE), Schwindel infolge von Durchblutungsstörungen oder altersbedingten Rückbildungsvorgängen (Vertigo vaskulärer und involutiver Genese), adjuvante Behandlung des Tinnitus. In der Dosierung 240 mg gilt folgende Indikation: Verbesserung einer altersbedingten kognitiven Beeinträchtigung und der Lebensqualität bei leichter Demenz.
Die Datenlage ist in den verschiedenen Indikationen unterschiedlich gut. 2011 bewertete das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) den Nutzen einer langfristigen Behandlung mit ginkgohaltigen Präparaten bei Alzheimer-Demenz und konnte dafür sieben randomisierte klinische Studien berücksichtigen. Daraus geht hervor, dass Ginkgoblätter-Trockenextrakt in der Dosierung 240 mg/Tag die Endpunkte »Aktivitäten für das tägliche Leben«, »kognitive Fähigkeiten«, »allgemeine psychopathologische Symptome« sowie »Lebensqualität der (betreuenden) Angehörigen« verbessern kann. In dieser Dosis und Indikation sind Ginkgopräparate daher verschreibungsfähig. Für andere Demenzformen und -schweregrade ist ein klinischer Nutzen für Patienten durch die Einnahme von Ginkgoblätter-Extrakt nicht konsistent nachgewiesen.
Bei peripherer arterieller Verschlusskrankheit rät die aktuelle S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Angiologie von der Anwendung von Ginkgopräparaten ab, da ein ausreichender Nutzen hinsichtlich einer Verbesserung der Gehstrecke, der Morbidität, Mortalität und Lebensqualität nicht nachgewiesen sei.
In der Indikation Schwindel findet sich in aktuellen Leitlinien und klinischen Unterstützungssystemen keine Empfehlung, Ginkgopräparate zur symptomatischen Behandlung von Schwindel einzusetzen. Zwar existieren einige kleinere Studien mit insgesamt 257 Patienten, die eine subjektive Besserung von Schwindel unter Ginkgoextrakt im Vergleich zu Placebo nahelegen, die Datenlage reicht für eine allgemeine Empfehlung jedoch nicht aus.
Bei Tinnitus konnte in mehreren Studien mit insgesamt mehr als 1000 Teilnehmenden nicht nachgewiesen werden, dass Präparate mit Ginkgo-biloba-Extrakt die Beschwerden lindern können. Die Wirkung war in allen Studien nicht besser als unter Placebo.
Angesichts dieser Datenlage wird deutlich, dass die Bewertung des individuellen Nutzens je nach Indikation und Ansprechen des Patienten unterschiedlich ausfallen kann. Dem potenziellen Nutzen steht das Risiko einer klinisch relevanten Blutung gegenüber, das vor allem bei geriatrischen Patienten, bei Vorliegen von Leber- oder Nierenfunktionsstörungen oder Blutungen in der Anamnese erhöht sein kann.
Sollten Arzt und Patient sich für die gleichzeitige Anwendung von ASS und Ginkgo entscheiden, muss der Patient über die möglichen Anzeichen einer Blutung aufgeklärt werden, um bei eventuell auftretenden Symptomen sofort handeln und ärztlichen Rat einholen zu können. In jeden Fall sollte das Ginkgopräparat drei bis vier Tage vor operativen Eingriffen pausiert werden.
Literatur bei den Verfasserinnen
Die Apothekerinnen Dr. Lisa Goltz und Dr. Jane Schröder sind beim ARMIN-Arzneimittelberatungsdienst der Klinik-Apotheke am Universitätsklinikum an der TU Dresden tätig. Dort unterstützen sie an der Arzneimittelinitiative Sachsen-Thüringen (ARMIN) teilnehmende sächsische Apotheker und Ärzte bei fachlichen Fragen. Die Beratung wird von der Sächsischen Landesapothekerkammer, der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen und der AOK PLUS finanziert.